Experten: Tschechien vor Krise gewappnet, aber fehlende Solidarität nicht angebracht

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Steht die Weltwirtschaft vor einer weiteren Krise, ähnlich der aus den Jahren 2008 und 2009? Die wachsende Unruhe auf den Finanzmärkten, der Absturz von Aktienpreisen an den großen Börsen und der relativ geringe Erfolg der Europäischen Zentralbank, die Lage durch den massiven Ankauf von italienischen und spanischen Schuldscheinen zu beruhigen, sprechen dafür. Doch welche Auswirkungen hätte eine neue Krise für die Tschechische Republik? Erste Antworten darauf versuchten jetzt führende Ökonomen des Landes zu geben.

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Pavel Mertlík, der Chefökonom der Raiffeisenbank in Tschechien und ehemalige Finanzminister des Landes, und der Professor an der Prager Karlsuniversität, Michal Mejstřík, sind zwei Wirtschaftsexperten, deren Aussagen in Tschechien einiges Gewicht haben. Zur jetzigen Situation auf den Finanzmärkten aber reagiert Mertlík noch vorsichtig:

„Gegenwärtig wissen wir noch nicht, was als Nächstes passiert. Der starke Absturz der Aktienpreise muss nicht zwangsläufig der Beginn einer neuen Rezession sein. Aber natürlich besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür. Wenn es zu einer Rezession kommt, dann wird sie meiner Meinung nach einen ähnlichen Verlauf nehmen wie die Krise in den Jahren 2008 und 2009.“

Michal Mejstřík
Michal Mejstřík, sieht das Ganze schon etwas kritischer:

„Ursprünglich war es eine Krise im privaten Wirtschaftssektor, bei der viele Staaten sich bemüht haben, sie nach und nach zu lösen. Das geschah allerdings in unzureichender Art und Weise. Einige Experten sagen deshalb, dass wir momentan in einer Situation sind, in der die Politiker gerade versuchen würden, das Feuer an den Finanzmärkten mit Wasserpistolen zu löschen. Doch damit lässt sich der Kampf nur schwer gewinnen.“

Mejstřík macht daher deutlich, dass alle verschuldeten Volkswirtschaften jetzt die Schuldenfrage konsequent lösen müssten, notfalls auch auf Kosten einer Inflation. In dieser Hinsicht sei die Tschechische Republik zurzeit besser aufgestellt als die südlichen EU-Länder, sagt Mejstřík:

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„Gegenwärtig hat Tschechien eine gute Ausgangslage, denn hierzulande gibt es eine Strategie zur Wettbewerbsfähigkeit. Das ist das A und O. Die europäischen Staaten, über die wir jetzt wegen ihrer finanziellen Probleme sprechen, sind gerade durch ihre Nichtwettbewerbsfähigkeit stark belastet.“

Und was wird Tschechien aus dieser Ausgangsposition machen? Noch einmal Michal Mejstřík:

Pavel Mertlík  (Foto: ČTK)
„Das liegt an uns, denn die direkten Auswirkungen einer Krise treten immer erst mit gewisser Verzögerung auf. Die Tschechische Republik hat zum Glück ihr Finanzsystem dadurch auf Vordermann gehalten, dass die Spareinlagen weiter höher sind als die Schulden.“

Wirtschaftsexperte Pavel Mertlík warnt indes davor, dass sich Tschechien mit seiner zögerlichen Solidarität gegenüber den Ländern der Euro-Zone auch eines Tages zum Buhmann in Europa machen könnte. Das Beispiel Polen aber zeige, so Mertlík, wie man auch anders auftreten könnte:

„Polen verhält sich pro-europäisch. Dort ist man sich klar darüber, dass das Land, genauso wie die Tschechische Republik, eines Tages in die Lage kommen könnte, in der es auch ein gewisses Maß an Solidarität aus dem Ausland gebrauchen kann. Uns aber könnte es passieren, dass wir unser jetziges Verhalten dann in solch einer ungünstigen Situation vorgehalten bekommen.“

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Michal Mejstřík wiederum ist überzeugt, dass Tschechien nicht zu den Ländern gehört, die als Nächstes in Schwierigkeiten kommen würden. Er sieht vielmehr einen der sonstigen Global Player für gefährdet:

„Ich befürchte, dass das nächste Land in dieser Reihe nicht die Tschechische Republik sein wird, sondern möglicherweise Frankreich.“