Literaturpreis Magnesia litera: Ein Erfolg für die Frauen und die Lyrik

Daniela Hodrová (Foto: ČTK)

Wie jeden Frühling war die Spannung in der tschechischen Literaturszene auch nun wieder groß. Zum 15. Mal wurde in dieser Woche der wohl wichtigste Literaturpreis der Tschechischen Republik vergeben – der Magnesia litera. Die diesjährige Entscheidung der Jury steht dabei in einem deutlichen Kontrast zum letzten Jahr.

Daniela Hodrová  (Foto: ČTK)
Die Verleihung des prestigeträchtigsten tschechischen Literaturpreises Magnesia litera stand in diesem Jahr deutlich im Zeichen der Frauen und der lyrischen Sprache. In den wichtigsten Kategorien, Buch des Jahres und Prosa, wurden die Schriftstellerin und Bohemistin Daniela Hodrová und die Prosadebütantin Anna Bolavá ausgezeichnet. Noch letztes Jahr hatten eher harte und faktische Stimmen Erfolg. Geehrt wurden die Dichterbiographie „Básnik. Roman o Ivanu Blatném“ von Martin Reiner und der Thriller „Mlýn na Mumie“ von Petr Stančík.

Foto: Verlag Malvern
Die Preisträgerin in der Kategorie Buch des Jahres, Daniela Hodrová, meinte zu ihrem Erfolg:

„Ich bin wirklich sehr überrascht. Ich sehe das als Ehre für eine Art des Schreibens, die es bisher nicht leicht hatte in der Welt.“

Und tatsächlich: der Roman „Točité věty“ ist keine Schönwetterliteratur. Die Autorin taucht in diesem Werk tief in ihr eigenes Gewissen ein. Durch sanfte und mitfühlende Töne lässt sie ihre bereits verstorbenen Freundinnen und Künstlerkolleginnen Bohumila Grögerová und Adriana Šimotová wiederauferstehen. Hodrová erschafft in ihrem Roman eine einzigartige lyrische Zwischenwelt, in der Begriffe Vergangenheit und Gegenwart, Rede und Zitat oder Gedanke und ausgesprochenes Wort ihre allgemeine Gültigkeit verlieren. Der Leser ist lediglich imstande, Bruchstücke der sich vor ihm ausbreitenden Welt zu erfassen. Laut Hodrová steht er damit vor den Grenzen seines eigenen Weltverständnisses:

Foto: Verlag Ammann
„Es tauchen beispielsweise Plakatfetzen auf, die mit Zitaten aus den Werken Franz Kafkas beschrieben sind. Es sind Fetzen mit Kafkas tatsächlichen letzten Worten, die irgendwie vom Wind aufgewirbelt werden. Dies sind auf der einen Seite einfache Worte, doch es sind gleichzeitig die wirklichen Worte Kafkas. Die Welt ist so reich an Eindrücken, und wir können sie nicht immer verstehen. Eigentlich verstehen wir die Welt nie – das ist eben der Sinn der Lyrik.“

Daniela Hodrová ist im deutschsprachigen Raum bis jetzt nicht sehr bekannt. Sie wird als Literatin verstanden, die einen etwas anderen Blick auf Prag bietet – weit abseits aller Sehenswürdigkeiten. In der deutschen Übersetzung von Susanna Roth sind bisher ihre Werke „Città Dolente – Das Wolschauer Reich“, „Im Reich der Lüfte“ und „Theta“ im Zürcher Ammann-Verlag erschienen.

Der beste Beitrag aus der Kategorie Prosa ist der Debütroman „Do tmy“ der Nachwuchsautorin Anna Bolavá, die eigentlich als Bohumila Adamová heißt. Ihr Werk dreht sich um die junge Anna, deren sommerliches Hobby – das Sammeln von Heilkräutern – zu einem Wahn wird. Die Welt um Anna herum beginnt sich währenddessen zu zersetzen. Für Bolavá selbst hat ihr Roman eine besondere Bedeutung. Sie begreift ihn als ein Buch über sich und alles um sie herum:

Anna Bolavá  (Foto: ČTK)
„Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, es ist einfach mein Buch. Was auch immer ich in Zukunft schreiben werde: Mir ist klar, dass es nie wie dieses Buch sein wird. Die Sache ist an sich schwer zu beschreiben. In diesem Buch ist eigentlich alles vermischt. Die Menschen, die mich aus meiner Familie kennen, merken durch bestimmte Motive, dass sie damit gemeint sind. Vielleicht denken sie aber auch, dass alles ganz anders ist.“

Ansonsten wurde der Magnesia litera noch in acht weiteren Kategorien vergeben.