„Der deutsche Arbeitsmarkt interessiert uns nicht“ – Jugendliche zum Ende der Übergangsfristen

Foto: Europäische Kommission

Am 1. Mai ist es endlich so weit: Sieben Jahre nach dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union laufen die so genannten Übergangsbestimmungen aus. Auch Deutschland und Österreich öffnen ihre Arbeitsmärkte an diesem Tag vollständig für Arbeitnehmer aus den Ländern, die im Jahr 2004 der EU beigetreten sind. Bisher hatten Deutschland und Österreich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Bürger bis zu sieben Jahre einzuschränken. Für arbeitssuchende Tschechen heißt das konkret: Es wird deutlich einfacher, eine Stelle in Deutschland zu bekommen, denn sie brauchen dafür keine besondere Arbeitserlaubnis mehr. Eine gut Chance – vor allem für junge Menschen, die bereit sind, für einen Job ins Ausland zu gehen?

„Für mich hat die Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts keine Bedeutung. Ich lerne andere Sprachen, zum Beispiel Französisch und Englisch. Aber ich denke, das ist eine gute Gelegenheit für viele Leute, die hier Deutsch lernen. Es wird wahrscheinlich auch einen positiven Einfluss auf unsere Wirtschaft haben“, sagt ein junger Prager in der Straßenumfrage von Radio Prag. Eine Gymnasiastin meint:

„Ich werde noch nicht so bald arbeiten, aber ich denke, es ist gut. Es ist sicherlich für viele Leute eine große Chance, Arbeit zu finden. Ich denke allerdings nicht, dass ich selbst einmal in Deutschland arbeiten werde – aber es kann alles passieren.“

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Und ein anderer Schüler findet:

„Ich lerne zwar Deutsch, aber ich werde noch ein paar Jahre studieren, deswegen interessiert mich der deutsche Arbeitsmarkt nicht besonders. Ich kann mir auch nicht vorstellen, später in Deutschland zu arbeiten. Ich möchte lieber in Tschechien bleiben.“

Die Botschaft dieser 17- bis 18-Jährigen ist eindeutig: Für sie spielt die vollständige Öffnung der Arbeitsmärkte in Deutschland und Österreich keine große Rolle. Zwar ist unsere Straßenumfrage keineswegs repräsentativ, allerdings sind die Antworten fast einstimmig – sowohl bei den Schülern und Studenten als auch bei jungen Arbeitnehmern wie diesem Investitionsberater:

„Ich plane weder nach Deutschland noch nach Österreich auszuwandern. Man weiß nie, was die Zukunft bringt, aber in absehbarer Zeit habe ich es nicht vor. Es ist logisch, dass Deutschland die Übergangsfristen bis jetzt aufrechterhalten hat, denn die Regierung wollte nicht, dass auf einmal so viele Tschechen auf den Arbeitsmarkt drängen – auch wenn meiner Meinung nach die Mehrheit der Tschechen die Sprache nicht beherrscht und deswegen keine höhere Position in Deutschland bekommt. Was die normalen Arbeiter betrifft – sie können in Deutschland viel mehr verdienen. Aber hier gibt es genügend Arbeitsplätze für Tschechen, die Deutsch sprechen. Und die Spitzenmanager lassen ohnehin nicht zu, dass so viele Ausländer in höhere Positionen kommen.“

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Ein 22-jähriger Germanistik-Student kann sich zwar gut vorstellen, selbst einmal in Deutschland zu arbeiten, weiß aber auch, dass er damit hierzulande eher eine Ausnahme ist:

„Zumindest was die Tschechen betrifft, müssen die Deutschen keine Angst haben, denn soviel ich weiß, sind die Tschechen nicht so sehr bereit, wegen der Arbeit ins Ausland zu wechseln. Es gibt hier keinen so großen Mangel an Arbeitsplätzen.“

Dass er mit dieser Einschätzung richtig liegt, dafür spricht auch eine Eurobarometer-Umfrage, die im vergangenen Sommer veröffentlicht wurde. Demnach erwägen nur rund elf Prozent der Tschechen, zum Arbeiten ins Ausland zu gehen, während der europäische Durchschnitt bei 17 Prozent liegt.