Größte Massendemonstration gegen Regierungspolitik seit 1989

Foto: Barbora Kmentová

Immer mehr tschechische Bürger lehnen die Sparpolitik der derzeitigen Mitte-Rechts-Regierung von Premier Nečas ab. Am Samstag gingen sie deswegen auf die Straße. Auf dem Prager Wenzelsplatz kam es so zur größten Demonstration gegen die Regierungspolitik seit dem Wendejahr 1989. Je nach Angaben sollen zwischen 90.000 und 120.000 Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt sein und sich dem Protestzug angeschlossen haben.

Jaroslav Zavadil  (Foto: ČTK)
„Nein zur Regierung, nein zu Kalousek und nein zu Nečas“– die Menschen am Samstag auf dem Wenzelsplatz waren aufgebracht über den Regierungskurs. Aufgerufen zu dem Protest hatten rund 20 Gewerkschaftsverbände, Bürgerinitiativen und weitere Organisationen. Sie alle halten sowohl die Politik der Regierung mit Steuererhöhungen und harten Einsparungen für falsch, als auch ihre Art zu kommunizieren. Einer der Hauptredner war Jaroslav Zavadil, Chef des größten Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS:

„Die Reformen können wir nicht unterstützen, sie müssen rückgängig gemacht werden. Damit sagen wir nicht, dass wir keine anderen Reformen wollen. Wir haben Hunderte von Vorschlägen gemacht. Da sich die Regierung aber nichts sagen lässt, muss sie abtreten.“

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK und Archiv der ČSSD)
An der Demonstration nahmen auch viele Oppositionspolitiker teil, so unterstützte Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka den Protest:

„Wir halten die Forderungen der Gewerkschaften und Bürgerinitiativen für berechtigt. Die Regierungspolitik der letzten Monate und Jahre zerstört das Wirtschaftswachstum, sie zerstört Arbeitsplätze. Die Reformen führen uns in eine Spirale aus Teuerungen, Einbrüchen in der Wirtschaft und Verarmung.“

Premier Petr Nečas hatte im Vorfeld erstaunlicherweise mit dem Gedanken gespielt, sich den Demonstrationszug anzuschauen. Doch er wie auch die anderen Regierungspolitiker blieben ihm letztlich lieber fern. Für seine Bürger hatte Nečas keine wirkliche Botschaft:

Foto: Barbora Kmentová
„Wir sind freie Menschen in einem freien Land, wir haben das Recht, frei unsere Meinung zu äußern. Dazu gehört auch, dass man nicht dem zustimmen muss, was die Regierung tut.“

Finanzminister Miroslav Kalousek, gegen den sich der Zorn der Protestierenden genauso stark richtete wie gegen Nečas, verteidigte die Regierungspolitik als notwendiges Übel gegen die Staatsverschuldung:

„Ich würde auch lieber ankündigen, dass die Steuern gesenkt und die Sozialausgaben erhöht werden. Aber es ist unverantwortlich, die Tatsachen zu leugnen und nicht rechtzeitig mit Maßnahmen zu beginnen. Dann wird die Heilung nur noch schmerzhafter.“

Foto: Barbora Kmentová
Die Proteste erwischen das Regierungskabinett allerdings in einer schweren Krise. Die Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV) als einer der drei Koalitionspartner ist auseinandergefallen. Die vorgezogenen Neuwahlen, die die Demonstranten am Samstag so lautstark forderten, drohen daher ohnehin. Der Vorsitzende des Dachverbandes selbständiger Gewerkschaften (ASO), Bohumír Dufek, rief sogar zum äußersten Mittel des politischen Ungehorsams auf:

Foto: Barbora Kmentová
„Wir wollen Neuwahlen. Wenn nicht, dann rufen wir einen Generalstreik aus und legen dieses Land lahm!“

Dieser radikalen Forderung haben sich bisher aber keine weiteren Gewerkschaftsorganisationen angeschlossen.