Weltstars krönten Handball-Festtage zu Ehren tschechischer Legenden

Filip Jícha (Foto: ČTK)

In der vergangenen Woche hatte der tschechische Handball-Verband zusammen mit dem befreundeten Verband aus der Slowakei zu einer einmaligen Aktion geladen. Unter dem Motto „Hvězdy pro legendy“ (Stars für Legenden) wurde eine dreitägige Handball-Show geboten, die einen gemeinsamen Nenner hatte: Man erinnerte an die zu Zeiten der Tschechoslowakei gemeinsam errungenen WM-Titel 1957 (Frauen) und 1967 (Männer) und huldigte den damaligen Helden.

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In einem würdigen Rahmen wurde an die großen Erfolge des tschechischen und slowakischen Handballs erinnert: Drei Tage lang diente das Tennisstadion auf der Prager Hetzinsel (Na Štvanicí) der Präsentation des schnellen Teamsports mit der bis zu 475 Gramm schweren Lederkugel. Unzweifelhafter Höhepunkt war der Mittwoch, als vier der noch lebenden Weltmeisterinnen von vor 60 Jahren und sieben Männer, die 1967 den WM-Titel gewannen, den Innenraum des Stadions betraten.

Verdienter Applaus, ja stehende Ovationen wurden den Helden von einst zuteil. Mit Urkunden und kleinen Präsenten wurden sie zudem von den Vorsitzenden des internationalen Handball-Verbandes sowie der nationalen Verbände aus Tschechien und der Slowakei geehrt. Die vielleicht noch größere Auszeichnung aber für sie war, dass ihnen zu Ehren viele der heutigen Weltstars im Handball nach Prag gekommen waren. Mit den Einladungsspielen je einer tschechisch-slowakischen Mannschaft gegen eine Weltauswahl der Frauen und Männer fanden diese Festtage des Handballsports dann ihren krönenden Höhepunkt. Zu den internationalen Stargästen zählten der isländische Trainer Alfred Gislason, die deutsche Torhüterin Clara Woltering und ihr männliches Pendant, der ehemalige Weltklasse-Torwart Henning Fritz. Dieses Trio stellte sich auch den Fragen von Radio Prag. So auch zur Frage, was sie dazu bewogen habe, zu diesem Event nach Prag zu kommen. Alfred Gislason:

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„Als ich anfing, als junger Spieler für die Nationalmannschaft Islands aufzulaufen, hatte die Tschechoslowakei eine bärenstarke Mannschaft mit vielen Weltklassespielern. Tschechien hat auch heute noch einige Weltstars und eine gute Mannschaft, aber auch so war es für mich eine Ehre, zu dieser Aktion hier nach Prag eingeladen zu werden. Denn die Tschechoslowakei hat sehr viel für die Entwicklung des Handballsports getan.“

Über die Einladung aus Prag hat sich auch die 34-jährige Clara Woltering gefreut:

Alfred Gislason: „Als ich anfing, als junger Spieler für die Nationalmannschaft Islands aufzulaufen, hatte die Tschechoslowakei eine bärenstarke Mannschaft mit vielen Weltklassespielern. Die Tschechen und Slowaken haben sehr viel für die Entwicklung des Handballsports getan.“

„Es ist natürlich eine ganz große Ehre, hier dabei zu sein und an diesem Event teilhaben zu dürfen. Es macht zudem umso mehr Spaß, wenn man viele Aktive wiedertrifft – hochklassige Spielerinnen, gegen die man schon oft gespielt hat. Doch nie zusammen in einer Mannschaft, von daher ist es schön, mit diesen Spielerinnen auch einmal gemeinsam in einem Team zu stehen.“

Für den Welthandballer des Jahres 2004 und heutigen Handball-Torwarttrainer Henning Fritz spielten persönliche Bindungen zu tschechischen und anderen internationalen Spielern eine große Rolle:

„Als ich mit Jan Filip (tschechischer Nationaltrainer, Anm. d. Red.) gesprochen habe, war es für mich keine Frage, die Einladung anzunehmen. Als ich dann auch gesehen habe, wer alles eingeladen ist und wer bereits zugesagt hatte, hat mich das umso mehr begeistert. Und als ich schließlich via Internet die Spielstätte gesehen und erfahren habe, dass wir in einer Tennisarena antreten werden, da gab es für mich erst recht keine Überlegung mehr, um hierher zu kommen und mitzuspielen.“

Alfreð Gíslason  (Foto: Armin Kübelbeck,  CC BY-SA 3.0)
Sowohl als Spieler wie auch Trainer hat Alfred Gislason nicht wenige Sträuße mit tschechischen Mannschaften ausgefochten. Eine Konfrontation hat sich ihm dabei besonders eingeprägt:

„Die tschechoslowakische Männermannschaft war im Trainingslager in Island, und ich absolvierte mein erstes Spiel in der isländischen Junioren-Nationalmannschaft gegen diese Tschechen und Slowaken. Das war zwar nur ein Trainingsspiel, doch ich war leicht schockiert, wie gut die waren. Mit meiner Spielweise habe ich immer wieder versucht, im Duell Mann gegen Mann zu punkten, doch man kam nirgendwo durch. Die Tschechen und Slowaken haben einen Handball gespielt, der einfach Anschauungsunterricht war. Da habe ich sofort gemerkt: ‚Junge, du musst noch sehr viel lernen, wenn du irgendwann international erfolgreich sein willst‘.“

Torfrau Woltering ist die hoffnungsvolle Entwicklung des Frauenhandballs in Tschechien und der Slowakei nicht entgangen:

„Also ich muss sagen, die tschechischen und slowakischen Handballerinnen sind in den letzten Jahren auf jeden Fall auf einem aufsteigenden Ast. Es ist daher immer gefährlich, gegen solche Mannschaften zu spielen. Aber es freut mich besonders, wenn solch eine Tradition, die man hierzulande hat, dann langsam wieder auflebt. Und ich freue mich ebenso, das tschechische Team bei der WM im Dezember bei uns in Deutschland begrüßen zu können. Das ist schön.“

Clara Woltering: „Die tschechischen und slowakischen Handballerinnen sind in den letzten Jahren auf jeden Fall auf einem aufsteigenden Ast. Es freut mich besonders, wenn solch eine Tradition, die man hierzulande hat, dann langsam wieder auflebt.“

Torwart-Legende Henning Fritz hat fast ausschließlich gute Erfahrungen mit tschechischen Spielern gemacht. Vor allem, wenn sie seine Teamkollegen waren.

„Das ist sehr angenehm. Mit Jan Filip habe ich eine Zeitlang bei den Rhein-Neckar Löwen zusammengespielt, wir kannten uns auch schon zuvor aus der Bundesliga. Dann ist da natürlich Filip Jícha zu nennen, ein sehr guter Handballer, den ich jahrelang zum Gegner hatte. Also von den Tschechen kann man sagen, sie sind alle sehr gut ausgebildet. Ich erinnere mich zudem an einen sehr guten tschechischen Spieler aus meiner Anfangszeit. Es war Petr Házl, der zwar – soweit ich das beurteilen kann – fast nur in der zweiten deutschen Liga gespielt hat, für mich aber trotzdem ein Weltklassemann war. Ich hätte ihn gern öfter in der ersten Liga gesehen, weil er ein überragender Mittelmann war mit einer phantastischen Übersicht, großem Spielverständnis und einem guten Schlagwurf. Ich kann nur wiederholen: Die Tschechen sind sehr gut ausgebildete Spieler, und ich hoffe, dass wir Tschechien in den nächsten Jahren auch wieder bei den großen Turnieren sehen werden.“

Clara Woltering  (Foto: Armin Kübelbeck,  CC BY-SA 3.0)
Das ist schon bei der EM 2018 in Kroatien der Fall, für die sich die tschechische Nationalmannschaft qualifiziert hat. Nicht weit davon entfernt, im kleinen Balkanstaat Montenegro, hat Clara Woltering ihr Glück versucht. Mit Erfolg, denn als Spielerin des Vereins ŽRK Budućnost Podgorica gewann sie vier Mal die montenegrinische Meisterschaft, vier Mal den montenegrinischen Pokal sowie zwei Mal die EHF Champions League. Es war eine Station in ihrer Karriere, die sie auf keinen Fall missen will:

„Ich wollte unbedingt einmal Champions League spielen. Ja, und dann in solch einem starken Team aufgenommen zu werden, spielen zu dürfen und auch gleich im ersten Anlauf den Titel zu holen, das war natürlich unglaublich. Auch bezüglich der Mentalität in Montenegro, damit bin ich super klargekommen. Das ist etwas ganz anderes, als in Deutschland zu spielen. In Deutschland gibt es weit vorneweg nur Fußball, dann kommt irgendwann der Männerhandball und viel weiter hinten erst Frauenhandball. Das ist in Montenegro natürlich ganz anders.“

Alfred Gislason hat seine größten Erfolge als Trainer vorzuweisen. Allein mit dem THW Kiel holte er sechs Mal die deutsche Meisterschaft und wurde fünf Mal deutscher Pokalsieger. Dabei konnte er sich mehrere Jahre auf die Dienste von Filip Jícha stützen. Auf den tschechischen Welthandballer des Jahres 2010 hält Gislason große Stücke:

Henning Fritz: „Von den Tschechen kann man sagen, dass sie alle sehr gut ausgebildet sind. Von daher hoffe ich, dass wir Tschechien in den nächsten Jahren auch wieder bei den großen Turnieren sehen werden.“

„Filip ist mit Sicherheit einer der komplettesten Spieler der zurückliegenden zehn, wenn nicht gar 20 Jahre. Filip kann einfach alles: Er war stets überragend nicht nur als Torschütze im Angriff, sondern ebenso als Anspieler und im Spiel Mann gegen Mann. Meiner Meinung nach gibt es in den letzten zehn Jahren nur zwei Spieler, die in Abgriff wie Abwehr gleichermaßen komplett sind, und das sind Filip Jícha und Nikola Karabatić.“

Auch Henning Fritz zollt Jícha noch heute den allerhöchsten Respekt:

„Ein Mann mit seinen Qualitäten von Größe bis Sprungkraft, der stand im Angriff oft alleine vor dem Tor, weil er über die Abwehr herübergesprungen ist. Also gegen ihn war es nie angenehm zu spielen, denn immer dann, wenn er die gegnerische Abwehr durchbrochen hatte, zeigte er sein ganzes Wurfrepertoire von Hüft- bis Trickwürfen. Er war sehr variabel und flexibel. Deswegen war es nie einfach, gegen ihn zu spielen.“

Filip Jícha  (Foto: ČTK)
Doch was sagt der Hochgelobte selbst dazu? Der 35-jährige Jícha spielt seit 2015 für den spanischen Rekordmeister und neunfachen Champions-League-Sieger FC Barcelona. Für die Veranstaltung „Hvězdy pro legendy“ ließ Jícha seine zahlreichen internationalen Kontakte spielen und hatte so auch erheblichen Anteil daran, dass neben ihm noch viele weitere Weltstars nach Prag gekommen sind. Doch gerade das war für Jícha eine Herzensangelegenheit:

„Es ist mir ein Bedürfnis, diesen Spielern, die solange meine Familie waren, auch zu zeigen, wo ich eigentlich herkomme. Dabei kann ich ihnen ebenso offenbaren, was wir hierzulande gern trinken, nämlich ausgezeichnetes Bier und nicht nur Spezi, Radler oder andere Mixgetränke. Ja, das ist wirklich etwas speziell für mich. Und als ein sehr stolzen tschechischen Bürger freut es mich sehr, dass ich eine solche Kompetenz im Welthandball hier in Prag begrüßen darf.“

Autor: Lothar Martin
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