Faust im schwarzen Theater

Aus der Vorstellung Faust

Das schwarze Theater hat eine lange Tradition in Prag und der Tschechischen Republik - ebenso wie der Faust-Mythos in Deutschland. In Prag haben beide zueinander gefunden: Faust und das schwarze Theater. Der Ort der Zusammenkunft: Das All Colours Theatre in Prag. Melanie Thun hat eine Aufführung besucht.

"Ich glaube, dass viele Touristen den Titel und die Geschichte kennen. Ich glaube, es ist eine aktuelle Geschichte. Jedes Leben beinhaltet Gott und Teufel. Das ist ihre Geschichte, das ist meine Geschichte, das ist die Geschichte von jedem."

Für Michal Kocourek, den Manager des Theaters, ist der Grund einfach, warum man sich Faust anschauen sollte und viele halten sich brav an seine Aufforderung. Genauer gesagt: 40.000 Menschen aus der ganzen Welt finden in Prag den Weg in sein Theater. Faust und das schwarze Theater: eine perfekte Symbiose - noch aus einem anderen Grund: Faust, dem die Wissenschaft keine Antwort geben kann auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, wendet sich anfangs der Magie zu und schließlich Mephisto, dem Teufel. Gerade diese magischen Momente des Dramas lassen sich in der Welt der Illusion, dem schwarzen Theater darstellen.

So lassen unsichtbare, da schwarz gekleidete Akteure Skelette schweben, Eisblumen tanzen und bringen einen Globus zum Hüpfen. UV-Licht macht es möglich: Hier kann Mephisto wirklich zaubern und muss sich nicht mit ein paar halbherzigen Tricks begnügen, die eine normale Theaterbühne ihm ermöglichen. Selbst das Fliegen ist hier ein Kinderspiel für den Geist, der stets verneint. So steht es auch in seiner Macht, das Haus von Gretchen, Fausts Geliebter, erscheinen zu lassen. Auf sein Zeichen hin taucht ein roter Dachziegel nach dem anderen aus dem schwarzen Nichts auf, ebenso der Fensterrahmen und Gretchen selbst - um mit Faust ein tschechisch-englisches Liebesduett anzustimmen.

Rauch quillt aus dem Schornstein - in Form von Stoffkissen, bemalt mit phosphoreszierenden Farben. Bei aller Illusion darf man allerdings eins nicht erwarten: eine getreue Umsetzung des Werks von Johann Wolfgang von Goethe. Nur Leihgaben dieses Werkes sind auf der Bühne zu sehen. Gretchen verschwindet nach ihrem Duett mit Faust und darf ihn erst in der Hölle wiedersehen und dann natürlich auch retten. Ihre Schwangerschaft und anschließende Kindstötung verschweigt man im All Colours Theatre. Dafür aber darf ihr Liebhaber, darf Faust zusammen mit Mephisto auf Reisen gehen. Amerika steht ebenso auf der Reiseroute wie Afrika, wo ein Strauß durchs Bild stolziert. Unter dem Meeresspiegel stehen die beiden Fischen im Weg und können in Asien ein hustendes Kamel bewundern.

Doch die Endstation ist und bleibt die Hölle: In Blitzlichtgewitter getaucht, mutiert die Bühne zur Hölle. Doch im schwarzen Theater steht einem Happyend nichts im Wege: Faust am Ende singend und tanzend in einer Kneipe - und dann hat auch diese Illusion ein Ende!

Autor: Melanie Thun
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