EU-Parlament wählt neues Präsidium – Tscheche Telička wird Vizepräsident

Pavel Telička (Foto: ČTK)

Ein neuer Präsident und 14 Stellvertreter – das Europa-Parlament hat sich in dieser Woche eine neue Führung gegeben. Auch ein Tscheche konnte sich den Posten eines Vizepräsidenten sichern: Pavel Telička, für die europäischen Liberalen.

Antonio Tajani  (Foto: ČTK)
Nach insgesamt vier Wahlgängen stand am Dienstag der neue Präsident des Europäischen Parlamentes fest: Der Italiener und Christdemokrat Antonio Tajani wird Nachfolger des Sozialdemokraten Martin Schulz aus Deutschland:

„Ich will mich bei all denjenigen bedanken, die für mich gestimmt haben. Genauso aber bei jenen, die in diesem letzten Wahlgang meinen Freund Gianni Pittella gewählt haben. Und ich grüße auch alle, die ihre Stimme den Kandidaten der anderen Fraktionen gegeben haben. Wie ich schon gesagt habe: Ich werde ein Präsident aller sein, aller Abgeordneten und aller Fraktionen.“

EU-Parlament  (Foto: ČTK)
Er glaube an Europa, doch die Institutionen müssten sich ändern, so hatte Tajani bereits im Vorfeld der langwierigen und anstrengenden Wahl seine Standpunkte offengelegt:

„Die Abgeordneten haben eine besondere Rolle: Europa den Bürgern näherzubringen. Wir brauchen ein demokratischeres Europa und dürfen uns nicht im Brüsseler Elfenbeinturm einschließen. Wir müssen auf die Bürger zugehen und ihnen die Tore des Parlaments weit öffnen.“

Jan Zahradil  (Foto: Jan Bartoněk,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Unumstritten ist der 63-jährige Römer nicht: Als Mitglied der konservativen Partei „Forza Italia“ steht er dem ehemaligen Skandal-Premier Silvio Berlusconi sehr nahe, und als Leiter des Industrie-Ausschusses des EU-Parlaments war Tajani in der Dieselgate-Affäre äußerst nachsichtig den Autobauern gegenüber.

Auch der tschechische Europaabgeordnete Jan Zahradil sieht die Wahl Tajanis skeptisch. Für den Bürgerdemokraten bedeutet sie nämlich Stagnation:

„Die Aufgabe des neuen Parlamentspräsidenten ist, die EU den Bürgern nahezubringen. Das wurde hier in Straßburg auch oft gesagt, geblieben ist aber alles beim Alten.“

Pavel Telička  (Foto: ČTK)
Für die Tschechen wurde der Machtwechsel im Europäischen Parlament aber gleich am Mittwochmittag noch einmal interessant. Zu einem der 14 Stellvertreter Antonio Tajanis wurde Pavel Telička gewählt. Mit insgesamt 313 Stimmen. Er vertritt als Parteiloser die Partei Ano in der liberalen Alde-Fraktion:

„Ich weiß nicht, was mich erwartet, ich hatte diese Funktion ja nie inne. Wahrscheinlich gibt es auch die eine oder andere Überraschung. Auf jeden Fall werde ich, auch zum Vorteil der Tschechischen Republik, Einfluss haben auf die Leitung des Europäischen Parlaments.“

Libor Rouček  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Telička ist nach Miroslav Ouzký (Bürgerdemokraten), Libor Rouček (Sozialdemokraten) und Oldřich Vlasák (Bürgerdemokraten) der vierte Tscheche im Amt eines Vizepräsidenten. Dabei ist der 51-jährige gebürtige Washingtoner bereits ein EU-Veteran. Erst leitete er die Verhandlungen über Tschechiens Beitritt, und wurde später ständiger Vertreter seines Landes in Brüssel. Danach war Telička Verbraucherschutz-Kommissar unter Romano Prodi und schließlich ab 2014 Abgeordneter im EU-Parlament. Deshalb steht er auch voll und ganz hinter dem Projekt EU:

„Schon lange sagen viele, dass die EU in einer Krise sei. Man macht es sich damit zu einfach. Ich sehe die Union nicht in einer Krise, da sie zu 80 Prozent gut funktioniert. Sie hat aber Schwächen. Ich bin seit zweieinhalb Jahren hier im Parlament und stand immer für eine Modernisierung.“

Foto: MPD01605,  CC BY-SA 2.0
Telička versucht, nach eigener Aussage, auch in Tschechien immer wieder für die EU zu werben. Allgemein sind die derzeitigen tschechischen Europa-Parlamentarier außergewöhnlich aktiv. Und das fraktionsübergreifend. Der neue Parlaments-Vizepräsident sieht daher eine andere Seite in der Pflicht, Europa beliebter zu machen:

„Auch die Spitzenpolitiker in Tschechien müssen ihren Beitrag leisten. Mir scheint, dass wir zu einem dieser EU-Staaten geworden sind, die der EU alles Mögliche in die Schuhe schieben. Einschließlich dessen, was überhaupt nicht mit der Union zusammenhängt oder in ihrem Kompetenzbereich liegt. Das heißt, nicht nur bei uns in den europäischen Institutionen liegt die Verantwortung, sondern vor allem bei der heimischen Polit-Szene.“