Abstimmung über Lissabon-Vertrag verschiebt sich im Senat erneut

Der Antrittsbesuch der EU-Kommission in Prag hat ein wenig überdeckt, dass im Oberhaus des tschechischen Parlaments, dem Senat, am Mittwoch die Abstimmung über den EU-Reformvertrag von Lissabon erneut verschoben wurde. Dazu hat mein Kollege Patrick Gschwend weitere Informationen.

Foto: Europäische Kommission
Was ging da im Senat vor sich und wie ist es zu der erneuten Verzögerung gekommen?

Die jetzige Verzögerung geht auf eine Entscheidung des außenpolitischen Ausschusses im Senat zurück. Der Ausschuss hat die Verhandlungen über den Lissabon-Vertrag für 30 Tage unterbrochen. Hintergrund ist, dass einige Senatoren der Bürgerdemokraten weiterhin gegen den Vertrag sind. Aber auch ein christdemokratischer Senator und der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, Jiří Dienstbier, für die Sozialdemokraten, haben für die Unterbrechung gestimmt.

Warum das? Christ- und Sozialdemokraten sind doch eigentlich für den Vertrag und haben bisher immer auf eine möglichst rasche Ratifizierung gedrängt.

Die Befürworter des Vertrags befürchten einfach, dass eine zu frühe Abstimmung im Senat zur Ablehnung des Vertrags führen könnte. Das hat zum Beispiel Jiří Dienstbier am Mittwoch so gesagt. Allerdings bedeutet die Verschiebung auch für die Gegner des Vertrags einen Zeitgewinn. Sie versuchen ihre Argumente gegen Lissabon weiter zu untermauern.

Welche Gründe führen die Gegner des Lissabon-Vertrags bei den Bürgerdemokraten denn an? Das Verfassungsgericht in Brno / Brünn hatte doch im Dezember festgestellt, dass der Lissabon-Vertrag mit der tschechischen Verfassung vereinbar ist. Verfassungsrechtliche Bedenken dürfte es also nicht mehr geben…

Die Bürgerdemokraten führen hauptsächlich drei Gründe für ihre Ablehnung des Vertrags an. Da ist zum einen die Tatsache, dass auch Irland noch nicht ratifiziert hat. Solange das nicht geschehen ist, kann der Lissabon-Vertrag ohnehin nicht in Kraft treten. Und bis die Iren nicht „Ja“ gesagt haben, könne man die Zeit ja noch zu Beratungen nutzen, so die Argumentation. Des Weiteren wollen einige Bürgerdemokraten vor der Abstimmung über den Lissabonvertrag noch ein anderes Gesetz verabschieden. Um das ganz kurz und vereinfacht zu sagen: Das Gesetz soll dem Senat die Möglichkeit geben, gegen Beschlüsse der tschechischen Regierung, aber auch des Europäischen Gerichtshofs, Einspruch zu erheben. Damit will man sich gegen eine Bevormundung aus Brüssel wehren können, sagen die Bürgerdemokraten. Allerdings: Die entsprechende Gesetzesnovelle wartet schon seit etwa 16 Jahren auf ihre Verabschiedung. Und zum Dritten warnen einige Bürgerdemokraten vor der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags, weil sie glauben, durch ihn würden die Beneš-Dekrete außer Kraft gesetzt. In der Folge befürchten sie deshalb verstärkt Restitutionsforderungen von Deutschen, die auf der Grundlage der Dekrete nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben wurden.

Wie geht es nun weiter?

Tja, eigentlich kann ich dazu nur sagen: Wir müssen abwarten, wie die Lage in einem Monat aussieht, wenn die Senatsausschüsse erneut über den Lissabon-Vertrag beraten.