Die Zulu in Prag: Ein Künstlergespräch mit Andrew Gilbert und Lars Reyer

Andrew Gilbert: 'Tot der Zulu-Königin' (Foto: www.albertgilbert.net)

Andrew Gilbert ist „Artist in Residence”, Lars Reyer „Writer in Residence”. Beide sind Stipendiaten, beide sind in Prag. Der gebürtige Schotte Andrew Gilbert wohnt eigentlich in Berlin und ist bildender Künstler. Er beschäftigt sich in seinen Werken mit den Kolonialkriegen des 19. Jahrhunderts. Gilbert wird hier in Prag vom Goethe-Institut unterstützt. Der Schriftsteller Lars Reyer ist Gast des Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Er wohnt in einem Appartement in der Innenstadt und schreibt an seinem Roman. Bisher kannten sich die Künstler nicht. Radio Prag hat sie zusammengeführt. Treffpunkt war Andrew Gilberts Atelier in der Meetfactory, direkt neben der Bahnstrecke zum Bahnhof Smíchov. Ergebnis ist ein Gespräch über ihre Arbeit, Shaka Zulu und Inspirationsquellen. In der Audio-Fassung hören Sie eine Ton-Collage.

Lars Reyer  (Foto: www.poetenladen.de)
Das Atelier befindet sich im zweiten Stock der Meetfactory, einem alten Fabrikgebäude in Prag 5. Es ist ein hoher Raum mit blanken Steinwänden und einem kalten Betonboden. Auf dem Boden liegen Zeichnungen, offene Farbtuben, Fotografien und Bücher über Afrika. In der linken Ecke, direkt unter dem Fenster, steht ein schmales Bett, neben der Tür ein kleiner Tisch. Davor sitzen auf alten Holzstühlen Andrew Gilbert und Lars Reyer. Andrew ist komplett in schwarz gekleidet, seine struppigen Haare verdeckt er mit einer kleinen schwarzen Mütze. Seine Hose ist mit Farbspritzern übersät. Auf Lars' Nase sitzt eine Brille mit dünnem Gestell, seine Umhängetasche hat er über die Stuhllehne gehängt. Andrew nimmt den letzten Zug seiner selbst gedrehten Zigarette und erzählt, wie er zu seinem Stipendium gekommen ist:

Andrew Gilbert: 'Vézelay to Ulundi'  (Foto: www.andrewgilbert.net)
„Ein Kurator aus Deutschland hat mir mitgeteilt, dass ich nominiert bin, weil er meine Arbeiten gut findet. Er ist Kurator in Düsseldorf und ich habe schon mal in seiner Galerie ausgestellt.“

„Bei mir war es so, dass ich mich letztes Jahr im Juni ganz stumpf beworben habe“, wirft Lars ein. „Ich wurde auch damals schon angenommen. Dann hat es fast noch mal ein Jahr gedauert, bis ich hier gelandet bin. Eigentlich hatte ich mich für Ungarn beworben, aber Ungarn war schon besetzt und dann haben sie mich quasi nach Prag abgeschoben. Was im Endeffekt ganz gut ist, weil ich in Ungarn in einer etwas unlebendigeren Stadt gewesen wäre: in Pécs. Deswegen finde ich es ganz gut, dass ich auf der Touristenmeile in Prag gelandet bin.“

Andrew Gilbert  (links) und seine Ausstellung  (Foto: http://blog.goethe.de)
Draußen fährt ein Zug vorbei. Es klingt so, als fahre er direkt durch das Atelier. Andrews Stimme geht im Lärm unter. Lars' Blick fällt auf eine Zeichnung, die auf dem Boden liegt. Sie zeigt einen Soldaten in roter Uniform.

„Ich habe hier am 23. Juni eine Ausstellung und arbeite gerade dafür. Eigentlich wollte ich auch ein Buch schreiben, aber das habe ich nicht geschafft, weil ich zu viele andere Ausstellungen vorbereiten musste. Es war einfach keine Zeit um in Ruhe zu schreiben“, erklärt Andrew und offenbart mit ernster Miene: „Mein Buch wird übrigens meine Biografie. Es spielt aber im 19. Jahrhundert - ich als König der Zulu in Südafrika. Im ersten Teil reise ich nach Jerusalem und im zweiten Teil gehe ich nach Afghanistan und sterbe.“

Meetfactory-Gebäude  (Foto: www.meetfactory.cz)
Lars lächelt.

„Bei mir ist es nicht so konkret, woran ich hier arbeite. Ich arbeite ja auch sozusagen während ich denke. Man kann meine Arbeit auch nicht nachprüfen so wie bei Dir, wo man sehen kann, wie viele Bilder Du gemalt hast. Ich habe da kein Pensum, weder von außen noch von innen. Das Einzige, was ich habe, ist eine Lesung am 17. Juni, aber dafür habe ich ja alles schon geschrieben.“

Andrew Gilbert: 'Deutsch-Afrikanische Freundschaft'  (Foto: www.andrewgilbert.net)
Andrew starrt aus dem Fenster. Schon wieder lässt ein Zug die Wände des Ateliers erzittern. Während er sich die nächste Zigarette dreht, schweift er mit seinen Gedanken ab:

„Mein Lieblingsfilm ist Zulu mit Michael Caine. Der Soundtrack wurde hier vom Philharmonischen Orchester aufgenommen. Im Film sagen sie die ganze Zeit, dass die Zulu-Armee wie eine Bahn klingt: Dududu, dududu, dududu. Und jetzt sitze ich hier jeden Tag und höre die Bahn und denke: Jetzt kommen gleich die Zulu!“

„Ich kenne nur Shaka Zulu“, sagt Lars und schmunzelt.

„Nein, wirklich! Hier in Prag kommt irgendwie alles zusammen mit den Zulu. Ich kenne viele junge Tschechen, die wirklich viel über den Krieg zwischen Briten und Zulu wissen und dessen Hintergründe kennen. Es ist unglaublich.“

Lars Reyer  (Foto: www.poetenladen.de)
„Also, ich kenne bis jetzt noch nicht so viele Leute hier in Prag“, entgegnet Lars. „Ich möchte einfach ein bisschen gut arbeiten können. Das ist alles.“

Draußen fährt der nächste Zug vorbei. Beide lachen.