Ohne Knödel: Erster Michelin-Stern für Osteuropa geht nach Prag

Andrea Accordi (Foto: ČTK)

Kraut, Knödel und Schweinebraten – die tschechische Gastronomie ist eher für deftige Bürgerlichkeit als für kulinarische Spitzenleistungen bekannt. Und doch hat auch die Haute Cuisine in Tschechien eine Heimat gefunden. Anerkannt wurde dies nun auch von den Testern des Guide Michelin: Sie vergaben einen der begehrten Sterne an das Prager Restaurant Allegro – zugleich der überhaupt erste Stern für ein Restaurant in einem ehemaligen Ostblock-Staat.

Andrea Accordi mit seinen Kollegen  (Foto: ČTK)
„Man braucht große Erfahrung, und das aus ganz unterschiedlichen Restaurants, und man muss natürlich ein Gespür für Aroma und Geschmack mitbringen und mit den verschiedenen Produkten und Zutaten richtig umgehen können.“

So fasst der italienische Chefkoch Andrea Accordi das Geheimnis seines Erfolges zusammen. Accordi hatte zuvor schon in Florenz einen Michelin-Stern erkocht, seit sechs Monaten steht er nun im Restaurant des Prager Luxus-Hotels Four Seasons hinter dem Herd und setzt dort seinen Erfolg fort. Mit seinem Team hat er den ersten je in ehemaliges Ostblockland vergeben Michelin-Stern nach Prag geholt. Spitzenküche stößt in Tschechien auf immer größeres Interesse, meint auch Gastronomie-Fachmann Milan Balík:

Andrea Accordi  (Foto: ČTK)
„So, wie die Schicht der besser begüterten Menschen hier im Land wächst, so wächst unter Tschechen auch das Interesse an der besseren Gastronomie – und das nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland.“

Die Gourmet-Kultur in Tschechien lobt auch Chefkoch Andrea Accordi selbst:

„Zum größten Teil haben wir sehr gute Kunden. Es kommen viele Gäste, sie sind ausgezeichnet informiert, wissen, was wir anbieten und wissen die Gerichte auch zu schätzen. Als ich nach Tschechien gekommen bin, hatte ich nicht so viele Gourmets erwartet. Ich bin positiv überrascht, denn unsere Gäste kennen sich aus, und sie wollen auch neues kennen lernen.“

Foto: ČTK
Der Michelin-Stern ist aber nicht nur eine Auszeichnung ist aber nicht nur für Andrea Accordi und das Restaurant Allegro. Vielmehr könnte er einen Impuls für die gesamte tschechische Spitzengastronomie geben, meint der Chefkoch des Prager Restaurants Café Imperial, Zdeněk Pohlreich:

„Auf einmal ist die Möglichkeit, einen Stern zu bekommen, ganz in die Nähe gerückt. Die Michelin-Sterne waren immer etwas, auf das wir als tschechische Köche aus weiter Ferne geschaut haben. Und jetzt gibt es hier in Prag ein Restaurant mit einem Stern. Das zeigt erst einmal ganz simpel: die Tester kommen hierher, nach Tschechien, in die Restaurants, und jetzt liegt es an den Restaurants selbst, das Niveau zu erreichen, das Andrea erreicht hat. Denn jetzt wissen alle, dass es nicht unmöglich ist.“

Eine Herausforderung bleibt auf jeden Fall noch bestehen: Andrea Accordi holte den Michelin Stern nämlich mit seiner italienischen Küche nach Prag, und nicht mit knusprigem Schweinebraten und duftenden böhmischen Powidltatschkerln. Dem tschechischen Durchschnittsesser und –verdiener dürfte allerdings auch das egal sein – er muss nämlich für ein Vier-Gänge Menü bei Accordi gut 150 Euro auf den Tisch legen, und das ist etwa ein Fünftel des tschechischen Durchschnittslohns.