"Jahrhundert-Entdeckung": Lateinische Übersetzung der Dalimil-Chronik aufgetaucht

In Paris wird in der kommenden Woche ein Unikat versteigert: die reich illustrierte lateinische Übersetzung von Fragmenten der Dalimil-Chronik, der ältesten tschechischen Vers-Chronik. Jahrelang lag sie unbeachtet in der Schublade französischer Privatleute. Ihre Entdeckung versetzt die tschechische Historikerzunft in fassungsloses Staunen.

In Paris wird in der kommenden Woche ein Unikat versteigert: die reich illustrierte lateinische Übersetzung von Fragmenten der Dalimil-Chronik, der ältesten tschechischen Vers-Chronik. Jahrelang lag sie unbeachtet in der Schublade französischer Privatleute. Ihre Entdeckung versetzt die tschechische Historikerzunft in fassungsloses Staunen. Vlastimil Jezek, Direktor der tschechischen Nationalbibliothek:

"Das ist auf diesem Gebiet wirklich die bedeutendste Entdeckung seit den Zeiten von Frantisek Palacky. Allein schon deshalb, weil niemand bislang auch nur die geringste Ahnung davon hatte, dass diese ursprünglich tschechische Chronik vom Beginn des 14. Jh. in die damals internationale Sprache Latein übersetzt worden ist. Das beeinflusst den Blick auf das tschechische Mittelalter in entscheidendem Maße."

Die Entstehung der lateinischen Übersetzung wird von Historikern auf das Jahr 1340 datiert. Und würde damit zeitlich mit dem Aufenthalt von Karl IV in Italien zusammenfallen - damals freilich noch nicht als Kaiser, sondern als Anwärter auf den böhmischen Thron. Möglicherweise hat Karl die Übersetzung der tschechischen Dalimil-Chronik eigens bestellt, spekuliert der Historiker Dusan Trestik:

Dalimil-Chronik  (Foto: CTK)
"Das heißt, wenn er das bestellt hat, dann hat er eine klare Absicht gehabt: sich mit der Geschichte des Landes, das er regieren sollte, bekannt zu machen."

Das wiederum würde die ohnehin schon kaum zu überbietenden Sympathien der Tschechen für Karl IV bei den Tschechen um ein weiteres steigern, so Trestik:

"Das hat auch seinen emotionalen Wert. Denn Karl ist eindeutig der größte Tscheche - vor Masaryk und vor Vaclav Havel."

Versteigert werden soll das lateinische Fragment der Dalimil-Chronik am 17. März. Die tschechische Regierung hat bereits signalisiert, dass sie bereit ist, bis zu 10 Millionen Kronen (rund 340 Tausend Euro) zu zahlen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es weitaus höhere Gebote geben wird. Der Historiker Dusan Trestik ist trotzdem zuversichtlich, dass die Chronik letzten Endes in den Beständen der tschechischen Nationalbibliothek landen wird:

"Für einen normalen Sammler, sagen wir aus Amerika, hat das keinen besonderen Wert. Besonderen Wert hat das wirklich für Böhmen in wissenschaftlicher Hinsicht. Die Reaktionen, die ich so höre unter den Leuten, die sind ganz eindeutig: Man soll das kaufen, man soll nicht sparen. Ich glaube, dass man das kaufen wird."