Turin 2006: Vier Medaillen für Tschechien - Neumannova krönt Karriere mit Olympiagold

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Am Sonntag kurz nach 22 Uhr ist die olympische Flamme in Turin erloschen. Die XX. Olympischen Winterspiele gehören damit bereits wieder der Vergangenheit an. Lothar Martin aber wird nun noch einmal im Zeitraffer aufarbeiten, wie sich die tschechische Vertretung bei der Olympiade geschlagen hat. Dazu gilt es zunächst voranzustellen: In Turin waren 83 tschechische Olympioniken in sieben Sportarten und 13 Disziplinen am Start. Dieses Aufgebot war das größte, das die Tschechische Republik bei Winterspielen je vertreten hat. Aber war es auch erfolgreich? Hören Sie dazu:

Die Tops und Flops der tschechischen Sportwoche

Lukas Bauer  (Foto: CTK)
In Turin erkämpfte die Tschechische Republik einmal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze. Das reichte am Ende für den 15. Platz im Medaillenspiegel. Allein drei dieser Medaillen steuerten die Skilangläufer bei. Lukas Bauer gewann die silberne über 15 km im klassischen Stil. Die letzten Meter auf der schweren, weil mit Neuschnee gepuderten Strecke schilderte der 28-Jährige nach dem Rennen so:

"300 Meter vor dem Ziel, als ich an den Zuschauertribünen vorbeilief, nahm ich nur noch die lautstarken Anfeuerungen der tschechischen Fans wahr und wollte so schnell wie möglich die Ziellinie erreichen. Als ich sie passiert hatte, ging mein Blick gleich zur Anzeigetafel, wo ich sah, dass ich auf einem Medaillenrang liege. Als dann auch Angerer im Ziel war, wusste ich, dass es Silber geworden ist, und das ist super."

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Mindestens Silber wollten auch die tschechischen Eishockeycracks gewinnen, denn das hätte bedeutet, dass sie im Finale gestanden hätten. Aber sie mussten schon einen Tag früher ran, als im Palasport Olimpico das Spiel um den dritten Platz ausgetragen wurde. In diesem bezwangen sie die russische Mannschaft mit 3:0 und holten Bronze. Nach dem Olympiasieg 1998 in Nagano wurde es also wieder eine Medaille, allerdings eine, die mit mehr oder weniger nicht berauschenden Leistungen errungen wurde. Chefcoach Alois Hadamczik wollte sich deswegen jedoch nicht die Freude über das Edelmetall trüben lassen:

"Ich schaue nicht darauf, ob wir gut oder schlecht gespielt haben, für mich ist maßgebend, dass wir eine Medaille erobert haben. Ich bin außerdem überzeugt davon, dass jeder Einzelne im Team versucht hat, sein Maximum zu geben, aber es gibt Tage, an denen es nicht so läuft. Es ist nur schade, dass wir im Halbfinale gegen Schweden nicht wie gewohnt verteidigt haben. Aber ich wiederhole es noch einmal: Eine Medaille bei Olympischen Spielen zu erkämpfen, das ist nicht so einfach."

Jakub Janda  (Foto: CTK)
Mit einer Olympiamedaille hatte auch Jakub Janda geliebäugelt. Tschechiens derzeit bester Skispringer, der noch Anfang Januar als einer von zwei Gesamtsiegern der populären Vierschanzentournee gefeiert wurde, galt als Führender der Weltcupwertung als einer der Mitfavoriten für die Sprungläufe von der Normal- und Großschanze. Doch in diesen Konkurrenzen kam er über den für ihn und seine Fans enttäuschenden 13. bzw. 10. Platz nicht hinaus. Als einer der Gründe für seinen Formrückgang wurde im Vorfeld der Olympiade immer wieder die Tatsache genannt, dass sich der Stab um Auswahltrainer Vasja Bajc und Jandas Management arg zerstritten hätten. Doch nach seinem Scheitern in Turin nannte Janda noch andere Gründe:

"Die Tage nach der Vierschanzentournee waren für mich eine insgesamt schlechte Zeit. Sowohl physisch als psychisch, denn der Druck, der auf mich einwirkte, kam von allen Seiten. Ich habe mich nur schwer davon befreien können."

Befreiter wollten eigentlich auch die tschechischen Biathletinnen und Biathleten auftrumpfen. Doch während bei den Männern durch Zdenek Vitek im Sprintwettbewerb immerhin noch ein 11. Rang als beste Platzierung heraussprang, war das bei den Frauen erst der 24. Platz durch Katerina Holubcova im Verfolgungsrennen über 10 km. Auch Ex-Weltmeister Roman Dostal blieb mit seinen Ergebnissen in den Einzelkonkurrenzen - den Rängen 23, 30, 31 und 44 - weit hinter den Erwartungen zurück. Daher war er ziemlich froh, dass ihm mit seinen Teamgefährten Moravec, Vitek und Slesingr in der Staffelentscheidung wenigstens ein beachtlicher sechster Platz gelang:

Martina Sablikova  (Foto: CTK)
"Ich wollte eigentlich unter den besten 15 und zumindest einmal unter den ersten Zehn landen, aber das gelang mir nicht. Gott sei Dank ist es in der Staffel dann ganz gut gelaufen. Ich denke, dass wir dort sogar um eine Medaille mitgekämpft haben und so nah wie lange nicht an ihr dran waren. Sicher hatten wir am Ende eine halbe Minute Rückstand, aber das ist im Biathlon gar nichts. Aber in den Einzelrennen ist es nicht nach meinen Vorstellungen gelaufen."

Das Gleiche durften nach ihren Wettbewerben sicher auch die Nordisch Kombinierten, die Freestyl-Skiakrobaten, die Snowboarder und die Alpinen Skiläufer von sich behaupten. Letztere mit Ausnahme von Ondrej Bank, der in der Alpinen Kombination der Herren einen hervorragenden sechsten Platz belegte. Und zu berechtigten Hoffnungen auf die Zukunft geben auch die Ergebnisse von Eisschnellläuferin Martina Sablikova und Short-Track-Spezialistin Katerina Novotna Anlass. Die erst 18-jährige Sablikova schrammte dabei mit Platz vier über die 5000-m-Distanz nur haarscharf an einer Medaille vorbei. Und das, obwohl sie in dieser Konkurrenz mit 7:01,38 min einen neuen Junioren-Weltrekord in Turin aufstellte.

Die SPORT- Reportage

Katerina Neumannova  (Foto: CTK)
Wenn der Vorsitzende des Tschechischen Olympischen Komitees (COV), Milan Jirasek, in seinem Resümee letztlich von einem erfolgreichen Abschneiden der tschechischen Aktiven sprach, dann vor allem deshalb, weil er unter den 20 weiblichen Teilnehmerinnen auch auf diese Dame zurückgreifen konnte: Katerina Neumannova. Die während der Spiele 33 Jahre alt gewordene Skilangläuferin eroberte über die 30-km-Strecke ihre erste olympische Goldmedaille und holte sich im Skiathlon die Silberplakette. Mit dieser Ausbeute avancierte sie neben der Estin Kristina Smigun, die zweimal Gold gewann, zur Königin der Olympialoipe. Und in eine Märchenwelt tauchte man auch ein, als man sie nach dem Olympiasieg nach ihren Gefühlen fragte:

"Einfach unglaublich! Es ist wie im Märchen, vor allem wenn ich daran denke, was diesem Sieg gestern voranging. Dazu das Wetter heute, das ist wie in einem Traum, aus dem ich hoffentlich nicht aufwachen werde."

Tatsächlich schien Katerina Neumannova auch vor ihrem letzten großen Olympiaauftritt wieder einmal Pech zu haben, denn das, was ihrem späteren Sieg vorausging, waren Halsschmerzen, die sie sich nur einen Tag zuvor zugezogen hatte. Doch mit Hilfe des wegen seiner Künste geschätzten Physiotherapeuten Pavel Kolar konnten diese noch kurz vor dem Start weitgehend unterbunden werden.

Katerina Neumannova mit der Medaille  (Foto: CTK)
"Er hat mich noch zirka eine Viertelstunde lang mit Akupunktur-Nadeln behandelt. Damit ist es auch wirklich gelungen, mich von den Halsschmerzen zu befreien. Dann habe ich mir nur noch gesagt: Ich werde es einfach probieren und ohne mich aufzuregen das Rennen angehen. Aber völlig problemlos habe ich es nicht gesehen."

Dementsprechend hatte sie sich ihre Renntaktik zurechtgelegt, die sie so beschrieb:

"Ich habe mich bemüht, immer mit vorn zu laufen, aber nur wenig Führungsarbeit zu leisten, auch weil ich nicht wusste, wie viel Kraft mir die vortägige Erkältung genommen hat. Dass ich diesmal nicht das Tempo gemacht habe, hat sich später ausgezahlt. Andererseits gab es im Rennen zwei Kollisionen, bei denen mir meine Kolleginnen fast vor die Füße gefallen sind. Da hatte ich auch das Glück, das ich heute ein wenig gebraucht habe."

Aber dieses Glück hatte sich Katerina Neumannova in zuvor tadelsfreien 15 Wettkampfjahren auch redlich verdient. So sieht es jedenfalls ihr Trainer, der in seine Lobeshymne auch einen populären Böhmerwald-Schriftsteller einbezog:

"Das ist eine dieser Böhmerwaldgeschichten, die Karel Klostermann geschrieben hat. Und frei nach Klostermann haben wir unsere in wahrhaft goldenen Lettern geschrieben. Der Olympiasieg ist das Absolute und ich gönne ihn ihr von ganzem Herzen. Sie hat ihrem Sport so viel geopfert, das lässt sich hier gar nicht beschreiben."

Unbeschreiblich schön war dann auch die Siegerehrung, bei der Katerina Neumannova der Jubel ihrer unzähligen Fans entgegen brannte:

Autor: Lothar Martin
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