Behinderten darf nicht mehr pauschal das Wahlrecht entzogen werden

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Etwa 25.000 Erwachsene in Tschechien dürfen nicht zur Wahl gehen. Ihnen wurde aufgrund einer Demenz oder einer geistigen Behinderung oder Ähnlichem die Rechtsfähigkeit abgesprochen. Mit anderen Worten: Sie wurden entmündigt. Damit verloren sie bislang auch automatisch ihr Wahlrecht. Das tschechische Verfassungsgericht in Brno / Brünn hat diese Praxis am Mittwoch für verfassungswidrig erklärt.

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Personen, denen die Rechtsfähigkeit abgesprochen wurde, dürfen nicht pauschal auch vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. So heißt es im Urteil der tschechischen Verfassungsrichter.

„Der grundlegende Fehler der juristischen Praxis ist bisher gewesen, dass Richter bei Entmündigungen die Verfassungsrechte – wie eben das allgemeine Wahlrecht – nicht berücksichtigt haben“, so Verfassungsrichter Miloslav Výborný.

Dies räumt auch David Vláčil ein. Er ist Richter am Bezirksgericht in Prag 3:

Miloslav Výborný
„Die Frage des Wahlrechts wurde in den meisten Entscheidungen nicht ausdrücklich geregelt. Das Urteil des Verfassungsgerichts erscheint unter diesem Gesichtspunkt als Durchbruch und es wird in Zukunft zweifellos von den Gerichten respektiert.“

Als Durchbruch feiert das Urteil auch die Liga für Menschenrechte. Im Prinzip müssten die Gerichte nun in jedem Einzelfall entscheiden, ob eine Person mit einer geistigen Behinderung fähig ist zu wählen, so Anwalt Maroš Matiaško von der Liga für Menschenrechte. Allerdings geht ihm das Urteil der Verfassungsrichter nicht weit genug:

„Es handelt sich nur um einen Teilerfolg, weil der problematische Passus im Wahlgesetz nicht gestrichen wurde. Es gibt nämlich keine eindeutige Methode, weder eine rechtliche noch eine psychologische, um festzulegen, ob jemand fähig ist zu wählen oder nicht. Das ist eine große Herausforderung für die Justiz und letztlich auch für die tschechische Psychiatrie.“

Maroš Matiaško
Der psychiatrische Gerichtsgutachter Jiří Schwarz gibt Matiaško Recht:

„Es existieren derzeit keine Richtlinien, die Psychiatern eine Entscheidung über die Aberkennung oder Einschränkung der Rechtsfähigkeit erleichtern würden. In juristischer Hinsicht bestehe der Sinn einer Entmündigung darin, eine Person vor den negativen Folgen ihrer geistigen Behinderung zu schützen.“

Psychiater und Richter dürften an dem Urteil der Verfassungsrichter wohl eine Weile zu knabbern haben. Schließlich sind auch für Menschen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte die negativen Folgen einer Wahlentscheidung schwer einzuschätzen.