Kathedralkapitel zum Hl. Veit: Tausend Jahre Dienst am Dom

Prager Veitsdom

Am Tag des böhmischen Landespatrons, des Heiligen Wenzel, wird traditionell ein Festgottesdienst am Ort zelebriert, an dem der Premyslidenfürst 929 ermordet wurde - im unweit von Prag gelegenen Stara Boleslav / Altbunzlau. An den in Tschechien wohl bekanntesten Heiligen wird jedoch auch in der St. Wenzelskapelle im Prager Veitsdom erinnert, wo Wenzel bestattet wurde. Die Kapelle hat vor kurzem den Eigentümer gewechselt und mit ihr die ganze Kathedrale, die nach einigen Jahrzehnten im Staatsbesitz nun wieder der katholischen Kirche zugeordnet ist. Über den historischen Hintergrund der Übergabe der Kathedrale an die Kirche sowie die aktuelle Lage erfahren Sie mehr von Martina Schneibergova und Thomas Kirschner.

Prager Veitsdom
Seit 6. September gehört der zweifelsohne bekannteste Sakralbau Tschechiens wieder offiziell der Kirche und wird vom Metropolitankapitel verwaltet. Professor Jan Matejka, Dekan des Domkapitels beim Heiligen Veit, erinnert an die traditionelle Aufgabe des Kapitels:

"Das Kathedralkapitel hat auf diesem Gelände bereits drei Gebäude verwaltet: Das erste davon war die vorromanische Rotunde, die vom heiligen Wenzel um das Jahr 925 gegründet wurde. Als 973 Prag zum Sitz des Bischofs wurde, hat das so genannte ´collegium cleri´ - also eine Gruppe von Geistlichen, die die Errichtung der Diözese vorbereitet haben und bei der vorromanischen Rotunde tätig waren, das Kathedralkapitel gegründet. Die Rotunde ist damals zur Kathedrale, also zur Kirche eines Bischofssitzes geworden. Ein weiteres Gebäude, das an diesem Ort stand - die Basilika von Fürst Spytihnev - war auch eine Kathedrale. Johann von Luxemburg und Karl IV. haben entschieden, dass im Sitz des Kaisers eine Kathedralkirche einer anderen Art stehen sollte, so wie es damals üblich war. Anstelle der romanischen Basilika von Spytihnev wurde ein gotischer Sakralbau erbaut. Ursprünglich stand hier nur der Ostteil des heutigen Doms, denn der Bau wurde erst an der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts beendet."

Jan Matejka
Die ganze Zeit lang hatte das Metropolitankapitel, das die Kathedrale verwaltet hat, hier seinen Sitz. So war es bis 1957. Aber schon früher - kurz nach dem kommunistischen Putsch von 1948 - haben die damaligen Machthaber Sondermaßnahmen getroffen, was die St. Veitskathedrale betrifft, sagt Professor Matejka. Er hat historische Dokumente zu diesem Thema gefunden:

"Das Dokumentationsinstitut der Akademie der Wissenschaften in Brno / Brünn hat eine Sammlung von Dokumenten herausgegeben, wo sämtliche Protokolle von den Sitzungen einer beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei tätigen Sondergruppe enthalten sind, die verschiedene Restriktionsmaßnahmen gegen die Kirche geplant und getroffen hat. Man kann da die Erklärung des damaligen Kultus- und Informationsministers Vaclav Kopecky lesen, dass es notwendig sei, eine Sonderregelung für die St. Veitskathedrale einzuführen. Es wurde beschlossen, dem damaligen Erzbischof Josef Beran die Schlüssel vom Domschatz und den Küstern die Schlüssel von der Kathedrale abzunehmen und die Schlüssel verlässlichen Parteigenossen anzuvertrauen. Die Sonderregelung wurde allmählich in die Tat umgesetzt. Alle Mitglieder des Metropolitankapitels wurden ausgesiedelt genauso wie die Küster, die einst im Mihulka-Turm gewohnt haben."

Prager Veitsdom
Die Kathedrale wurde somit von den Mitarbeitern der Präsidentenkanzlei übernommen. Jan Matejka zufolge kam es jedoch zu keiner offiziellen Verstaatlichung der Kathedrale. Seit 1957 galt da jedoch eine äußerst seltsame Regelung:

"Es wurde offiziell anerkannt, dass die innere Ausstattung der Kirche Eigentum des Metropolitankapitels geblieben ist. Das wurde nicht bestritten. Wenn bestimmte Kunstgegenstände beispielsweise für eine Ausstellung ausgeliehen werden sollten, musste das Domkapitel zustimmen. Die Besucher des Doms mussten Eintritt bezahlen. Die Präsidentenkanzlei beziehungsweise die Verwaltung der Prager Burg hat dieses Geld behalten. Das Metropolitankapitel musste jedoch für das Aufräumen und Instandhalten der Kathedrale bezahlen."

Die Lage um die Kathedrale konnte sich natürlich erst nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes ändern. Der damalige tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel hat 1990 das Metropolitankapitel aufgefordert, sich ans Gericht zu wenden, um die Rechtsverhältnisse zu klären. Nach dreizehn Jahren hat das Gerichtsurteil bestätigt, dass die Kathedrale Eigentum der Kirche ist. Jan Matejka dazu:

Vaclav Maly  (Foto: Autorin)
"Die allmähliche Übernahme ist kein einmaliger Akt, der Prozess wird noch eine bestimmte Zeit lang dauern. Die Sehenswürdigkeiten, die sich auf dem Areal der Prager Burg befinden, sind miteinander eng verbunden. Ohne gegenseitige Zusammenarbeit der einzelnen Verwalter der Objekte ist es nicht möglich, Probleme zu lösen, die mit dem Zustrom von Besuchern zusammenhängen."

Soweit der Dekan des Domkapitels beim Heiligen Veit, Professor Jan Matejka. Auch der Prager Bischof Vaclav Maly hält die Übernahme der Kathedrale für keine Angelegenheit, die von einem Tag auf den anderen erledigt werden kann:

"Die Kirche hat die Kathedrale soeben übernommen und dies ist ein komplizierter Prozess. Es geht darum, die Führungen neu zu gestallten, den Interessenten den Eintritt zu ermöglichen und die Bedingungen dafür zu verbessern. Es ist nicht leicht, weil es zur Übernahme sehr plötzlich und innerhalb einer sehr kurzen Zeit kam."

Das Metropolitankapitel war schon immer eine Institution, die sich für die Erweiterung der Bildung und die Bewahrung des Kulturerbes eingesetzt hat. In den Sammlungen des Kapitels befinden sich zahlreiche Kunstschätze. Nach Worten von Michal Slavik, dem Generalvikar des Prager Erzbistums, möchte das Domkapitel nun auch seine historische Aufgabe weiter entwickeln:

Michal Slavik
"Unser erstes Vorhaben ist es, ein weihnachtliches Benefizkonzert in der Kathedrale zu veranstalten. Dabei möchten wir mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen zusammenarbeiten, das traditionell Adventkonzerte überträgt, bei denen Menschen zu verschiedenen karitativen Zwecken spenden können. Wir haben des Weiteren vor, etwas nachzuholen, was wir dem ersten Bischof tschechischer Abstammung, dem heiligen Vojtech / Adalbert bislang so zu sagen ´schulden´. Wir würden gern in der Kathedrale ein würdiges Grabmal für diesen ersten großen Europäer tschechischer Abstammung errichten. So etwas fehlt in der Kathedrale immer noch."

Michal Slavik zufolge kann der Kölner Dom mit seiner Ausstellung der Kunstschätze ein Beispiel für die Prager Kathedrale bieten. Die Öffentlichkeit kann die Kunstgegenstände, die sich in den Sammlungen des Metropolitankapitels befinden, heute noch nicht besichtigen, denn es mangelt an den entsprechenden Räumlichkeiten, wo sie ausgestellt werden können, sagt Slavik:

"Es ist für uns eine Herausforderung, diese Gegenstände künftig in einer Ausstellung zu präsentieren. Dabei möchten wir mit der Verwaltung der Prager Burg zusammenarbeiten. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Kathedrale in erster Linie ein Sakralraum ist, wo Gottesdienste zelebriert wurden und auch weiterhin zelebriert werden."

Fotos: Autorin