Karel Hynek Mácha: 200. Geburtstag des tschechischen National-Romantikers

Karel Hynek Mácha

Er ist der bedeutendste tschechische Dichter der Romantik und gleichzeitig ein wichtiges tschechisches Nationalidol: Vor 200 Jahren wurde in Prag Karel Hynek Mácha geboren. Über die Bedeutung und Wirkung des Dichters hat Radio Prag mit Dalibor Dobiáš vom Institut für tschechische Literatur an der Akademie der Wissenschaften gesprochen.

Karel Hynek Mácha
Herr Doktor Dobiáš, vor 200 Jahren ist Karel Hynek Mácha in Prag geboren worden. Mácha gilt nicht nur als der Dichter der tschechischen Romantik schlechthin, sondern auch als einer der bedeutendsten Autoren und geradezu als ein Symbol für die tschechische Nation. Ist Mácha ein nationales oder ein literarisches Phänomen?

„Beides. Mácha kommt aus einem durchschnittlichen Prager Milieu. Während der nur 26 Jahre seines Lebens ist er zu einem außergewöhnlichen Dichter geworden, der die Frage nach der Existenz des Menschen ganz radikal gestellt hat und der auch die Rolle der Sprache hinterfragt hat. Zuerst wurde er vor allem literarisch, auch sehr kritisch, rezipiert. Im Laufe der Zeit, viel später als andere Autoren, ist er dann zu einem Nationalsymbol geworden.“

Sie sprechen es an: Mácha war nicht von Anfang an so beliebt, im Gegenteil, zu seinen Lebzeiten fristete er eher ein Schattendasein. Über 170 Jahre nach seinem Tod scheint Mácha nun so populär wie nie. Die Zeitschrift „Respekt“ zum Beispiel titelt in ihrer aktuellen Ausgabe ganz groß „Macha is not dead“. Wann und warum kam es denn zu dieser Wende in der Rezeption Máchas, dessen Gedicht „Máj“ ja heute jedes Schulkind auswendig kann?



„Mácha war schon zu Lebzeiten ziemlich bekannt, nur war sein Werk ein bisschen skandalös und es hat nicht – vor allem ‚Máj’ – der Funktionalisierung der Literatur zu dieser Zeit entsprochen. Deshalb wurde Mácha in Tschechien zunächst teilweise abgelehnt. Erst später wurde er allmählich zu diesem Symbol. In die Schulbücher zum Beispiel sind seine Gedichte erst in der Tschechoslowakei, also nach dem Jahre 1918 gekommen. Diese breite Rezeption ist dann vor allem mit dem 20. Jahrhundert verbunden, obwohl Mácha schon im 19. Jahrhundert ein sehr wichtiger Dichter war.“

Interessanterweise waren seine Werke ja zunächst im deutschsprachigen Raum und in Mähren und der Slowakei beliebter als im heimatlichen Böhmen. Seine Erzählung Márinka ist zum Beispiel schon 1839 in der Wiener Zeitschrift Adler auf Deutsch erschienen. Wie ist das zu erklären?

„Die deutsche Rezeption war für Mácha sehr wichtig. Das kann man so erklären, dass die deutsche Literatur damals auch aus gesellschaftlichen Gründen sehr eng mit der tschechischen verbunden war. Es gab eine sehr intensive Kommunikation und auch tschechische Autoren haben sehr viel auf Deutsch gelesen. Was die erste Rezeption betrifft, geht es oft um Autoren aus Böhmen beziehungsweise um Autoren, die auch auf Tschechisch geschrieben haben. Diese Autoren haben dann über Mácha wiederum auf Deutsch geschrieben. Bis heute haben wir acht verschiedene Übersetzungen von ‚Máj’, dem Hauptgedicht von Mácha. Einige von ihnen sind ganz hervorragend und sie sind viel besser als Mácha-Übersetzungen in anderen Sprachen.“



Mácha-Statue auf dem Prager Petřín
Wir haben es schon kurz angesprochen: Mácha ist sehr jung gestorben, er wurde gerade einmal 26 Jahre alt und man weiß eigentlich nicht genau, wie er ausgesehen hat. Dennoch gibt es eine Reihe von Mácha-Statuen und Mácha-Büsten, die bekannteste davon steht auf dem Prager Petřín / Laurenziberg und stammt von Josef Václav Myslbek. Woher kommt dieses Bild Máchas? Wurde und wird da eine Art Mythos gepflegt?

„Das ist auch eine interessante Frage. Das Nationalmuseum macht jetzt gerade eine Umfrage, wie Mácha in den Augen der Tschechen ausgesehen hat. Es gibt einige Bilder aus dem 19. Jahrhundert, die recht genau sind. Einige Autoren haben Mácha gesehen oder zumindest gehört, wie er ausgesehen hat. Und dann gibt es diese Mythisierung aus dem späten 19. und dem 20.Jahrhundert. Gerade die bekannte Statue von Myslbek aus dem Jahre 1912 ist von diesem Mythos ziemlich abhängig. Mácha ist da als sentimentaler Dichter der Liebe dargestellt. Schon zu jener Zeit, als die Statue geschaffen wurde, haben sie deshalb einige Literaten heftig kritisiert.“