Ausstellung in Jablonec nad Nisou: Schicksal der Deutschen aus dem Isergebirge

Foto: Martina Schneibergová

„Schicksale der Deutschen aus dem Isergebirge nach 1945“ – so heißt eine Wanderausstellung. Sie beschreibt die ersten Jahre nach dem Kriegsende, als der Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Gegend von Jablonec nad Nisou / Gablonz vertrieben wurde. An einigen Beispielen wird auch das Schicksal der deutschen Minderheit dargestellt, die geblieben ist. Die Ausstellung ist im Haus der Deutsch-Tschechischen Verständigung in Rýnovice / Reinowitz zu sehen, der Ort gehört heute zu Jablonec. Im Folgenden ein Gespräch mit der Initiatorin der Ausstellung, Petra Laurinová.

Foto: Martina Schneibergová
Frau Laurinová, was war der Beweggrund für die Ausstellung?

„Es hat folgenderweise angefangen: Viele Menschen, die zu uns gekommen sind, haben uns gefragt, wie es kommt, dass wir Deutsch sprechen und ob hier früher Deutsche gelebt haben. Sie haben gar nichts über die Geschichte gewusst, dass hier in Reinowitz nach dem Kriegsende ein Sammellager für Deutsche war. In den deutschen Familien haben die Eltern den Kindern nicht viel erzählt, weil sie sie schützen wollten und weil sie das Trauma selbst vergessen oder unterdrückt haben. Wir haben darum Anfang dieses Jahres gemeinsam mit Frau Novák vom Kulturverband, die auch aus Gablonz stammt, ein Projekt ausgearbeitet, das sich mit den Schicksalen der Deutschen nach 1945 befasst. Wir haben lange in den Archiven gesucht und deswegen auch Kaufbeuren besucht, wo 17.000 Gablonzer nach dem Krieg eine neue Heimat gefunden haben.“

Foto: Martina Schneibergová
Haben sich auch einige der Neugablonzer aus Kaufbeuren an der Ausstellung beteiligt?

„Ja, als Zeitzeugen haben sie sich daran beteiligt. Außerdem haben wir mit dem Nordböhmischen Museum in Reichenberg und dem Isergebirgsmuseum in Neugablonz zusammengearbeitet.“

Was stellt diese Liste von Namen dar, die hier an der Wand ist?

„Das ist eine endlose Zeile. Jeder Mensch, der nach dem Krieg auf die Vertreibung wartete, hatte ein Kärtchen. Darauf wurde eingetragen, wann er in das Sammellager kam, wie lange er dort war und wohin er geschickt wurde. Im Archiv in Jablonec sind rund 38 Schachteln mit diesen Karten erhalten. Wir haben uns entschieden, die Namen von diesen Karten samt einigen Angaben abzuschreiben. Wir haben mit dem gängigen Familiennamen Weiß begonnen und bei Wildner geendet. Es handelt sich um rund 1000 Namen, die dort stehen. Vor allem sind Frauen, kleine Kinder und alte Männer dabei.“

Foto: Martina Schneibergová
Eines der Sammellager befand sich direkt in Rýnovice. Davon gibt es hier ein kleines Modell. Ist es Bestandteil der Ausstellung, oder soll es dauerhaft in der Galerie des Hauses zu sehen sein?

„Es ist Bestandteil der Ausstellung, aber es wird dauerhaft hier bleiben. Denn die hiesigen Bewohner wussten gar nicht, wo sich das Sammellager befand. Heutzutage stehen dort Kaufhäuser, es ist etwa 100 Meter vom Haus der Verständigung entfernt. Das, was hier in der Ausstellung zu sehen ist, stellt nur den ersten Teil unseres Projektes dar und beschreibt die ersten drei Nachkriegsjahre. Die zweite Etappe, die wir nächstes Jahr zusammenstellen möchten, wird sich mit den Jahren 1948 bis 1968 befassen. Wir möchten die Geschichte der deutschen Medien darstellen, denn in dieser Zeit wurde mit ‚Aufbau und Frieden‘ die erste deutschsprachige Zeitung nach dem Krieg gegründet. Es gab hier damals auch ein deutsches Wandertheater. Im dritten Teil, der die Zeit nach 1968 dokumentieren wird, möchten wir die Gründung des Kulturverbandes deutscher Bürger und die Frage der Spätaussiedler anpacken. Der letzte Teil des Projektes wird die Etappe nach der Wende von 1989 dokumentieren.“


Foto: Martina Schneibergová
Die Ausstellung „Schicksale der Deutschen aus dem Isergebirge nach 1945“ ist im Haus der Deutsch-Tschechischen Verständigung in Jablonec nad Nisou – Rýnovice zu sehen, und zwar noch bis 7. November. Das Haus ist dienstags bis samstags von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Die Wanderausstellung wird in den nächsten Monaten auch in Prag und im südböhmischen Horní Planá / Oberplan gezeigt. Danach soll sie nach Deutschland weiterwandern –unter anderem nach München und Kaufbeuren.