Leiter des Instituts für Totalitarismusforschung entlassen – dieser wittert politische Gründe

Daniel Herman (Foto: ČTK)

Das Institut zum Studium totalitärer Regime (ÚSTR) mit Sitz in Prag wurde 2007 gegründet und soll eigentlich die wichtigste tschechische Forschungsinstitution für die Zeit des Kommunismus sein. Seit Anfang des Jahres wurde der Rat des Instituts neu besetzt. Und dieser Rat hat nun den bisherigen Institutsleiter Daniel Herman vorzeitig abberufen. Innerhalb eines Jahres soll per Ausschreibung ein neuer Chef gefunden werden. Bis dahin führt die ehemalige Leiterin des Tschechischen Zentrums in Warschau, Pavla Foglová, das Institut kommissarisch.

Daniel Herman  (Foto: ČTK)
Die Abwahl von Daniel Herman hatte sich angedeutet. Denn seit einigen Monaten schwelt im Institut ein Machtkampf. Auf der einen Seite steht der Institutsrat, der seit Anfang des Jahres neu besetzt wurde. Auf der anderen Seite befinden sich Herman sowie die meisten Angestellten. Die Macht und das letzte Wort hat indes der Rat. Am Mittwoch stimmten fünf der sechs Ratsmitglieder für die Absetzung Hermans. Sie werfen ihm konkrete inhaltliche Fehler vor. Ratsmitglied Petruška Šustrová ist Publizistin, Übersetzerin und ehemalige politische Verfolgte:

„Die Entscheidung hat viele Gründe. Die Mehrheit des Rates ist überzeugt, dass das Institut nicht so funktioniert, wie es sollte. Seit der Gründung des Instituts wurde kein Konzept erarbeitet, auf welche Weise die kommunistische Vergangenheit aufgearbeitet werden soll. Wir sind aber überzeugt, dass es ohne ein solches Konzept nicht geht.“

Lukáš Jelínek  (Foto: YouTube)
Ratsmitglied Lukáš Jelínek ist Politologe an der den Sozialdemokraten nahestehenden Demokratischen Masaryk-Akademie. Er ergänzte, die unsystematische Forschungsarbeit hänge auch mit personellen Problemen des Instituts zusammen:

„Erst im vergangenen Monat wurde auf unsere Bitte hin eine Übersicht über die Forschungsprojekte zusammengestellt, die seit 2007 gelaufen sind oder noch laufen. Viele dieser Projekte wurden vorzeitig beendet, weil Angestellte gezwungenermaßen oder freiwillig das Institut verlassen haben. Auch viele junge und fähige Historiker sind gegangen.“

Illustrationsfoto: Archiv von International Dunhuang Project,  Wikimedia CC BY-SA 3.0
In einem Pressetext schreiben die Ratsmitglieder, dass nur 8,6 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter einen Doktortitel haben. Für eine Forschungsinstitution sei dies aber zu wenig. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Digitalisierung von Akten der Staatssicherheit und weiterer kommunistischer Sicherheitsorgane chaotisch verlaufe und zu langsam voranschreite.

Daniel Herman weist die inhaltlichen Vorwürfe zurück:

„Natürlich kommen und gehen Mitarbeiter. Aber derzeit ist das Institut sehr stabil. Ich habe ein sehr fachkundiges Team zusammengestellt. Für sich spricht auch, dass wir Dutzende Fachkonferenzen und Seminare abgehalten haben, etwa 20 Publikationen jährlich veröffentlichen, das sind über 100 seit Bestehen des Instituts, und 30 Millionen Seiten Archivmaterial digitalisiert haben.“

Bohuslav Sobotka  (Foto: Archiv ČSSD)
Herman glaubt daher an politische Machenschaften.

„Ich bin überzeugt, dass meine Abberufung politisch motiviert ist, und zwar durch einige Sozialdemokraten und Kommunisten. Denn zwei Ratsmitglieder sind von der Demokratischen Masaryk-Akademie entsandt und haben Verbindungen zu einem Abgeordneten und einem Senator der Sozialdemokraten.“

Er fürchte, die Politiker der Linken versuchten die Interpretationshoheit zu erlangen über die Geschichte der kommunistischen Ära, so Herman. Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka wies diese Vorwürfe am Mittwoch entschieden zurück, während Premier Petr Nečas die Befürchtungen des ehemaligen ÚSTR-Chefs bekräftigte.

Gebäude des Instituts für Totalitarismusforschung  (Foto: Google Street View)
Mögliche politische Einflüsse auf die Leitung des Instituts sind allerdings ein legislatives Problem. Denn dem Gesetz nach beruft der tschechische Senat die Mitglieder des Institutsrats. Der Senat ist aber ein rein politisches Organ, in dem die Mehrheiten auch wechseln können. Und das ist vor einiger Zeit geschehen.