Abgesegnet: Tschechien erfährt große Steuer- und Sozialreformen

Mirek Topolánek (links) und Martin Bursik (Foto: CTK)

Am Dienstag knisterte es wie lange nicht im tschechischen Abgeordnetenhaus. Was Wunder, denn auf dem Spielplan stand zwar nicht Hamlet von Shakespeare, aber die Frage nach dem Sein oder Nichtsein, die in den zurückliegenden Wochen immer häufiger gestellt wurde, sollte endlich beantwortet werden. Die Frage nach der Durchführung von Steuer-, Gesundheits- und Sozialreformen in Tschechien.

Mirek Topolánek  (links) und Martin Bursik  (Foto: CTK)
Die Frage war verpackt in dem umfangreichen Reformpaket, das die Regierungskoalition seit ihrem Amtsantritt zu Jahresbeginn geschnürt hatte. Und sie hatte es geschnürt mit dem Vermerk: Ganz oder gar nicht! Denn von der Durchsetzung der geplanten Reformen hatten die Bürgerdemokraten, Christdemokraten und die Grünen den Fortbestand ihres Zweckbündnisses abhängig gemacht. Durch einige ganz besonders beflissene Reformer, aber auch durch Abweichler auf der Regierungs- wie Oppositionsbank, war es schwer wie nie, den Ausgang der Abstimmung vorauszusagen. Entsprechend knapp fiel das Ergebnis aus: Mit 101:99 Stimmen setzte sich das Regierungslager durch. Große Freude nach dem Sieg dann natürlich zuallererst bei Premierminister Mirek Topolanek (ODS):

"Ich bin mit der Abstimmung zufrieden. Ich bin aber nicht ganz zufrieden mit der etwas unsportlichen Art und Weise, wie die Opposition ihre Niederlage hingenommen hat. In der Politik ist es immer notwendig, Mehrheiten zu gewinnen. Und wenn eine solche Mehrheit von der Koalition zustande gebracht wird, dann kann sie völlig zu Recht ihr Programm schrittweise durchsetzen."

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Im Einzelnen heißt das zum Beispiel die Einführung des Einheitssteuersatzes von 15 Prozent für physische Personen ab 2008 und die schrittweise Senkung der Einkommenssteuer für Firmen von 24 auf 19 Prozent bis zum Jahr 2010. Aber auch die Einführung einer Ökosteuer und die Erhöhung der Verbrauchersteuer bei Tabak. Die überwiegende Mehrzahl der beschlossenen Änderungen wird von der Opposition kategorisch abgelehnt. Der Tenor: Sie mehren den Reichtum der Reichen und schröpfen die Armen und Bedürftigen. Deshalb verkündete Oppositionsführer und Sozialdemokratenchef Jiri Paroubek (CSSD) gleich nach der Abstimmung:

"In Zusammenarbeit mit der Böhmisch-Mährischen Konföderation der Gewerkschaftsverbände werden wir bestrebt sein, auf die Dinge zu verweisen, die sich in dieser so genannten Reform besonders negativ für die Bürger niederschlagen werden. Wir werden uns daher bemühen, Änderungsvorschläge für die jeweiligen Gesetze einzureichen."

Vertreter der Gewerkschaftsverbände demonstrierten bereits vor und während des Votums vor dem Parlamentsgebäude. Der Vorsitzende der Assoziation der selbständigen Gewerkschafter, Bohumir Dufek, kündigte dabei an:

Foto: CTK
"Wir müssen die Abgeordneten vorläufig darauf aufmerksam machen, dass sie im Rahmen der Reformen vor allem an ihre Wähler und nicht an sich selbst zu denken haben. Ich denke aber, dass wir in der Lage sind, es ihnen beim nächsten Male heimzuzahlen."

Aber werden die tschechischen Bürger durch diese Reformen am Ende finanziell tatsächlich mehr be- als entlastet? Eine erste Antwort auf diese Frage gab der Chefökonom der Tschechischen Sparkasse (Ceska sporitelna), Viktor Kotlan:

"Die Regierung zielt auf die Verringerung des Haushaltsdefizits ab. Wenn ich dieses Ziel durch Steuersenkungen erreichen will, muss ich selbstverständlich irgendwo anders einen Ausgleich schaffen. Das heißt, wenn ich den durch die steuerlichen Veränderungen leicht gestiegenen Nettolohn ins Verhältnis setze zu den durch soziale Kürzungen vorgenommenen Einsparungen, dann lässt sich ganz eindeutig sagen, dass die übergroße Mehrheit der Bürger bei dieser Reform zumindest kurzzeitig Einbußen hinnehmen muss."