"Nur wir!" - Wahlkampf in der Zielgeraden

Wahlkampf von ODS (Foto: CTK)

Die Wahlen stehen in Tschechien vor der Tür - am ersten Juniwochenende dürfen die Tschechen mit dem Wahlzettel über die politische Zukunft ihres Landes bestimmen. Über Wahlkampf und Wahlaussichten sprach Thomas Kirschner mit dem Direktor des Institutes für politologische Studien an der Prager Karlsuniversität Borivoj Hnizdo.

Wahlkampf von CSSD  (Foto: CTK)
"Jedine my", "Nur wir" lautet der Wahlslogan der Partei der Europäischen Demokraten (SNK ED) - ein Motto, auf das sich derzeit wohl alle Parteien einigen könnten. Wahlkampfzeit in Tschechien. Und das ist besonders in den letzten Wochen der Kampf um jede Stimme, meint der Politologe Borivoj Hnizdo.

"Die Parteien wissen sehr gut, dass die Wahlbeteiligung nicht sehr hoch sein wird, und das heißt, jede Stimme hat Gewicht und es lohnt sich für die Parteien, darum zu kämpfen. Die Kampagnen zielen daher vor allem auf die noch unentschlossenen Wähler. Deshalb sprechen die Parteien vor allem über sich und grenzen sich von den anderen Parteien ab, auch wenn jetzt schon klar ist, dass es am Schluss eine Koalition geben wird - und eigentlich sollte die Wähler interessieren, mit wem die Parteien zusammen arbeiten wollen."

Laut Umfragen führen derzeit die konservativen Bürgerdemokraten, die ODS, mit einigen Prozentpunkten vor den regierenden Sozialdemokraten (CSSD), denen die positive Wirtschaftslage des Landes zu Gute kommen könnte, so Hnizdo:

"Die Linke hat immer Vorteile, wenn die Wirtschaft gut läuft, weil die Wähler dann meinen, dass es mehr Geld zum Verteilen gibt. In Zeiten der Stagnation geben die Wähler dagegen eher den konservativen Parteien ihre Stimme. Ich muss sagen, ich bin überrascht, dass die Sozialdemokraten die positiven Wirtschaftsdaten nicht stärker für eine positive Kampagne nutzen."

Wahlkampf von ODS  (Foto: CTK)
Stattdessen entdeckt die bislang strikt wirtschaftsliberale ODS im Wahlkampf ihre sozialen Seiten - ein Versuch, die Wählerschichten zu verbreitern, gewisser Weise die "Neue Mitte" von Rechts gesehen. Ein notwendiger Schritt, meint der Politologe Hnizdo:

"Die ODS hat gemerkt, dass sie einige Vorurteile loswerden muss, die gegen sie in Teilen der Bevölkerung bestehen: dass sie eine Partei für die Reichen ist, dass sie eine gewisse Arroganz hat und Anmerkungen ignoriert, die nicht von ihrer Klientel kommen. Man kann den Versuch erkennen, diese Schatten der Vergangenheit zu überwinden, in der die ODS zwar um die 30 Prozent bekommen hat, aber eben auch nie mehr."

Für 30 Prozent wird es bei der ODS allerdings auch diesmal kaum reichen - schon deshalb, weil eine fünfte Partei zum Sprung ins Parlament ansetzt, erklärt Hnizdo:

"Ich persönlich bin vor allem auf das Ergebnis der Grünen gespannt, bei denen es Anzeichen gibt, dass besonders sie von den Stimmen der noch unentschlossenen Wähler profitieren könnten. Es handelt praktisch um den Auftritt einer neuen Partei auf der tschechischen politischen Bühne, also bleibt abzuwarten, was das bringt."

In verschiedenen Umfragen liegen die Grünen zurzeit zwischen fünf und zehn Prozent. Eines ist aber jetzt schon sicher: Kommen sie ins Parlament, werden sie die Koalitionsarithmetik nachhaltig beeinflussen. Aber über Koalitionen will jetzt ohnehin noch niemand reden.