Mit 65 oder mit 67 in den Ruhestand? Regierung debattiert über Renteneinstieg

Foto: Europäische Kommission

Die frühere konservative Regierung in Prag hatte beschlossen, das Renteneinstiegsalter langsam anzuheben – aber ohne Obergrenze. Die neue Mitte-Links-Regierung will eine solche Grenze nun aber einführen.

Foto: Pavla Pelikánová,  CC BY-SA 4.0
Eigentlich ist es gang und gäbe in Europa: Das Renteneinstiegsalter wird nicht grenzenlos erhöht. 2010 wurde in Tschechien aber etwas anderes beschlossen. Ein Blick in den Internetrechner für das Renteneinstiegsalter zeigt die Folgen der Regelung: Männer des Jahrgangs 1953 beispielsweise gehen mit 63 Jahren aufs Altersteil – also in diesem Jahr. Wer aber gerade erst zur Welt gekommen ist, der soll sogar arbeiten, bis er 73,5 Jahre alt ist. Das sei ziemlicher Unsinn, sagt Arbeits- und Sozialministerin Michaela Marksová (Sozialdemokraten):

Michaela Marksová  (Foto: Archiv des tschechischen Arbeits- und Sozialministeriums)
„Gerade die Vorstellung in der derzeitigen Rentenregelung, dass die Menschen fast bis unendlich arbeiten werden, entspricht überhaupt nicht der Realität. Die Menschen werden zwar im Schnitt immer älter, zugleich aber steigt die Zahl unterschiedlichster Krankheiten und Gebrechen. Die Frage ist also, bis in welches Alter man überhaupt fähig ist zu arbeiten.“

Die Sozialdemokraten haben daher in der Regierungskoalition darauf gedrängt, dass eine Obergrenze gezogen wird für das Renteneinstiegsalter. Dem hat das Kabinett auch Ende März zugestimmt. Die Frage besteht aber, ob 65 Jahre oder 67 Jahre gelten sollen. Die Sozialdemokraten neigen eher zum früheren Einstiegsalter. Jaroslav Zavadil, Vorsitzender des sozialpolitischen Ausschusses im Abgeordnetenhaus, gegenüber dem Tschechischen Fernsehen:

Jaroslav Zavadil  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Dafür sprechen zwei Argumente. Zum einen sterben die tschechischen Bürger weiterhin deutlich früher als durchschnittlich die Menschen in der EU. In der Differenz sind das zweieinhalb bis drei Jahre, im Vergleich zu manchen Ländern beträgt der Unterschied sogar vier Jahre. Zum anderen haben die Bürger hierzulande eine längere Lebensarbeitszeit, und zwar um einiges mehr als im Schnitt in den anderen Staaten der Europäischen Union. Das sind die Gründe dafür, das Einstiegsalter bei ungefähr 65 Jahren festzuschreiben. Allerdings soll in Zukunft alle fünf Jahre die Möglichkeit einer gewissen Revision bestehen.“

Andrej Babiš  (Foto: YouTube Kanal der Partei Ano)
Anders sieht das jedoch der Koalitionspartner, die Partei Ano. Vor allem deren Parteichef und Finanzminister Andrej Babiš tendiert eher zu 67 Jahren als Renteneinstiegsalter. Bis Juni soll nun Arbeits- und Sozialministerin Marksová beide Varianten berechnen lassen.

„Wir werden prüfen, in welchen Ländern der EU welche Grenze gilt, also 65 oder 67 Jahre. Und danach werden wir die Diskussion wieder aufnehmen“, so Andrej Babiš.

Die konservative Opposition glaubt allerdings weiter an das von ihr entworfene offene Modell. Sie macht sich vor allem Sorgen um die Finanzierbarkeit der Renten. Denn Tschechien altert zunehmend. Zwischen 1980 und 2012 stieg die durchschnittliche Lebenserwartung von 70 auf über 78 Jahre. Zugleich machen sich die schwachen Jahrgänge bemerkbar. Nur durch Zuwanderung verzeichnete das Land im vergangenen Jahr einen leichten Bevölkerungszuwachs. Sozialpolitikerin Lenka Kohoutová von den Bürgerdemokraten:

Foto: Europäische Kommission
„Es geht nicht um das genaue Jahr, in dem die Menschen in Rente gehen. Es geht vielmehr darum, das Rentensystem zu stabilisieren. Wir müssen auch noch nach 2020 und 2030 die Renten auszahlen können.“

Die Sozialdemokraten sagen wiederum, dass man sich nicht vor allem um die Ausgaben kümmern, sondern auch die Einnahmen beachten sollte. Anstatt längerer Lebensarbeitszeit favorisieren sie eine effektive Arbeitsmarktpolitik. Mit Beschäftigungsmaßnahmen für Arbeitnehmer jenseits der 50 ließe sich besser die Altersarmut verhindern als mit einem Renteneinstiegsalter zum Sankt-Nimmerleinstag.