Neuanfang an der Grenze: Film zeigt Zauber des Gratzener Berglands

Gratzener Bergland (Foto: che, CC BY-SA 2.5)

Das Gratzener Bergland (Novohradské hory) liegt in Südböhmen, ist relativ dünn besiedelt ist und bietet viel Natur. Lenka Ovčáčková hat einen Dokumentarfilm über diese Region gedreht, er heißt „Im Einen Alles, im All nur Eines“. In dem Streifen schildern Vertriebene ihre Erinnerungen und die heutigen Bewohner das jetzige Leben. Das Ganz ist begleitet von Zitaten des Philosophen und Naturwissenschaftlers Georg Franz August Buquoy, dessen Leben eng verbunden ist mit der Ortschaft Nové Hrady / Gratzen. Der Film hat am Mittwoch im Haus der Minderheiten in Prag Premiere gefeiert.

Lenka Ovčáčková  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Ovčáčková, vor zwei Jahren haben Sie einen Film über den Böhmerwald vorgestellt. In Ihrem neuesten Film führen Sie die Zuschauer in das Gratzener Bergland. Was war der Beweggrund für den Film?

„Erstens war es die Faszination für die Gegend. Der Film ,Tiefe Kontraste‘ hat sich auf den Böhmerwald bezogen. In den alten Büchern wird das Gratzener Bergland als ein Teil des Böhmerwaldes beschrieben. Ich habe also gedacht, dass ich eine weitere Folge des Böhmerwald-Films machten könnte. Letztlich hat sich aber herausgestellt, dass es nur teilweise so ist, weil sich das Gratzener Bergland vom Böhmerwald in gewissen Punkten unterscheidet. Der überhaupt erste Impuls für den Film war eigentlich meine Dissertationsarbeit, in der ich mich mit dem monistischen Gedankengut von Ernst Hackel befasst habe. Im Zuge der Arbeit daran bin ich auf die Ideen von Georg Franz August Buquoy (1781-1851) gestoßen. Er hatte in Nové Hrady gelebt und war eine besondere Persönlichkeit. Er hat versucht, sich in allen Bereichen des Lebens zu orientieren: Er war nicht nur ein Mathematiker, Ökonom und Techniker, sondern hat sich auch für die Naturwissenschaft und Philosophie interessiert. Seine Bücher haben mich fasziniert, als ich damals die Arbeit schrieb. Ich habe gedacht, es wäre schön, mal einen Film über das Gratzener Bergland zu drehen und Zitate aus Buquoys Werken zu benutzen. Das habe ich nun verwirklichen können, und es freut mich sehr.“

Gratzener Bergland  (Foto: che,  CC BY-SA 2.5)
Haben Sie die Gegend schon früher gekannt, oder sind sie erst bei den Dreharbeiten dort hingekommen?

„Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal im Gratzener Bergland. Ich habe es vorher nicht gekannt, habe nur viel darüber gehört, und es hat mich natürlich gelockt. Aber ich wollte abwarten, die Schritte durch die Gegend langsam machen und dabei im Hinterkopf Zitate und Passagen aus den Werken von Georg Franz August Buquoy haben. Diese Herangehensweise hat sich vermischt mit den Erfahrungen der Menschen, die dort leben. Ich habe 38 Interviewpartner gehabt – sowohl von tschechischer als auch von österreichischer Seite. Gesprochen habe ich mit Menschen, die vertrieben wurden und derzeit in Deutschland leben. Sie alle haben mich immer tiefer in das Gratzener Bergland geführt und mich dort sozusagen heimisch gemacht.“

Gratzener Bergland  (Foto: Dezidor,  CC BY 3.0)
Welche Rolle spielt im Film die Grenze, die es heute eigentlich nicht mehr gibt?

„Ich habe doch das Gefühl, dass die Grenze noch da ist. Darum mache ich auch meine Filme. Meine Motivation ist, Grenzen zu überwinden. Auch wenn es wirklich viele wunderbare gemeinsame Aktivitäten von Tschechen und Österreichern in dieser Grenzregion gibt, kommt es mir vor, als ob man sich doch fremd wäre. Natürlich kommt das dadurch, dass die Bewohner vertrieben wurden und dass die Gegend leer stand wegen dem Eisernen Vorhang. Niemand durfte sie damals betreten. Nach der Wende hat es ein wenig gedauert, bis die Region wieder besiedelt wurde. Ein wunderbares Beispiel dafür ist der Grenzort Pohoří na Šumavě / Buchers, wo es neue Häuser gibt und wo bewundernswerte Menschen leben. Sie kooperieren mit den österreichischen Partnern und es entsteht viel Neues. Darin sehe ich einen guten Weg.“


Film „Im Einen Alles,  im All nur Eines“  (Foto: Archiv von Lenka Ovčáčková)
Der zweisprachige deutsch-tschechisch-österreichische Film „Im Einen Alles, im All nur Eines“ ist in den nächsten Tagen noch an weiteren Orten in Tschechien, Deutschland und Österreich zu sehen. Am 22. April wird er in der Kirche im Grenzort Pohoří na Šumavě / Buchers vorgestellt. Seine Deutschland-Premiere feiert der Streifen am 27. April im Sudetendeutschen Haus in München. Zudem soll er unter anderem im Kloster Speinshart, in Bayerisch Eisenstein und in Windhaag in Österreich aufgeführt werden.