17. November: Weckruf für die „Gesellschaft im Dornröschenschlaf“

Foto: Martina Schneibergová

Mehrere Tausend Menschen haben am Donnerstag an unterschiedlichen Orten in Prag an den Beginn der Samtenen Revolution im Jahr 1989 erinnert. Bei einigen Kundgebungen wurden die Politik von Präsident Miloš Zeman und seine Hinwendung nach Osten kritisiert. Gewarnt wurde zudem vor den Bemühungen des Milliardärs und Finanzministers Andrej Babiš um ein politisches Monopol.

Konzert für die Zukunft  (Foto: Martina Schneibergová)
Genau um 19.30 Uhr klingelte es auf dem ganzen Wenzelsplatz. Tausende von Menschen hielten ihre Handys hoch, mehrere hatten auch klassische Wecker mitgebracht. Václav Němec von der Bürgerinitiative „Kroměřížská výzva“ war einer der Initiatoren des Happenings:

„19.30 Uhr ist ungefähr die Zeit, zu der die Polizisten die Studentendemonstration vor 27 Jahren in der Nationalstraße gestoppt haben. Wir wollten nicht mit einer Schweigeminute der Ereignisse gedenken. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir die Demokratie noch nicht bestatten müssen. Mit einer Minute Lärm möchten wir die Gesellschaft aus dem Dornröschenschlaf wachrütteln. Denn sie lässt zu, dass die demokratischen Prinzipien und Werte, für die die Studenten damals zusammengeprügelt wurden, mit den Füßen getreten werden.“

Konzert für die Zukunft  (Foto: Štěpánka Budková)
Němec äußerte zudem die Hoffnung, dass auch jene Politiker den Klang der Wecker hören, die demokratische Werte für zweifelhafte Geschäfte und Bündnisse verraten.

Der Höhepunkt der Feierlichkeiten und Kundgebungen in Prag war ein sogenanntes „Konzert für die Zukunft“ auf dem Wenzelsplatz. Zwischen den Auftritten sprachen nicht nur Musiker, sondern auch einige Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben zum Publikum.

Der Schriftsteller und ehemalige Dissident Petr Placák erinnerte daran, wie Miloš Zeman nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt versprochen hatte, er werde der Präsident der „unteren zehn Millionen“ sein.

Kundgebung auf dem Hradschiner Platz  (Foto: Martina Schneibergová)
„Diese asoziale Persönlichkeit pfeift auf die sogenannten ‚einfachen Menschen‘ und auf Menschen überhaupt. Er braucht sie nur dann, wenn sie ihm nützlich sind – das heißt, wenn sie ihm bei den Wahlen ihre Stimme geben. Zeman ist die Marketingfigur einiger Unternehmer, die Verbindungen nach Russland und China haben. Mit Zemans Hilfe haben sie die Prager Burg privatisiert.“

Gefährlicher verhalte sich jedoch ein anderer Politiker, der Großunternehmer, Finanzminister und Medienbesitzer, Andrej Babiš, so Placák.

„Agromagnat Babiš hat als Finanzminister die Kontrolle über sämtliche Konkurrenz. Mit seinem politischen Unternehmen biegt er Regeln der Gleichheit beim politischen, ökonomischen und auch kulturellen Wettbewerb, der die Grundlage für eine freie Gesellschaft und wirtschaftliches Wachstum ist. Besonders wichtig ist es, dass in der Politik, auf den Wirtschaftsmärkten sowie im Medienbereich die Spielregeln eingehalten werden. Wir sollten nicht denjenigen unsere Stimmen geben, die die Regeln des Fair Play umgehen, die Politik für ihre privaten Geschäfte und die privaten Geschäfte für die Beeinflussung der Politik missbrauchen.“

Kundgebung auf dem Hradschiner Platz  (Foto: Martina Schneibergová)
Auf den Wenzelsplatz kamen am Abend auch die Teilnehmer einiger weiterer Kundgebungen, die an anderen Orten stattgefunden hatten. Auf dem Hradschiner Platz hatten einige Initiativen beispielsweise eine Kundgebung organisiert, die unter dem Motto „Wir vergessen nicht“ stand. Dort hielten die Teilnehmer wie an anderen Orten viele Transparente hoch, mit denen sie Präsident Zeman stark kritisierten.

Vergleichsweise wenig Menschen gingen am Donnerstag für Zeman und seine Politik auf die Straßen in Prag. Nur rund einige Hundert seiner Anhänger trafen im Letná-Park zusammen. Das Staatsoberhaupt selbst zog sich am Staatsfeiertag auf Schloss Lány zurück und ließ nichts von sich hören.