Antrittsbesuch in Wien: Strahlend wird Premier Nečas nicht empfangen

Heinz Fischer und Petr Nečas (Foto: ČTK)

Der tschechische Premier Nečas ist schon ein dreiviertel Jahr im Amt, und erst jetzt macht er seinen Antrittsbesuch im Nachbarnland Österreich. Bereits seit Jahren ist die Atomkraft wegen des Ausbaus des tschechischen AKW Temelín ein bilaterales Dauerthema. Jetzt, während der Fukushima-Katastrophe steht es in Österreich, wo es schon in den 1970er Jahren einen Volksentscheid gegen Atomkraft gab, ganz oben auf der Tagesordnung. Christian Rühmkorf befragte den Korrespondenten des Tschechischen Rundfunks in Wien, Vojtěch Berger, zum Antrittsbesuch von Premier Nečas in unruhigen Zeiten.

Heinz Fischer und Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Vojtěch Berger, Premier Nečas hat bereits ein Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer hinter sich. Wesentlich verzwickter, komplizierter und vor allem unangenehmer dürfte aber das unmittelbar bevorstehende Treffen mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann sein. Dessen Regierung hat nämlich heute, am Dienstag, einen Anti-Atom-Aktionsplan beschlossen. Und Faymann kommt dazu just aus dem Nationalrat, wo eine Sondersitzung zur Atomkraft stattfand. Man wolle mit den Lügen der Atomlobby aufräumen. Gegen den Ausbau des tschechischen AKW Temelín behalte man sich alle rechtlichen Schritte vor. Regierung und Opposition machen einen Schulterschluss. Ein steifer Wind, der da dem tschechischen Premier beim Antrittsbesuch entgegenweht. Vojtěch, wie hat sich Petr Nečas darauf vorbereitet?

AKW Temelín
„Ja, Du hast es schon angesprochen. Man muss in Kauf nehmen, dass Petr Nečas gerade in der Zeit nach Wien kommt, wenn die Debatte über Atomkraft in Österreich wieder ziemlich heiß ist. Und zwar gerade heute, wie Du schon gesagt hast, findet eine Sondersitzung des österreichischen Parlaments statt. Einberufen wurde diese Sitzung von der Opposition, und es geht dort um ein einziges Thema, und das ist die Atomkraft. Bundeskanzler Werner Faymann hat sich vor ein paar Tagen in dem Sinne geäußert, dass Atomkraft ein Irrweg ist, den man verlassen muss. Also nicht nur die Aktivisten, auch die österreichischen Politiker benutzen wieder einmal starke Worte in Richtung Atomkraftwerke in Tschechien oder in der Slowakei. Zu Deiner Frage: Die tschechische Regierung hält fest an ihren Argumenten. Premier Nečas hat mir heute gesagt, dass zum Beispiel das AKW Dukovany unter den 13 Prozent der sichersten Atommeiler der Welt gehören. Und eine Abschaltung der Atomkraftwerke in Tschechien kommt im Moment für Tschechien nicht in Frage. Das ist sozusagen die Munition, mit der Petr Nečas nach Wien gekommen ist.“

Petr Nečas und Werner Faymann  (Foto: ČTK)
Das ganze sieht also nicht nur nach Sonnenschein aus, sondern riecht auch nach Konflikt. Wird dieser Tag, also in Antrittsbesuch von Premier Nečas unter diesen Bedingungen, die tschechisch-österreichisch Beziehungen langfristig belasten?

„Nun ja, es kann vielleicht von außen so aussehen, als ob Atomkraft das wichtigste Thema in Österreich wäre. Zumindest meiner Meinung nach stimmt das nicht so ganz. Zum Beispiel die Eröffnung des Arbeitsmarktes ist viel wichtiger. Denn das ist das Thema, das die österreichische Wirtschaft bewegt, und das sie ankurbeln kann. Und es ist eine Tatsache, dass die gesetzlichen Vorbereitungen für die Öffnung des Arbeitsmarktes schon seit Monaten laufen, was ja bei der Atomkraft nicht der Fall ist. Denn das ist ein ausschließlich politisches Thema, bei dem man nur politische Punkte gewinnen kann. Nach den Ereignissen in Japan sind die Befürchtungen der Österreicher vor der Atomkraft um ein Vielfaches gestiegen. Dem ist sich Bundeskanzler Faymann ganz klar bewusst. Er wird jetzt in dem Sinne handeln, dass er die österreichische Öffentlichkeit zufrieden stellt. Und nun zu deiner Frage zurück, was das alles mit den tschechisch-österreichischen Beziehungen macht. Das werden wir natürlich erst nach dem Ende der heutigen Verhandlungen in Wien sehen. Ich glaube, es ist keine sichtbare Revolution zu erwarten, aber sicher einige sehr unharmonische Töne hinter verschlossenen Türen.“

Foto: Europäische Kommission
Du hast die Arbeitnehmerfreizügigkeit angesprochen, die für Tschechen mit dem 1. Mai in Kraft tritt. Sind bei diesem Thema noch Probleme zwischen beiden Gesprächspartnern zu erwarten?

„Die österreichische Regierung rechnet damit, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes 20.000 bis 25.000 neue Arbeitskräfte nach Österreich lockt. Premier Nečas hat jedoch dem österreichischen Bundespräsidenten versichert, dass es keinen großen Ansturm aus Tschechien gibt, denn diejenigen, die nach Österreich zum Arbeiten kommen wollten, hätten das schon längst gemacht. Der 1. Mai bringe in diesem Sinne keine Änderung. Das ist die tschechische Position. Österreich bereitet sich trotzdem stark auf die neuen Verhältnisse ab Mai vor - in diesem Zusammenhang wird ein so genanntes Antidumpinglohn-Gesetz im österreichischen Parlament diskutiert, das sichern soll, dass kein Ausländer zu einem niedrigeren Lohn arbeiten wird als ein Österreicher in der gleichen Position. Dadurch würden die einheimischen Angestellten nicht benachteiligt. Es ist zu erwarten, dass Premier Nečas auch zu diesem Thema einige Fragen von Bundeskanzler Faymann gestellt bekommt.“