Lenka Reinerová: 1916 – 2008

Lenka Reinerová (Foto: ČTK)
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Am vergangenen Freitag verstarb im Alter von 92 Jahren die Grande Dame der Prager deutschsprachigen Literatur, Lenka Reinerová. Sie war mit Egon Erwin Kisch und Max Brod befreundet gewesen und konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken.

Lenka Reinerová  (Foto: ČTK)
Lenka Reinerová wurde 1916 in einer jüdischen Familie in Prag geboren – man sprach zuhause sowohl deutsch als auch tschechisch. Als Journalistin arbeitete sie bei der „Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“, war bekennende Kommunistin. Im März 1939 marschierten dann die deutschen Truppen in Prag ein. Lenka Reinerová entkam jedoch den Fängen der Nazis – als einzige ihrer Familie. Eigentlich durch puren Zufall:

„Ich war – und deshalb habe ich als Einzige aus meiner Familie überlebt – am Tag des Einmarschs nicht in der Tschechoslowakei. Das hat mir das Leben gerettet, ich bin nicht zurückgekommen. Ich war bei Journalistenkollegen in Bukarest zu Besuch, und ich habe dann von dort aus zuhause angerufen. In diesem Telefongespräch habe ich zum allerletzten Mal mit meiner Mutter und mit meiner jüngeren Schwester gesprochen. Vor allem meine jüngere Schwester sagte mir, wenn auch nicht in ganz direkter Form, aber ich habe es trotzdem gut verstanden: ‚Ich glaube nicht, dass du jetzt zurückkommen solltest.’ Ich habe mich also gar nicht lange entschließen müssen, ich war draußen und bin draußen geblieben.“

Von Bukarest aus ging Lenka Reinerová ins Exil nach Frankreich, wo sie verhaftet wurde und ins Gefängnis kam. Mit der Hilfe von Egon Erwin Kisch konnte sie dann aber schließlich nach Mexiko ausreisen, wo sie bis zum Kriegsende blieb.

Erst 1948 kehrte Reinerová nach Prag zurück. Prag war in sozialistischer Hand und man hätte meinen können, Lenka Reinerová hätte nun endlich in ihrem heimatlichen Prag zur Ruhe kommen und schreiben können. Doch auch an ihr, die sich immer als Kommunistin bezeichnet hatte, gingen die politischen Säuberungen nicht vorüber: Sie wurde wegen politischer Unzuverlässigkeit inhaftiert und bekam Publikationsverbot:

„Also in den fünfziger Jahren bin ich erstmal für 15 Monate im Gefängnis gewesen, dann habe ich mit großer Freude die deutschsprachige Monatsschrift ‚Im Herzen Europas’ gemacht, bis zur ‚brüderlichen Invasion’ im Jahre 1968. Dann bin ich natürlich herausgeflogen und bekam Publikationsverbot. Das ging soweit, dass ich auch unter eigenem Namen nicht übersetzen durfte. Ich bin über diese Zeit ganz gut hinweggekommen, weil ich als Simultandolmetscherin gearbeitet habe. Das ist eine ganz anonyme Arbeit.“

Seit 1989 erschienen dann etliche Erinnerungsbücher und Erzählungen aus dem Prager Milieu. Lenka Reinerová erhielt auch zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt das deutsche Bundesverdienstkreuz. Im Jahr 2004 gründete sie das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren, als Hommage und zur Erinnerung an ihre Freunde und Kollegen wie Egon Erwin Kisch, Max Brod, Franz Werfel, Rainer Maria Rilke oder Franz Kafka.