Ende des "Sessel-Krieges" zwischen Prag und Wien

Ursula Plassnik
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Haben Sie schon einmal vom so genannten Sessel-Krieg gehört? Seit Jahrzehnten zieht er sich dahin, meist latent, manchmal jedoch als durchaus Aufsehen erregende Fußnote des diplomatischen Geschehens. Die beteiligten Staaten: Tschechien und Österreich. Nach einem tschechischen Regierungsbeschluss vom Donnerstag dürfte der Sessel-Krieg nun endlich in seine letzte Etappe gehen. Hintergründe von Gerald Schubert:

Es war im November vorigen Jahres, als die damals neue österreichische Außenministerin Ursula Plassnik zum ersten Mal in ihrer Funktion nach Prag kam. Die abendliche Pressekonferenz, die sie gemeinsam mit ihrem tschechischen Amtskollegen Cyril Svoboda gab, schien zur problemfreien Angelegenheit zu werden. Beide kannten sich bereits aus Brüssel, demonstrierten vor der versammelten Presse in aufgeräumter Atmosphäre die Anwendung des Du-Worts und wollten über zukunftsgerichtete und praxisrelevante Themen sprechen, wie etwa die Öffnung neuer Grenzübergänge oder die gemeinsame Beteiligung an einer EU-Kampftruppe im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Doch dann kam alles anders. Eine große tschechische Tageszeitung hatte herausgefunden, dass Außenminister Svoboda etwa 200 historische Stühle an Österreich zurückgeben wollte, die nach dem Zweiten Weltkrieg als "Feindeigentum" beschlagnahmt worden waren. Das Pikante daran: Svoboda war innerhalb der Regierung mit seinem Vorhaben gescheitert. Die Geschichte wurde just am Tag des Plassnik-Besuches lanciert, die Pressekonferenz geriet zu einer Fragestunde über den "Sessel-Krieg".

Außenminister Cyril Svoboda
Nun, zehn Monate später, kam die Wende in der Causa. Die tschechische Regierung gab grünes Licht für die Rückgabe der Stühle an Österreich. Diese waren 1944 aus Sorge vor der Bombardierung Wiens aus Schönbrunn und der Hofburg in ein mährisches Schloss ausgelagert worden. Der Besitzer des Anwesens wurde nach dem Krieg auf Grundlage der so genannten Benes-Dekrete enteignet, die Möbel fielen an den tschechoslowakischen Staat. Seitdem hatte Wien wiederholt die Rückgabe angestrebt, diese war aber von der kommunistischen Tschechoslowakei abgelehnt worden. Auch nach der Wende von 1989 durften die Stühle als denkmalgeschützte Kulturgüter zunächst nicht ausgeführt werden.

Nun wird Tschechien die Stühle nicht nur zurückerstatten, sondern zuvor noch für 6,5 Millionen Kronen, das sind etwa 220.000 Euro, renovieren. Außenminister Cyril Svoboda:

"Die Stühle haben oft nur ein oder zwei Beine oder fallen fast auseinander. Jedenfalls sind sie in keinem guten Zustand. Und daher müssen sie renoviert werden, damit wir sie im ursprünglichen Zustand zurückgeben können."

Bei dem Schritt, den die Regierung nun genehmigt hat, handle es sich um einen "Akt der Gerechtigkeit", so Svoboda weiter.

Ein wenig könnte der Sessel-Krieg an den Film "Der Krieg der Knöpfe" erinnern, in dem Kinderbanden ihre Rivalitäten austragen. Die materiellen Werte, um die es dabei geht, mögen nicht besonders hoch sein. Die dahinter stehende Symbolkraft ist aber keinesfalls zu unterschätzen.