Aus der Schatztruhe geholt: alte tschechische Nikolausbräuche neu belebt

Von den volkstümlichen Bräuchen sind in Tschechien viele in Vergessenheit geraten. Ein Brauch ist jedoch ungebrochen lebendig: Am 5. Dezember besucht die Kinder der Nikolaus. Der weißbärtige Alte mit der Bischofsmütze und dem Hirtenstab kommt aber nicht allein. An einer Kette führt er den wilden Teufel mit, und außerdem begleitet ihn hierzulande ein gütiger Engel. Früher einmal, da zog ein richtiges kleines Völkchen geheimnisvoller Gestalten mit dem Nikolaus von Haus zu Haus. Doch damit nicht genug: Wundersame Figuren belebten den ganzen Advent - etwa die Barbara, die Lucie oder der Ambrosius. All diese Nikolaus- und Adventsbräuche kann man im Freilichtmuseum im mittelböhmischen Kouřim / Gurim miterleben.

Sankt Nikolaus in Begleitung von Engeln
Am 5. und 6. Dezember ist es im „Skanzen“ von Kouřim, dem Freilichtmuseum für volkstümliche Architektur, wieder so weit: Sankt Nikolaus zieht mit einem schillernden Gefolge zwischen den rustikalen Holzhäusern durch das Museumsdorf. Der Leiter des Freilichtmuseums, Dalibor Hobl:

„Am 5. Dezember um 11 Uhr beginnt der Vormittagsumzug, um 14 Uhr dann der Nachmittagsumzug. Der Nikolauszug marschiert beim Haupteingang los und geht zu den einzelnen Häusern des Museumsdorfs. Dabei fragt der Nikolaus die Kinder, ob sie im abgelaufenen Jahr brav waren, er bittet sie, ein Gedicht aufzusagen oder ein Liedchen zu singen. Unter den Drohgebärden der Teufel marschiert der Nikolauszug durch das ganze Museumsdorf. Bei der letzten Hütte hält er an. Die Kinder, deren Eltern ein Geschenk mitgebracht haben, werden namentlich aufgerufen, und der Nikolaus übergibt ihnen das Päckchen höchstpersönlich.“

Lucie  (links) und Barbara
Ein Bauer mit einem Ziegenbock, ein Schornsteinfeger, ein Jude, ein Soldat, eine Todesgöttin und andere Charaktertypen folgen dem Nikolaus am 5. Dezember. Und auch am 6. Dezember geben sich im Museumsdorf den ganzen Tag lang wundersame Gestalten ein Stelldichein. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie die Adventstage des Kalenders bevölkern. Etwa die Barbara, die am 4. Dezember Namenstag hat, oder die Lucie. In manchen Ländern, wie etwa Schweden, wird Lucie mit der Wintersonnenwende verbunden und ist eine freundliche Lichtgestalt. Die tschechische Volkstradition aber hat Lucie eine andere Rolle zugedacht:

„Lucie zog herum, um die Kinder zu maßregeln. Ihre eigentliche Aufgabe aber war es zu kontrollieren, ob gewisse Verbote eingehalten wurden. Die Heilige Lucie war nämlich der Überlieferung nach gerädert worden. Also durfte sich an ihrem Namenstag, dem 13. Dezember, kein Spinnrad drehen. Und die Lucies haben bei ihrem Umzug nachgeschaut, ob sich die Frauen auch an dieses Verbot hielten“, erläutert Hobl.

Nikolausumzug im Freilichtmuseum Kouřím
Barbara ist dagegen gemäß dem tschechischen Brauchtum eine gütige Figur. Sie beschenkt die Kinder. Wie Lucie ist auch sie ganz in Weiß gekleidet. Nur der Blütenkranz auf dem Kopf unterscheidet die Gütige von der Gestrengen.

Übrigens erwartet man im Museumsdorf Kouřim auch diesmal wieder mehrere Tausend Besucher zu den Nikolaus- und Adventsumzügen.

Fotos: Tomáš Eiman