„Eine außergewöhnliche Persönlichkeit“ - Ausstellung über Milena Jesenská in Prag eröffnet

Milena Jesenská

Im Nostiz-Palais in Prag eröffnete am Montag eine Ausstellung über die Journalistin und Übersetzerin Milena Jesenská, die 1944 im Konzentrationslager Ravensbrück ums Leben kam. Im Zentrum der Ausstellung stehen 14 neu entdeckte Briefe aus der Haftzeit in Dresden, Prag und Ravensbrück.

Milena Jesenská
„Darf ich zu Ihnen über Milena sprechen, über Milena, der ich vier Jahre, die schönsten und die traurigsten meines Lebens, verdanke. So sehr gelebt, so stark gefühlt, aber auch so schwer gelitten wie sie hat keiner. Milena wusste um die Tragödie unserer Generation, denn sie konnte denken. Sie wollte diese Gedanken niederlegen, vor dem Kommenden warnen, ahnte jedoch schon seit Jahren, dass sie die Freiheit nie wieder sehen wird.“

Diese Zeilen sind in einem Brief an Milena Jesenskás Vater zu lesen. Verfasst wurde er von ihrer Mitgefangenen Margarete Buber einige Tage nach Milenas Tod im KZ Ravensbrück. Anlässlich ihres 70. Todestages wird nun in Prag eine Ausstellung über Milena Jesenská gezeigt. Bei der Eröffnung sprach die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Insa Eschebach:



Insa Eschebach  (Foto: Archiv der Stiftung Branderburgische Gedenkstätten)
„Milena Jesenská hat sich nicht im Traum vorstellen können, dass ihrem Leben und Schreiben einmal eine Ausstellung in einem Tschechischen Kulturministerium gewidmet sein könnte. Sie erweisen dieser großen Journalistin eine Ehre, die ihr in der Tat gebührt. Milena Jesenská hatte die Sorge, dass nichts von ihr bliebe, da sie das Buch, das sie eigentlich hat schreiben wollen, nie geschrieben hat. Und dabei ist doch so viel von ihr geblieben. Artikel und Briefe sind veröffentlicht und in der Erinnerung so vieler Menschen ist diese außergewöhnliche Frau präsent.“

Die Ausstellung zeigt Milena Jesenskás Lebensweg. Dabei bekommt man Einblicke in das Prag des frühen 20. Jahrhunderts. Man lernt zu verstehen, wie schwierig es für die gebildeten jungen Frauen dieser Zeit war, einen neuen Lebensentwurf durchzusetzen. Jesenskás Aufenthalt in der Psychiatrie, in die sie von ihrem Vater wegen „moral insanity“ eingeliefert wurde, wird ebenso thematisiert, wie die Jahre in Wien und Dresden. Während der deutschen Besatzung Tschechiens engagierte sich Milena Jesenská im Widerstand und half jüdischen Familien zu emigrieren. Das führte dann auch zu ihrer Haft in Dresden und schließlich in Ravensbrück, wo sie 1944 starb.

Daniel Herman  (Foto: Jana Šustová)
Die Rezeptionsgeschichte in verschiedenen Ländern wird in der Ausstellung auch behandelt. Während Milena Jesenská im deutschsprachigen Raum ausschließlich als Freundin Kafkas in Erinnerung blieb, wurde sie in Tschechien lange als Trotzkistin tabuisiert und dann hauptsächlich als Journalistin und Übersetzerin bekannt. Der tschechische Kulturminister Daniel Herman:

„Milena Jesenská ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Man konnte sogar sagen, dass sie mehrere Personen in sich vereint. Bisher hat sie in der tschechischen Geschichtsschreibung und Literaturgeschichte noch nicht die entsprechende Würdigung erfahren.“

Ausstellung über Milena Jesenská  (Foto: Archiv des Kulturministeriums der Tschechischen Republik)
Im Zentrum der Ausstellung stehen 14 Briefe, die Milena Jesenská in den Jahren der Haft 1940 bis 1943 geschrieben hat. Diese Briefe wurden 2012 in der Staatssicherheitsakte über Jesenskás zweiten Mann gefunden und sind nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich. David Stecher, Leiter des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren:

„Aus diesen Briefen, sowie aus den Zeugnissen von Zeitgenossen, ist es ersichtlich, dass sie in der schwierigen Lebenszeit in Ravensbrück sehr tapfer war und sich durch ihr Verhalten von anderen absetzte. Vor allem durch ihren Optimismus, ihren persönlichen Einsatz und ihre Unabhängigkeit.“

Ausstellung über Milena Jesenská  (Foto: Archiv des Kulturministeriums der Tschechischen Republik)
In den Briefen erzählte sie vom Hunger, von der Kälte und von ihren Krankheiten. Zu Beginn ihrer Haftzeit schrieb Milena Jesenská aber noch sehr positive Briefe, um ihre Familie zu beruhigen. Dort liest man zum Beispiel:

„Ich sehe gut aus, bin schlank geworden und sehr beweglich, habe lange, fast weiße Haare, und bin sehr verbrannt von der Sonne. Die Luft ist hier ganz herrlich, ringsum Wälder, sie stehen da, lauschen und duften. Ich glaube, wenn ich wieder einmal frei sein werde, ertrage ich das Glück gar nicht. Ich grüße euch alle vielmals, Milena.“

Die zweisprachige Wanderausstellung ist noch bis 21. Oktober in Prag und danach im Stadtmuseum Dresden zu sehen. Die Ausstellung ist eine Gemeinschaftsproduktion der Gedenkstätte Ravensbrück, des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren, des Tschechischen Kulturministeriums sowie des Prager Geschichtsbüros.

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