6. Januar 2007: Gründungsjubiläum der Charta 77

Charta 77

Die Einhaltung der Menschenrechte - das war die Grundforderung des Dokuments, das unter dem Namen Charta 77 in die Geschichte eingegangen ist. Am Samstag, dem 6. Januar, sind genau 30 Jahre seit Veröffentlichung der Charta vergangen. Mit ihr entstand eine der ersten oppositionellen Bewegungen des damaligen Ostblocks. Die Unterzeichner forderten, dass sich die tschechoslowakische Regierung an die Schlussakte von Helsinki halten solle. Genau 30 Jahre später haben tschechische Historiker eine neue Entdeckung veröffentlicht: 242 Kärtchen mit den Originalunterschriften der Signatare der Charta 77.

Charta 77
Die 242 Signatare, die das Dokument unmittelbar nach seiner Veröffentlichung unterzeichneten, waren Menschen unterschiedlicher Berufe, unterschiedlicher Ansichten und nicht zuletzt auch unterschiedlicher politischer Gesinnung. Unter dem Namen Charta 77 wollten sie gemeinsam zu verschiedensten gesellschaftlichen Fragen Stellung nehmen. Bis Januar 1990 unterzeichneten über 1800 Menschen das Dokument. Sie waren die bedeutendste oppositionelle "Stimme" der Ex-Tschechoslowakei nach innen und nach außen hin. Die Entscheidung, die Charta 77 zu unterzeichnen, hatte für die meisten ihrer Unterzeichner fatale Folgen: An erster Stelle war es der Verlust des Arbeitsplatzes, in vielen Fällen aber auch Verfolgung und Inhaftierung.

Vaclav Havel
Unter den allerersten fünf Signataren der Charta war auch der Dramatiker und spätere tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel. Die Staatsmacht beim Wort zu nehmen, das ist die Lehre, die laut Havel nach 30 Jahren aus der Charta 77 gezogen werden kann:

"Die Charta war nichts anderes, als dass wir das Regime beim Wort genommen haben. Wir wollten, dass die Schlussakte von Helsinki, die die Staatsmacht für einen Fetzen Papier gehalten hat, auch in die Praxis umgesetzt wird. Unser Leitgedanke war, dass dieses Bestreben irgendwann zur Geltung kommt, auch wenn es nach langer Zeit oder auf Umwegen sein sollte. Daher machte es Sinn."

Nichts von den Aktivitäten der Charta passte der kommunistischen Staatsmacht aber ins Konzept. Viele der so genannten "Chartisten" wurden direkt oder indirekt zur Emigration gezwungen. Im Falle von Zina Freundova ist dies gelungen. Ihre Diplomarbeit durfte sie nicht mehr beenden - und das nach fünf Jahren Studiums der persischen Sprache und der Philosophie. Durch den anhaltenden psychischen Druck seitens der Geheimpolizei StB, aber auch durch wiederholte Überfälle der StB-Leute, die auch nicht vor körperlicher Gewalt zurückschreckten, fühlte sich Zina Freundova in ihrem Leben bedroht. Sie entschloss sich zur Ausreise nach Großbritannien. Auf die Frage des Tschechischen Fernsehens, was ihr die Zeit brachte, die sie hierzulande als Dissidentin verbracht hatte, hatte sie eine simple Antwort parat:

"Ich konnte vieles über mich selbst erfahren: Dass ich Angst haben kann und es schaffe, sie zu überwinden, und dass ich Angst haben kann, die ich nicht überwinden kann."

Heute lebt Zina Freundova abwechselnd in Prag und London, wo sie ihr zweites Zuhause gefunden und lieb gewonnen hat. Die Tätigkeit der Charta 77 wurde offiziell 1992 eingestellt. Die erwähnten 242 Kärtchen mit den Namen und Unterschriften ihrer Unterzeichner sollen demnächst auf der Webseite von "Libri prohibiti" veröffentlicht werden.