NS-Geschichte: Gymnasiasten erstellen Stadtführung

Foto: Offizielle Webseite von USC Shoah Foundation

Vor 75 Jahren ging der erste Transport von Juden aus Uherský Brod / Ungarisch Brod in die nationalsozialistischen Lager. Um an den Beginn des Holocaust in ihrer Gegend zu erinnern, haben Schüler einen interaktiven Rundgang durch die südmährische Stadt erarbeitet. Dazu haben sie auch auf Video-Interviews mit Zeitzeugen zurückgegriffen.

Foto: Offizielle Webseite von USC Shoah Foundation
Ein Jahr lang haben Schüler zweier tschechischer Gymnasien das Projekt geplant. Anfang Januar die Generalprobe: Projektleiter Marcel Mahdal verteilt Tablet-PCs, das Drehbuch und weitere Ausrüstung. Gymnasiasten aus Uherský Brod führen zu fünf Orten in der Stadt, die mit dem Holocaust verbunden sind. Es sind unter anderem die Synagoge, die in ihrer ursprünglichen Form im Juli 1941 niedergebrannt wurde, und der Bahnhof, von dem am 23. Januar 1943 der erste Transport ins KZ Theresienstadt ging.

Schüler eines Gymnasiums in Ostrava / Ostrau haben für die jeweiligen Stationen einige Passagen aus Zeitzeugeninterviews zusammengeschnitten. Diese Gespräche stammen aus dem Archiv für Oral History der Universität von Südkalifornien. Gymnasiast Petr Vyskočil:

„Wir sollten Informationen über die jeweiligen Zeitzeugen sammeln, um Lebensläufe zu erstellen. Ich habe mich mit Erika Brammerová beschäftigt.“

Foto: Offizielle Webseite von USC Shoah Foundation
Als Mädchen wurde die Jüdin am 27. März 1943 nach Theresienstadt deportiert. Sie entkam wiederholt der Verschleppung in ein Todeslager und überlebte. Im Interview schildert Erika Brammerová auch die Verhaftung ihrer Mutter durch die Gestapo, sie wurde schließlich von den Nationalsozialisten umgebracht. Sie habe damals von den Nachbarn erfahren, dass ihre Mutter bei der Festnahme schwer geschlagen worden sei, so Brammerová in dem Interview, das 1996 aufgezeichnet wurde. Ihre Mutter habe geschrien: „Lasst mich leben, ich habe ein Kind!“

Petr Petr Vyskočil hat das Zeitzeugen-Interview sehr bewegt. Aus eigenem Antrieb hat er danach das Grab von Erika Brammerová besucht. Und er hat Neues gelernt:

„Ich habe mich zuvor bereits etwas für Geschichte interessiert. Das Projekt hat dabei geholfen, auch die andere Seite zu beleuchten: Wie sich die Menschen in Uherský Brod während des Kriegs gegenüber den Juden verhalten haben. Ein Teil von ihnen hat ihnen geholfen, ein anderer Teil hat sie schikaniert und ihnen Schaden zugefügt.“

Foto: Offizielle Webseite von USC Shoah Foundation
Die Führungen selbst werden von Schülern eines Gymnasiums in Uherský Brod geleitet. Lenka Ertlová unterrichtet die Jugendlichen dort in Geschichte. Sie sagt, dass diese nun mit offeneren Augen durch ihre Heimatstadt gehen würden:

„Die Orte, deren Geschichte meine Schüler nun kennengelernt haben, werden für sie nicht mehr gewöhnlich sein. Die Schüler werden diese Orte vielmehr mit bestimmten Gedanken verbinden. Vielleicht wird ihnen dabei bewusst, dass das, was sie umgibt, mal in der Vergangenheit eine bestimmte Rolle gespielt hat.“

Am Samstag dieser Woche werden die iWalks in Uherský Brod übrigens offiziell vorgestellt. Ab dann sind die historischen Informationen und Interviews auch für die Öffentlichkeit zugänglich, etwa über das Smartphone. Vergleichbare Projekte gibt es hierzulande schon in Prag, Brno / Brünn und Mladá Boleslav / Jungbunzlau.