Gefängnis als Alternative – neues Buch zu Kriegsdienstverweigerern im Kommunismus

Wer im kommunistischen Regime nicht zur Armee wollte, der hatte nur eine Alternative: Gefängnis. Dennoch gab es Kriegsdienstverweigerer, und das aus verschiedenen Gründen. Diese Woche wurde in Prag zu diesem Thema ein wissenschaftlicher Sammelband vorgestellt, das erstmals Gründe und Schicksal der Kriegsdienstverweigerer schildert. Das Buch beruht auf einer Konferenz des Prager Instituts für Zeitgeschichte.

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Seit 2005 ist Kriegsdienst in Tschechien eigentlich kein Thema mehr. Da wurden die letzten Rekruten eingezogen, derzeit werden schließlich die Streitkräfte des Landes zu einer Berufsarmee umgebaut. Kriegsdienstverweigerung ist jedoch weiterhin aktuell in Tschechien, es geht um die Rehabilitation der Fälle aus den Zeiten des Kommunismus. Einer der Autoren des nun erschienen Sammelbandes, Lubomír Müller, betreut die meisten von ihnen als Anwalt.

„Im vergangenen Jahr hat der oberste tschechische Gerichtshof in 26 Fällen entschieden, dass eine Rehabilitation des Kriegsdienstverweigerers entweder nicht umfassend genug oder überhaupt nicht erfolgt ist, und er hat nun dort nachgebessert.“

Wer waren jedoch die jungen Männer, die die Schwerter nicht aufheben wollten?

„Die meisten von ihnen gehörten kleineren Religionsgemeinschaften an. Vor allem waren es Zeugen Jehovas, wie ihr heutiger Name lautet. Sie selbst sahen die Verweigerung des Kriegsdiensts als nichtpolitischen Akt an“, sagt der Historiker und Herausgeber des Buches, Petr Blažek.

Aber auch Angehörige weiterer Religionsgemeinschaften wie der Adventisten oder der Evangelischen Brüderkirche lehnten den zweijährigen Militärdienst in der kommunistischen Tschechoslowakei ab. Insgesamt sollen es einige Hundert gewesen sein. Die Folge für sie waren meist zwei Jahre Gefängnis. Wer zum zweiten oder dritten Mal dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistete, wanderte häufig auch weitere Male hinter Gitter. Petr Blažek:

„Aus den 80er Jahren ist ein Fall bekannt, bei dem jemand sogar zehn Jahre im Gefängnis zubrachte.“

Eine besondere Gruppe waren Angehörige deutscher Nationalität, die in den 50er Jahren in Zusammenhang mit der anfänglichen Ablehnung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft auch den Kriegsdienst verweigerten. Ihr Wille wie auch der weiterer nicht-religiös motivierter Verweigerer, die ab den 60ern mehrere Zehntausend zählten, wurde aber von der Staatsmacht oft irgendwann gebrochen. So zum Beispiel bei Jan Hrabina, einem der Signatare der Charta 77. Er hätte einen reduzierten fünfmonatigen Grundwehrdienst, kombiniert mit 19 Monaten Arbeitsdienst, leisten sollen. Zum Grundwehrdienst trat er jedoch nicht an und musste 1979 für zwei Jahre ins Gefängnis.

„Es ist wahr, dass ich nicht den Mut hatte, mich zum zweiten Mal wegschließen zu lassen. Das wären wohl vier bis fünf Jahre Gefängnis gewesen. Als ich also einen erneuten Einberufungsbefehl zu dem fünfmonatigen Dienst bekam, bin ich hingegangen.“

Jan Hrabina dachte nach 1989 überhaupt nicht an eine Rehabilitation. Erst als seine Frau eine dementsprechende Forderung einreichte, wurde seiner Familie eine Entschädigung von rund 100.000 Kronen zugesprochen.

Autor: Till Janzer
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