Tschechisches Eishockey weiter auf dem Vormarsch: Weniger Affären und bessere Fans als im Fußball

In unserem heutigen Sportreport erläutert Ihnen Lothar Martin, warum das Eishockey in Tschechien dem Fußball mehr und mehr den Rang als Publikumssportart Nummer eins abläuft.

Das tschechische Eishockey hat national wie international einen sehr guten Ruf. Nicht zuletzt dank des diesjährigen Triumphs bei der Weltmeisterschaft in Österreich stehen die Cracks aus dem Herzland Europas wieder hoch im Kurs. Das findet besonders in der weltbesten Spielklasse, der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) seinen Niederschlag. Denn nachdem die NHL ihren unsäglichen Tarifstreit, der die gesamte letzte Saison zunichte machte, beigelegt hatte, ist sie mit frischem Wind und einem neuen progressiven Regelwerk in die laufende Saison gegangen. Und mit ihr auch wieder über 60 Tschechen, die zumeist zu den NHL-Clubs zurückkehrten, bei denen sie vor dem Lockout unter Vertrag standen. Oder aber man hat sie gleich im Paket so hinzugekauft, dass sie mit ihrem Können einigen jahrelang in ihren Leistungen stagnierenden Mannschaften neues Leben einhauchen. Zum Beispiel in New York bei den Rangers, wo in dieser Saison neben Superstar Jaromir Jagr mit Marek Malik, Petr Prucha, Michal Rozsival, Martin Rucinsky und Martin Straka noch weitere fünf Tschechen der Hartgummischeibe nachjagen. Und das mit beachtlichem Erfolg, denn die Rangers liegen nach gut einem Drittel der Punktspiele in der NHL auf dem ersten Platz ihrer Atlantik-Division. Daher traf Auswahltrainer Alois Hadamczik bei seiner jüngst durchgeführten Inspektionsreise durch Nordamerika, bei der er einen Großteil seiner Kandidaten für das tschechische Eishockey-Olympiateam unter die Lupe nahm, auch eine wunderbare Atmosphäre in der Kabine der New Yorker an:

"In der Kabine der Rangers kam ich mir vor wie nach einem Eishockeyspiel in Kladno, denn in ihr herrschte eine wirklich tolle Stimmung. Und etwas verwundert musste ich gar feststellen, dass die englische Sprache etwas im Hintergrund blieb, weil die Tschechen, die wirklich sehr gut spielen, auch in der Kabine den Ton angeben. Sie haben in der Tat einen guten Lauf. Und das nicht zuletzt deshalb, weil Jagr so überragend spielt wie in der zurückliegenden Saison bei uns, ist auch das Selbstvertrauen bei den anderen gestiegen. Ich denke, dass das der Hauptgrund ist, weshalb die tschechischen Cracks so gut spielen."

Jaromir Jagr, der erneut an seine Glanzzeiten anknüpft und der mittlerweile wieder die Scorerwertung in der NHL anführt, ist derzeit auch ein ganz heißer Siegkandidat bei der Wahl zum Tschechischen Sportler des Jahres. Und die Eishockey-Nationalmannschaft ist es bei der Wahl zur besten Mannschaft des Landes sowieso. Den tschechischen Topcracks kommen bei den Punktspielen in der NHL nunmehr aber auch die neuen Regeln zugute, dank derer technisch versierte Akteure besser vor den Attacken der Kontrahenten geschützt werden. Denn nahezu jeder Einsatz des Stockes, der nicht dem Puck gilt, wird inzwischen als Foul gepfiffen und mit einer Zwei-Minuten-Strafe geahndet. Kein Wunder also, dass Hadamczik diese Änderung des Regelwerks begrüßt:

"Wir sollten diese Änderung gleich zweimal begrüßen, denn das tschechische Eishockey basiert seit jeher auf einer guten Technik, einem präzisen Passspiel und der Fähigkeit, sehr gut Schlittschuh zu laufen. Das bedeutet, dass jene Spieler, die auf dem Eis brillieren können, nun auch in der Lage sind, ein noch weitaus attraktiveres Eishockey als bisher zu präsentieren."

Das ist in der diesjährigen NHL-Saison in der Tat der Fall, denn die neuen Regeln haben aufgrund der häufiger gewordenen Strafzeiten auch dazu geführt, dass wesentlich mehr Tore fallen als zuletzt. Und Tore wollen die Zuschauer der attraktivsten Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball und Eishockey in erster Linie sehen. Nicht unbedingt aber eine solche Szene, wie sie sich in der Begegnung zwischen Detroit und Nashville abgespielt hat, als der tschechische Verteidiger Jiri Fischer nach einer Herzattacke auf einmal zusammenklappte, bewusstlos war und daher künstlich beatmet werden musste. Auch bei dieser Partie war Hadamczik zusammen mit Zbynek Kusy, dem Manager des tschechischen Nationalteams, zugegen:

"Ein Schatten unserer Beobachtungsreise war selbstverständlich das Spiel, in dem das Unglück mit Jiri Fischer passiert ist. Das war ein sehr unangenehmes Spiel. Zunächst wussten wir nicht, welcher Spieler da am Boden lag. Doch als man die Nummer zwei von Jiri Fischer bekannt gab, hatten auch wir ca. 40 bange Minuten zu überstehen, bis die Nachricht kam, dass er atmet und außer Lebensgefahr ist. Das war für uns eine echte Erleichterung. Wie sein Gesundheitszustand jetzt ist, das müsste man feststellen, aber ganz offensichtlich ist er nicht optimal."

Mit seiner letzten Aussage knüpfte Hadamczik, der drei Tage nach dem Zwischenfall mit Fischer sprechen konnte, an die letzte Nachricht an, die dies besagte: Fischer wird nach dem ersten Gesundheitscheck, bei dem man nichts Ernsthaftes finden konnte, mit erneuten Herzproblemen in einem Detroiter Krankenhaus behandelt. Mit dieser etwas ausführlicheren Schilderung zum Gesundheitszustand des Spielers Jiri Fischer sind wird gern einer entsprechenden Anfrage unseres Hörers Heinrich Wurzer aus Winklern in Österreich nachgekommen. Jetzt bleibt uns allen jedoch nur zu wünschen, dass die amerikanischen Ärzte der Ursache dieser Probleme auf die Spur kommen, damit man sie gezielt behandeln kann. Daher gute Besserung, Jiri Fischer!

Aber nicht nur in Nordamerika macht das tschechische Eishockey in diesen Tagen von sich reden. Auch in Tschechien selbst ist man bestrebt, diese Sportart für die Fans noch attraktiver zu machen. Dazu haben die vier größten Sponsoren der einheimischen Extraliga, die Brauerei Budweiser Budvar, die Versicherung Ceska pojistovna, die Telekommunikationsgesellschaft Cesky Telecom und die Totogesellschaft Tipsport ein gemeinsames Projekt mit dem Namen "Jde se na hokej" (Man geht zum Eishockey) aus der Taufe gehoben. Dieses Projekt besteht aus mehreren Bestandteilen. Zum Beispiel einer von den Fans durchgeführten Wahl nach ihrem "sympathischsten Spieler", oder von großen Verkaufsaktionen in den Warenhäusern der Ligastandorte, bei denen vor allem Eishockeyartikel angeboten werden und die Spieler der ortsansässigen Clubs auch Autogrammstunden geben. Und nicht zuletzt hat dieses Projekt auch einen karitativen Zweck, bei dem die Zuschauerzahl bei den Punktspielen eine bedeutende Rolle spielt. Denn seit dem 30. Spieltag, der am vergangenen Sonntag über die Bühne ging, wird bei jeder Ligabegegnung jeweils eine Krone pro Zuschauer von den Sponsoren dazugezahlt. Am Ende der Saison wird dann der Gesamtbetrag je Ligaverein an Kinderhäuser abgeführt. Zu dieser Aktion sagte der Direktor für äußere Beziehungen der Totogesellschaft Tipsport, Lubomir Jezek, gegenüber Radio Prag:

"Das karitative Anliegen, das wir verfolgen, ist sicher eine ausgezeichnete Sache, wie sie im westlichen Ausland schon zur Normalität gehört, bei uns aber noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn wir allerdings anhand dieses Prinzips und der Zuschauerzahlen der vergangenen Saison zwei Millionen Kronen für diesen Zweck einnehmen sollten, dann - so denke ich - ist das eine Unterstützung, die den Kindern sehr, sehr gelegen kommt."

Und auf unsere Frage, weshalb sein Unternehmen gerade den Eishockeysport in Tschechien unterstütze, gab uns Jezek u.a. diesen interessanten Aspekt zu verstehen:

"Wir als Firma Tipsport nehmen das Eishockey insgesamt als einen weitaus saubereren Sport wahr, als es der Fußball ist. Im Eishockey gibt es längst nicht so viele Affären wie im Fußball. Darüber hinaus werden die Eishockeyanhänger allen Umfragen zufolge als netter, weil weniger aggressiv als die Fußballfans eingestuft. Den Umfragen nach sind die Anhänger des Spiels mit der Hartgummischeibe zudem gebildeter als die Fans des runden Leders. Also etwas intelligenter, ohne den Fußballfans damit zu nahe treten zu wollen. Eishockey ist des Weiteren ein körperbetonter attraktiver Sport. Das bedeutet, er ist für unsere Firma klar die Nummer eins sowie ein Sport, bei dem es Sinn macht, ihn zu unterstützen."

Bei einer solchen Unterstützung und einem solchen Engagement wird das tschechische Eishockey wohl auch in Zukunft eine prägende Rolle im nationalen wie internationalen Maßstab spielen.

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen