Für eine rote Karte ins Gefängnis? Tschechien diskutiert über Verunglimpfungs-Paragraphen

Foto: ČT24

Sollte sich der Vorschlag durchsetzen, könnten Proteste in Tschechien in Zukunft deutlich an Würze verlieren. Insgesamt 60 Abgeordnete von Sozialdemokraten, Kommunisten, Partei Ano und Úsvit wollen einen Paragraphen wieder im Strafgesetzbuch sehen: den gegen die Verunglimpfung des Präsidenten. Erwartungsgemäß regt sich dagegen aber Widerstand.

Albertov 2016  (Foto: ČT24)
Die Prager Straße Albertov vor fast genau zwei Jahren: Präsident Milos Zeman tritt zu seinen mitteleuropäischen Amtskollegen auf die Bühne und will der Revolution vom 17. November 1989 gedenken. Die Reaktion der versammelten Bürger: Die Menge brüllt, Pfiffe ertönen und letztlich fliegen Eier. Keine zwei Kilometer weiter protestieren auch auf der Nationalstraße Studenten und halten Transparente mit Schmähparolen und roten Karten gegen Zeman hoch. Solche Proteste gegen die Politik des Präsidenten wiederholten sich auch in den Folgejahren, die jüngsten ereigneten sich am Nationalfeiertag am 28. Oktober.

Zdeněk Ondráček  (Foto: ČT24)
Genau dafür sollen die Demonstranten aber bald für ein Jahr ins Gefängnis wandern können, wenn es nach 60 Abgeordneten des tschechischen Parlaments ginge. Sie wollen nämlich die Verunglimpfung des Präsidenten wieder strafbar machen, unter Androhung von einem Jahr Haft oder einer Geldstrafe. Einer der Initiatoren des Vorschlags ist der Kommunist Zdeněk Ondráček. Amtspersonen seien bereits auf diese Art geschützt, so der Abgeordnete. Es sei also höchste Zeit, auch Verfassungsorgane wie den Präsidenten derart abzusichern.

Foto: ČT24
Tatsächlich ist der Paragraph keine Innovation in Tschechien. Bereits zu Zeiten der Ersten Tschechoslowakischen Republik und während des Kommunismus war die Verunglimpfung des Staatsoberhaupts strafbar, gestrichen wurde der Absatz im Strafgesetzbuch im Jahr 1997. Die 60 Abgeordneten von Kommunisten, Sozialdemokraten, Partei Ano und der rechtspopulistischen Partei Morgenröte-Nationale Koalition haben aber auch das Ausland im Blick: Erst kürzlich wurde in den Niederlanden ein Mann verurteilt, der auf Facebook die Königsfamilie beleidigt hatte.

Miroslav Kalousek  (Foto: ČT24)
Entsetzt über den Vorschlag zeigt sich die konservative Opposition. Ein solcher Straftatbestand sei ein grober Eingriff in die Meinungsfreiheit und außerdem werden solche Vergehen vom Strafrecht bereits gedeckt, heißt es. Miroslav Kalousek ist der Vorsitzende der konservativen Top 09:

„Das wäre eine Rückkehr in die Zeiten der Parteibonzen während der kommunistischen Normalisierung in den 1970er und 1980er Jahren“

Doch auch Teile der der Sozialdemokraten sind nicht erbaut vom Vorstoß einiger Kollegen. So zwitscherte der Fraktionsvorsitzende Roman Sklenák bei Twitter: „Ich würde gerne weiterhin in einem Land leben, in dem die Menschen offen ihre Meinung über den Präsidenten sagen können. Und zwar genau so, wie er über sie.“ Auf die gleiche Weise fragte auch der scheidende sozialdemokratische Menschenrechtsminister Jiri Dienstbier: „Sind die denn alle verrückt geworden?“

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
In der Regierung, die sich nun mit dem Vorschlag der Abgeordneten befassen soll, ist man ebenso wenig begeistert. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) warnte zum Beispiel davor, das Strafrecht nun für politische Zwecke zu missbrauchen. Wo solle das nur enden, so der Premier gegenüber dem Tschechischen Fernsehen. Verteidigungsminister Martin Stropnický hält den Vorschlag auch für überflüssig, ruft aber beide Seiten zur Räson:

„Ich halte es für übertrieben, dass jemand in den Kerker wandert, nur weil er mal ein böses Wort schreit. Was wir aber brauchen, ist, dass alle Seiten langsam wieder zu einem zivilisierten Gesprächsniveau zurückkehren.“