Europäischer Gerichtshof rügt tschechischen Staat im Restitutionsfall Kinský

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Der böhmische Adlige František Oldřich Kinský hat sich in über 150 Gerichtsverfahren viele Jahre lang mit dem tschechischen Staat um das ehemalige Eigentum seiner Familie gestritten. Das Eigentum war den Kinskýs nach dem Krieg aufgrund der so genannten Beneš-Dekrete abgenommen worden. Es handelte sich um Länderein und Gebäude im Wert von rund zwei Milliarden Euro, inklusive einiger Perlen wie dem Kinský-Palais auf dem Altstädter Ring in Prag. Großen Erfolg hatte der Adlige, der vor drei Jahren verstarb, bisher jedoch nicht gehabt: Nur eine Kapelle hier und einen Park dort konnte er zurückgewinnen. Nun hat der Europäische Menschengerichtshof in Straßburg geurteilt und den tschechischen Staat zu einer Strafe verdonnert.

František Oldřich Kinský,  foto: ČTK
Umgerechnet rund 13.000 Euro Entschädigung muss Tschechien an die Nachfahren von František Oldřich Kinský zahlen. Das Land habe dem Adligen in seinen Restitutionsverfahren keine fairen Prozesse ermöglicht, begründete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Kinský selbst kann sich dazu nicht mehr äußern, er ist 2009 im Alter von 72 Jahren gestorben. Sein Anwalt Jaroslav Čapek sagte gegenüber Radio Prag, das Urteil sei für ihn eine Genugtuung – und eine Ohrfeige für die tschechische Justiz:

„Das heißt, der gesamte Prozess der Rechtsfindung von den Gerichten erster Instanz, über die Berufungsgerichte, bis hoch zum Verfassungsgericht ist im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Tschechischen Republik verlaufen. Anders gesagt: Herr Kinský ist in seinem Recht durch das Vorgehen der tschechischen Gerichte ernstlich beschnitten worden.“

Kinský-Palais
Es geht dabei um mehrere Verfehlungen. So wurden unter anderem die Telefone von Kinský und seinem Anwalt abgehört. Vor allem aber hatten sich mehre Politiker zu den Verfahren geäußert, was der Europäische Menschengerichtshof als mögliche Versuche einer Einflussnahme bewertete. Unter anderem hatten die Politiker öffentlich gesagt, Familien, deren Mitglieder „offensichtlich Nazis“ gewesen seien, sollten kein ehemaliges Eigentum zurückbekommen. Im Fall Kinský war das sogar falsch. Das Eigentum hatte zum Zeitpunkt der Verstaatlichung nicht mehr seinen Eltern gehört, sondern dem damals noch nicht volljährigen František Oldřich Kinský selbst. Und der hatte sicher nicht mit den Nazis kollaboriert und besaß zudem die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Besonders dreist versuchte es der damalige Kulturminister Pavel Dostál, der den Richtern öffentlich mitteilte, sie trügen die volle Verantwort für eine eventuelle Rückgabe von Eigentum.

Jaroslav Čapek und František Oldřich Kinský  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Doch über die Ansprüche von František Oldřich Kinský auf Rückerstattung seines Eigentums hat der Menschengerichtshof nicht entschieden. Auch sein Anwalt Jaroslav Čapek wollte sich nicht äußern, welche Bedeutung das Urteil aus Straßburg auf bereits abgeschlossene oder noch laufende Verfahren haben könnte. Gegenüber Radio Prag sagte er:

„In einigen Fällen sind wir noch vor Gericht, andere Fälle liegen in Straßburg zur Beurteilung, da aber interessiert mich wirklich, wie weiter verfahren wird.“

Das Urteil aus Straßburg ist noch nicht rechtskräftig, ob der tschechische Staat in Berufung gehen wird, ist noch nicht entschieden. Welche Konsequenzen zieht aber der tschechische Justizminister Jiří Pospíšil aus dem Urteil? Gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:



Jiří Pospíšil  (Foto: ČTK)
„Ich persönlich denke, dass das Urteil vor allem eine Belehrung für die politischen Mandatsträger ist. Wenn sie sich zu Gerichtsverfahren äußern, sollten sie beachten, ob ein Verfahren noch läuft oder abgeschlossen ist.“

Kritik am Vorgehen der tschechischen Justiz wollte Pospíšil im Straßburger Urteil indes nicht erkennen.