Besichtigung und Besinnung: Nacht der Kirchen in Tschechien

Foto: Archiv Radio Prag

Das zu besichtigen, was oft verschlossen bleibt - dies bietet die „Nacht der Kirchen“ am Freitagabend. Rund 1370 Kirchen, Kapellen, Gebetsräume und Klöster verschiedener Glaubensgemeinschaften in ganz Tschechien werden ihre Türen für die Öffentlichkeit öffnen.

Foto: Archiv Radio Prag
Führungen, Konzerte, Lesungen, Theatervorstellungen sowie Workshops sind am diesem Freitagabend in tschechischen Sakralgebäuden und Gebetssälen geplant. In diesem Jahr werden erneut zahlreiche Kapellen, Sakristeien, Türme, Krypten oder Klostergärten geöffnet sein, die sonst nicht zugänglich sind. Die „Nacht der Kirchen“, die 2005 in Österreich entstanden ist, wird hierzulande zum fünften Mal veranstaltet. Das Interesse der Öffentlichkeit ist außerordentlich groß. Die Besucher interessieren sich vor allem für die Geschichte und die Architektur, aber nicht nur. Der katholische Pfarrer Miloš Szabo ist Koordinator der „Nacht der Kirchen“.

„Eine Gruppe von Besuchern, die jedes Jahr größer wird, sucht einen Kontrast zur heutigen Konsumwelt voller Stress. Ich bin froh, dass es neben dem vielfältigen Programmangebot in den Kirchen auch Sakralräume gibt, die kein Programm bieten, sondern einfach nur geöffnet sind. Dort gibt es die Möglichkeit, sich im Stillen hinzusetzen und nachzudenken, sich zu besinnen. Und dies nutzen auch viele der fast halben Million Menschen, die sich während der Nacht der Kirchen in Bewegung setzt. Auch ganz kleine Kapellen sind geöffnet, um Interessierte zu empfangen.“

Miloš Szabo  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Besucher können sich wie gewohnt im Internet oder anhand einer Broschüre im Voraus darüber informieren, wo und was stattfindet. Allein in Prag lässt sich dabei unter 128 Kirchen und Gebetsräumen wählen. Die Veranstalter bemühen sich, den Interessenten die Wahl einfacher zu machen. Miloš Szabo:

„In Prag bieten wir beispielsweise Tipps für einige Besichtigungsrouten. Eine davon heißt ´Eine Nacht bei neun Glaubensgemeinschaften´: Sie beginnt mit dem Besuch im Gebetssaal der Adventisten im zweiten Stadtbezirk und endet in der römisch-katholischen Kirche St. Ägidius. Zum ersten Mal haben wir auch eine Route für Radfahrer zusammengestellt. Die Besucher können zudem auf den Spuren der böhmischen Könige wandern und dabei Kirchen besichtigen, die am so genannten ´Krönungsweg´ liegen. Wir reagieren damit auf Vorschläge und Bemerkungen von Besuchern aus dem letzten Jahr und sind bemüht, ihnen noch mehr entgegenzukommen.“

Joel Ruml  (Foto: Martina Schneibergová)
Die „Nacht der Kirchen“ ist eine ökumenische Veranstaltung, an der in Prag elf Glaubensgemeinschaften teilnehmen. Joel Ruml ist Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder:

„Ich halte diese Veranstaltung wirklich für etwas sehr Positives, das unsere Gesellschaft auch braucht. Unsere Gesellschaft ist säkular und man sagt, dass sie auch atheistisch ist, was aber nicht stimmt. Bei der Nacht der Kirchen können die Menschen Kirchen besuchen und dort mit Christen ins Gespräch kommen. Dies finde ich sehr wichtig. Denn sehr viele Leute haben keine Lust, am Sonntag zu einem Gottesdienst in die Kirche zu gehen. Aber am Freitagabend ist die Situation anders, es bietet sich eine attraktive Möglichkeit, Kirchen anzuschauen. Interessant daran finde ich, dass nicht nur Kirchengebäude geöffnet sind: Beispielsweise im Prager Stadtteil Vršovice kommt die evangelische Gemeinde in einem früheren Atombunker zusammen. Dort wird es auch ein Programm für die Nacht der Kirchen geben.“

Foto: Adriana Krobová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Koordinator Miloš Szabo zufolge sind unter den Besucherinnen und Besuchern immer häufiger auch ausländische Touristen.

„Ich habe schon mehrere Anfragen aus dem Ausland bekommen, wann die Nacht der Kirchen diesmal veranstaltet wird. Interessenten aus Polen, Deutschland und Österreich haben sich, wie ich gehört habe, inzwischen sogar an ein Reisebüro gewandt. Dieses plant nun Busfahrten zur Nacht der Kirchen nach Prag.“

Die Nacht der Kirchen wird offiziell am Freitag um 18 Uhr mit einem Glockengeläut eröffnet. An mehreren Orten beginnt das Programm aber schon am Nachmittag. Die meisten Kirchen sind bis Mitternacht geöffnet.