Nach Machtwechsel in Washington: neue Diskussion um US-Radar in Böhmen

Vergangenes Jahr haben Tschechien und die USA Verträge über die Errichtung einer amerikanischen Radaranlage in Mittelböhmen abgeschlossen. Die Anlage sollte Teil eines US-Raketenabwehrsystems sein, die dazugehörigen Abschussbasen wollte die Bush-Administration in Polen stationieren. Der neue US-Präsident Barack Obama will aber vieles anders machen als sein Vorgänger. Auch in der Raketenfrage könnte sich in Washington ein Politikwechsel abzeichnen. Wie wird die Situation derzeit in Tschechien eingeschätzt?

Jiří Dienstbier
Neben dem EU-Reformvertrag von Lissabon war sie der größte außenpolitische Zankapfel der letzten Monate: die geplante US-Radaranlage im mittelböhmischen Brdy, keine 50 Kilometer südwestlich von Prag. Die Mitte-Rechts-Regierung ist großteils dafür, die oppositionellen Sozialdemokraten sowie die Kommunisten sind dagegen. Bis jetzt wurden die Stationierungsverträge vom tschechischen Parlament noch nicht ratifiziert. Geht es nach dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Senat, Ex-Außenminister Jiří Dienstbier, so haben die Radar-Gegner hierzulande durch den jüngsten Machtwechsel in Washington Aufwind bekommen:

„Ich glaube, dass es keine Radaranlage geben wird. Ron Asmus, ein amerikanischer Diplomat in Brüssel, hat vergangene Woche eine Rede über die neue US-Politik unter Barack Obama gehalten. Dabei hat er klar gesagt, dass die Frage der Raketenabwehr in nächster Zeit keine Frage der Installation eines Radarsystems in Tschechien oder der Stationierung von Raketen in Polen sein wird“, so Dienstbier, der im tschechischen Senat der sozialdemokratischen Fraktion angehört.

Die Regierung von George W. Bush hatte stets betont, das geplante Raketenabwehrsystem solle die USA und Westeuropa vor Angriffen aus Staaten wie dem Iran schützen, für Russland gebe es keinen Grund, sich bedroht zu fühlen. Für Dienstbier reichen Lippenbekenntnisse aber nicht aus:

Außenminister Karel Schwarzenberg  (Foto: ČTK)
„Meiner Ansicht nach wird es entweder eine gemeinsame Raketenabwehr der NATO, Russlands und der Vereinigten Staaten geben, oder überhaupt keine.“

Der neue US-Präsident Barack Obama hat bereits durchklingen lassen, dass das System garantiert funktionstüchtig und kosteneffektiv sein müsse, um gebaut zu werden. Angesichts der derzeitigen Finanzkrise klingt das für manche wie der Einstieg in den Ausstieg aus dem militärischen Großprojekt. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, der die Radaranlage unterstützt, rechnet jedoch höchstens mit Verzögerungen durch etwaige Budgetprobleme:

„Ich wäre sehr froh, wenn wir die Verträge ratifizieren könnten. Wenn das einmal erledigt ist, dann hätten wir eine Ausgangsposition, um gemeinsam mit den USA und Polen auch Verhandlungen mit Russland aufzunehmen“, so Schwarzenberg.

Umfragen in Tschechien zeigen indes, dass etwa 70 Prozent der Bevölkerung gegen die US-Radaranlage sind. Eine etwaige militärische Zusammenarbeit mit Russland dürfte da gerade in Tschechien kaum für bessere Stimmung sorgen.