Havel: Europa trägt Verantwortung für Entstehung totalitärer Ideologien

Václav Havel

In diesem Jahr vergehen 19 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. In den ersten zwei Jahrzehnten des sich entwickelnden demokratischen Systems stand die Auseinandersetzung der kommunistischen Vergangenheit eher am Rande des gesellschaftlichen Interesses. Dank dem Beitritt der ehemaligen kommunistischen Länder zur EU ist eine Diskussion über das Erbe des Kommunismus auf einer gemeinsamen Ebene möglich. Ein internationales Institut des Gewissens Europas zu initiieren, ist eines der Ziele der zweitägigen Konferenz, die am Montag im Sitz der Oberen Kammer des tschechischen Parlaments eröffnet wurde.

Konferenz 'Das Gewissen Europas und der Kommunismus'
Zur internationalen Konferenz „Das Gewissen Europas und der Kommunismus“ sind etwa 150 Teilnehmer aus ganz Europa sowie aus Amerika gekommen. Viele von ihnen sind ehemalige politische Gefangene und Dissidenten, Vertreter von Exilorganisationen sowie Historiker und Politologen. Die Tagung wurde von der tschechischen Europaabgeordneten Jana Hybášková und dem unabhängigen Senator Martin Mejstřík initiiert. Hybášková zufolge haben der Kommunismus und der Nationalsozialismus ähnliche Ursachen und Folgen:

„Aus dem Grund ist es notwendig, diese Ideologien gleichzustellen. Um eine historische Reflexion werden wir uns auf dieser Konferenz bemühen. Wir möchten erreichen, dass der Kommunismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet wird. Wir möchten unter anderem auch vorschlagen, dass der 23. August – als eine schreckliche Erinnerung an die Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes – zum Europäischen Tag der Opfer des Totalitarismus erklärt wird.“

Nach einer Schweigeminute für die Opfer der totalitären Regime wurde die Konferenz von Ex-Präsident Václav Havel eröffnet. Er bezeichnete die Entstehung von Institutionen, die sich mit dem Totalitarismus beschäftigen, als wichtig, denn:

Václav Havel
„Europa trägt eine besondere Verantwortung dafür, was passiert ist. Denn der Marxismus wurde genauso wie die nationalsozialistische Ideologie in Europa ausgedacht. Vereinfacht kann man sagen, dass der Kommunismus mit dem bekannten Zug ausgeführt wurde, in dem Lenin reiste, um die Revolution in Russland zu machen. Es scheint mir, dass sich Europa dessen bewusst werden und dies sachlich studieren sollte.“

Der Ex-Präsident erinnerte des Weiteren daran, dass jetzt Generationen von Menschen erwachsen werden, die den Kommunismus nicht mehr erlebten. Die jungen Menschen in Tschechien würden, so Havel, ihren Altergenossen in Europa immer ähnlicher, inklusive deren Irrtümer und Illusionen. Den Widerstand gegen das Establishment bezeichnete er als ein gesundes Ethos, das es überall gebe:

Ausstellung über die Opfer des Kommunismus im Senatshof
„Aber dies bedeutet nicht eine automatische Pflicht, das, was war, zu vergessen, dies zu verspotten, es nicht ernst zu nehmen oder die früheren Fehler zu wiederholen.“

Der Ex-Präsident bezeichnete sich selbst als einen Menschen der sechziger Jahre. Er räumte ein, dass er damals doch ein wenig verlegen war, was bestimmte Programmpunkte seiner Altersgenossen in Westeuropa betrifft. Dazu habe, so Havel der Pazifismus gehört, der der Schritt zur Appeasement-Politik sei. Und diese sei bereit gefährlich, sagte Havel und verwies auf die historischen Erfahrungen der Europäer.

Die Konferenz ist durch ein Begleitprogramm ergänzt: Dazu gehören eine Ausstellung über die Opfer des Kommunismus im Senatshof sowie ein Konzert zum Gedenken der Opfer der totalitären Regime und einige Filmvorstellungen.

Fotos: Autorin