Ausstellung "Prag:Wien - Zwei europäische Metropolen im Lauf der Jahrhunderte"

Wir machen nun - zumindest geographisch gesehen, denn inhaltlich bleiben wir natürlich in Tschechien - einen Blick über die Staatsgrenzen hinaus; genauer gesagt nach Wien. In der Österreichischen Nationalbibliothek nämlich gibt es seit 16. Mai eine Ausstellung, die wohl auch viele unserer Hörerinnen und Hörer interessieren dürfte. Sie heißt: Prag:Wien - Zwei europäische Metropolen im Lauf der Jahrhunderte. Gerald Schubert hat sie besucht und folgenden Bericht gestaltet:

Wie ihr Name bereits sagt: Die Ausstellung widmet sich der langfristigen Entwicklung beider Städte, also Prag und Wien, die stets sehr eng miteinander verbunden waren - was freilich nicht immer Harmonie bedeutet. Ich habe ihren Kurator, Prof. Ernst Gamillscheg, den Leiter der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, zur Grundkonzeption seiner Schau befragt:

"Das Konzept der Ausstellung Prag-Wien hat die Absicht, die gemeinsame Geschichte der Länder der böhmischen Krone und Österreichs darzustellen, vor dem Hintergrund aktueller Misstöne in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten Tschechien und Österreich. Wir haben dafür in der Nationalbibliothek Bestände, die belegen, dass seit dem späten Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert diese beiden Länder eine historische Zone bilden, in der es Kontakte und Konflikte gegeben hat. Wir haben die Ausstellung zum größten Teil aus eigenen Beständen ausgerichtet. Sie ist in der Abfolge der Jahrhunderte angeordnet. Und sie zeigt eben anhand jener Kontakte, angefangen von Karl IV mit seinem Schwiegersohn Rudolf IV, mit der Konkurrenz der beiden Hochschulen Wien und Prag, über den Beginn des 30-jährigen Krieges, über Rudolf II bis zu Maria Theresia, bis zum 20. Jahrhundert, bis zur Spiegelung der böhmischen Geschichte in den Werken Franz Grillparzers, wie diese beiden Räume miteinander verflochten sind."

Doch gerade was diese gemeinsame Geschichte betrifft, so hat diese in letzter Zeit auch immer wieder Schatten auf die Gegenwart und die gemeinsame Zukunft in der Europäischen Union geworfen. Und auch die Ausstellung blieb von den damit einhergehenden Konflikten nicht unberührt. In einem Beiblatt, das mit diversen Zahlen, Daten und Fakten aufwartet, war die Zahl der Opfer des Nationalsozialismus in der ehemaligen Tschechoslowakei mit insgesamt 360.000 angegeben worden. Prompt kam Protest vonseiten der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs, die diese Zahl als für zu hoch befand. Gamillscheg dazu:

"Das halte ich für sehr traurig, denn wir wollten diese konkreten Themen eigentlich nicht ansprechen. Erstens halte ich das Opferaufrechnen für unmoralisch. Und zweitens haben wir in einer Zweitfassung des Blattes über die Geschichte die Zahlen herausgenommen und eine Neuformulierung gewählt, wonach sowohl bei der Vertreibung der Sudetendeutschen als auch während der Besatzung der Tschechoslowakei Opfer zu beklagen waren - aufgrund politischer und rassischer Verfolgung. Das scheint mir der Text zu sein, der niemandem wehtut, aber die historischen Fakten besser darstellt."

Die Ausstellung "Prag:Wien - Zwei europäische Metropolen im Lauf der Jahrhunderte" ist noch bis zum 31. Oktober in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien zu besichtigen.