„Es wäre schade, ihn wegzuwerfen“ - Sockel von Goethe-Büste in Karlsbad aufgetaucht

Goethe-Büste in Karlsbad (Foto: Kristýna Maková)

Karel Meloun hat schon viele Steine zu Gesicht bekommen. Der Bildhauer aus Klášterec nad Ohří / Klösterle an der Eger staunte jedoch nicht schlecht, als ihm ein Freund im Dezember einen großen Marmorquader mit der Aufschrift „Goethe“ überließ. Es handelt sich um den Sockel einer Büste, die bis 1946 vor dem Grandhotel Pupp in Karlsbad / Karlovy Vary stand. Mit der Vertreibung der Deutschen musste auch Goethe seinen prominenten Platz räumen. Zwar wurde die Büste später wieder aufgestellt, allerdings auf einem viel niedrigeren Postament. Dank Karel Meloun soll der Dichterfürst nun wieder in frühere Höhen aufsteigen.

Die verkürzte Goethe-Büste nach ihrer Umsiedlung 1952  (Foto: Kristýna Maková)
Alle waren sie in Karlsbad. Beethoven, Chopin, Schiller und natürlich Goethe. 13 Mal soll er die Stadt besucht haben, und 1883 wurde ihm zu Ehren ein imposantes Denkmal errichtet. Doch wie es bei Goethe heißt: Selbst die festen Felsen beben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Büste entfernt. Während der Kopf ins Museum kam, wurde das eineinhalb Meter hohe Marmorpostament samt Relief offenbar einfach in ein Loch gekippt. Nun ist es wieder aufgetaucht. Karel Melouns Freund Marek Kokš ist letztes Jahr mit dem Bagger darauf gestoßen, mitten in Karlsbad.

Sockel der Goethe-Büste  (Foto: Archiv von Karel Meloun)
„Er hat dort eine Fläche für Stellplätze planiert und dabei einen großen Stein ausgegraben. Weil er im Weg war, musste er ihn fortschaffen. Der Stein hat ihn nicht interessiert, aber er dachte sich, es ist doch ein ganz hübsches Exemplar, und es wäre schade, ihn einfach wegzuwerfen. Da hat er mich angerufen und gesagt: Mensch Karel, ich habe hier einen schönen Felsen, willst du ihn nicht haben? Ich sagte, ja klar, stell ihn einfach irgendwo ab.“

Gesagt, getan. Marek Kokeš brachte den Felsen in ein Waldstück. Doch nur für kurze Zeit…

„Dann kamen Förster und sie meinten, wir sollten doch zusehen, dass wir diesen Stein wegbringen. So haben sie also Goethe aus dem Wald vertrieben.“



Karel Meloun  (Foto: Archiv von Karel Meloun)
Daraufhin gelangte der Sockel ins Atelier von Karel Meloun. Im Marmor entdeckte er die Aufschrift „Goethe“. Nun begann Karel Meloun zu recherchieren. Ein Kunsthistoriker hat die Geschichte der Büste im Internet genau dokumentiert.Karel Meloun:

„Das Denkmal stand direkt vor dem Hotel Pupp, und geschaffen hat es der deutsche Bildhauer Adolf von Donndorf. Mit Hilfe der Bilder habe ich dann erkannt, dass es genau dieser Sockel ist, der 1946 entfernt wurde, weil er diesen deutschen Anklang hatte. So wie alle deutschen Aufschriften damals entfernt wurden, haben irgendwelche Barbaren eben auch dieses Denkmal entfernen lassen. Die Büste wurde aber angeblich auf pietätvolle Weise ins Museum gebracht.“

„Wenn er auch ein großer Literat war, so war er doch ein schwacher Mensch. Sein menschliches Profil ist uns fremd und nicht besonders sympathisch“– so wurde Goethe in einem Protokoll des städtischen Bauamtes von 1946 abgekanzelt. Ein paar Jahre später sah man die Sache in Karlsbad nicht mehr so streng. Die Büste wurde aus dem Museum geholt, auf einen neuen, viel schlichteren Sockel gesetzt und ein paar hundert Meter weiter stadtauswärts an der sogenannten Puschkin-Promenade aufgestellt, die inzwischen Goethe-Weg heißt. Nun steht wieder ein Umzug bevor. Karel Meloun:

„Als ich der Sache auf die Spur gekommen bin, habe ich sofort in Karlsbad angerufen. Schließlich ist Goethe eine weltberühmte Persönlichkeit, und so kann man das nicht belassen. Am Ende ist dann alles gut ausgegangen.“

Hotel Pupp | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
Karel Meloun hat den Stein der Stadt Karlsbad geschenkt – unter einer Bedingung: Die Goethe-Statue soll vor das Hotel Pupp zurückkehren. An der Restaurierung beteiligen will sich auch der Rotary-Club. In dieser Woche hat eine Delegation der Stadt den Stein abholen lassen. Und Baggerfahrer Marek Kokš wird nochmals zu graben beginnen. Ein großes Stück vom Fundament fehlt nämlich noch. Mit etwas Glück ist Goethes Postament bald wieder vollständig.

Autor: Annette Kraus
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