Tschechiens Rennkanuten holen sechs Medaillen bei der Heim-WM

Martin Fuksa, Josef Dostál (Foto: ČTK)

Ein sportlicher Höhepunkt der zurückliegenden Tage in Tschechien war die Weltmeisterschaft im Kanurennsport. Sie wurde nahe der Elbe im kleinen mittelböhmischen Ort Račice ausgetragen. Für ihre Heim-WM hatten sich die Tschechen einiges vorgenommen. Viele ihrer Ambitionen haben sie dann auch umgesetzt.

Martin Fuksa,  Josef Dostál  (Foto: ČTK)
Im Kanurennsport hat Tschechien schon einige Erfolge vorzuweisen. Erinnert sei nur an den zweifachen Olympiasieger von 1996, Martin Doktor. Der mittlerweile 43 Jährige hat vor 21 Jahren in Atlanta die beiden kraftraubenden Konkurrenzen im Einer-Canadier über 500 Meter und 1000 Meter gewonnen. Heute arbeitet Doktor auf Funktionärsebene, seit 2012 ist er Sportdirektor des Tschechischen Olympischen Komitees.

Trotz der Erfolge von Doktor und anderer hat es 59 Jahre lang gedauert, bis eine Weltmeisterschaft in dieser Sportart erneut in Tschechien stattgefunden hat. Sie wurde von Mittwoch bis Sonntag vergangener Woche im mittelböhmischen Račice ausgetragen. Doch als so richtig weltmeisterlich empfunden wurden eigentlich nur die finalen Renntage am Samstag und Sonntag. Das meinte jedenfalls die deutsche Silbermedaillengewinnerin Tina Dietze, als sie nach dem Finalrennen im Zweier-Kajak der Frauen zu den Zuschauern befragt wurde:

„Die Stimmung hier ist auf jeden Fall noch sehr gut geworden. Am Donnerstag war ja wirklich noch fast gar nichts los. Da habe ich beim Vorlauf noch nicht gefühlt, als ob hier gerade ein WM-Vorlauf im K2 bestritten wird. Doch heute hört man die Zuschauer schon oben am Start. Das ist ein so bisschen ein Heim feeling hier.“

Tom Liebscher: „Hinten heraus hat mir die große Unterstützung der Fans, die aus Deutschlands hier vor Ort sind, sehr geholfen. Ich glaube, es war ein gutes Rennen zum Ansehen, das ist auch wichtig für die Fans.“

Die unterschiedliche Resonanz zu den Vor- und Zwischenläufen im Vergleich zu den Finalrennen lag aber nicht nur daran, dass Sportveranstaltungen am Wochenende grundsätzlich besser besucht sind. Auch das allgegenwärtige WM-Plakat hatte wohl einen gewissen Anteil daran. Auf ihm prangten die Konterfeis der beiden großen Medaillenhoffnungen der Gastgeber: Martin Fuksa (links) und Josef Dostál (rechts). Der 24-jährige Dostál hatte zudem angekündigt, er wolle im Einer-Kajak sowohl über 500 als auch 1000 Meter Weltmeister werden. Von daher wurden die beiden Finaltage mit größter Spannung erwartet.

Am Samstag, als in beiden Einer-Disziplinen die längere Distanz über den Kilometer auf dem Programm stand, musste zunächst Dostál ran. Der Prager führte das Feld auch lange an, doch dann kamen die letzten 200 Meter. Mit einem furiosen Endspurt hatte Tom Liebscher sowohl Dostál, der am Ende Dritter wurde, als auch den Portugiesen Fernando Pimenta tatsächlich noch überholt. Das kam einer Sensation gleich, entsprechend groß war dann auch die Freude bei dem Dresdner:

Tom Liebscher  (Foto: ČTK)
„Nach den letzten Rennen hatte ich eventuell mit einer Medaille geliebäugelt. Dass es dann so gut läuft, habe ich erst im Rennen gemerkt. So bei der Hälfte der Strecke habe ich gespürt, ich hab noch Körner, da ist etwas drin, zumal einige Kontrahenten schon hinterher fuhren. Und hinten heraus hat mir die große Unterstützung der Fans, die aus Deutschlands hier vor Ort sind, sehr geholfen. Ich glaube, es war ein gutes Rennen zum Ansehen, das ist auch wichtig für die Fans. Es hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht.“

Von Liebschers überglücklichem Trainer war zu erfahren, dass das Finish eine große Stärke seines Schützlings sei. Der 24-Jährige selbst hatte dagegen zunächst noch leise Zweifel, ob er damit auch diesmal erfolgreich war:

„Das war ja nicht mal 110 Prozent, da habe ich schon stärkere Finishs geboten. Aber ich habe gemerkt, oha, der Tscheche bricht langsam ein, und weiter drüben müsste auch noch einer sein. Den Portugiesen aber habe ich nicht gesehen, ich dachte, dass er weiter vorn ist. Von daher hätte ich es auf den letzten Metern fast versaubeutelt, weil ich nicht voll durchgezogen habe. Aber so bin ich natürlich umso glücklicher.“

Martin Fuksa: „Ich sehe das nicht als eine persönliche Rivalität zwischen mir und ihm. Brendel ist ein Superstar, und ich versuche stets, es mit ihm aufzunehmen. Und daraus ziehe ich auch meine Motivation für die Zukunft.“

Lokalmatador Josef Dostál indes räumte ein, dass zwei seiner Gegner in diesem Rennen einfach besser waren:

„Nach der Hälfte der Strecke dachte ich schon: Das ist heute das Rennen meines Lebens. Das lief in etwa genauso gut wie vor drei Jahren in Moskau, als ich Weltmeister wurde. Ich fühlte mich da fast nicht zu stoppen, doch meine Siegeszuversicht schwand zusehends auf den letzten 250 Metern. Da fuhren der Portugiese Pimenta und der Deutsche Liebscher an mir vorbei. Das ist mein wohl schlechtestes Ergebnis der letzten Jahre. Von daher bin ich schon ein wenig enttäuscht.“

Während Dostál noch seine Wunden leckte, lieferten sich sein Landsmann Fuksa und der Deutsche Sebastian Brendel ein noch engeres Duell im Einer-Canadier-Finale. Martin Fuksa versuchte im Finish wirklich alles, doch gegen den dreifachen Olympiasieger Brendel zog er einmal mehr den Kürzeren. Der zweite Platz war für den ebenfalls 24-Jährigen dennoch alles andere als eine Niederlage:

„Ich sehe das nicht als eine persönliche Rivalität zwischen mir und ihm. Brendel ist ein Superstar, und ich versuche stets, es mit ihm aufzunehmen. Doch manchmal kann man machen, was man will, man kommt einfach nicht an ihm vorbei. Ich werde es aber weiter versuchen, und daraus ziehe ich auch meine Motivation für die Zukunft.“

Sebastian Brendel  (Foto: ČTK)
Fuksa bewies allergrößten Respekt vor Brendel, der in Račice seine WM-Titel sechs bis acht gewann. Der 29-jährige Potsdamer gab dieses Kompliment jedoch gern zurück:

„Ich habe auch großen Respekt vor ihm, vor allem, wenn wir beide am Start stehen. Er ist ein toller Athlet. Am Ende des Tages aber ist es ein Kampf ´Mann gegen Mann´ und der stärkere gewinnt. Bei den Weltcups hatte er zwei Mal das bessere Ende für sich. Aber bei der EM und jetzt hier in Račice habe ich ihn geschlagen, und das ist natürlich ein tolles Gefühl.“

Wie Liebscher wurde auch Brendel von Mitgliedern seiner Familie und vielen angereisten Fans aus dem nahen Deutschland bejubelt. Zwei von ihnen hatten dann auch den Hauptanteil daran, dass Brendel bei der Siegerehrung noch eine große Geste zeigte: Er setzte Fuksa und dem drittplatzierten Brasilianer Queiroz dos Santos jeweils eine aus goldener Pappe angefertigte Krone auf. Dazu sagte er vor unserem Mikrofon:

Sebastian Brendel: „Ich habe auch großen Respekt vor Martin Fuksa, vor allem, wenn wir beide am Start stehen. Er ist ein toller Athlet. Am Ende des Tages aber ist es ein Kampf ´Mann gegen Mann´ und der stärkere gewinnt.“

„Meine Schwiegereltern haben diese Kronen vorbereitet. Ich habe sie im Publikum gesehen, und so habe ich die Kronen dann den beiden neben mir auf dem Podium aufgesetzt. Das ist natürlich ein Zeichen meiner Anerkennung an die Beiden. Sie sind tolle Athleten und haben eine tolle Leistung abgeliefert. Ich freue mich auch in Zukunft auf viele weitere Rennen gegen sie.“

Gemeinsam mit den Ungarn geben die Deutschen seit Jahr und Tag im Kanurennsport den Ton an. Wie sehr man sie als starke Konkurrenten respektiert und fürchtet, davon zeugt auch der Kommentar des Tschechen Daniel Havel. Mit seinem Partner Jakub Špicar hatte er am Samstag etwas überraschend die Bronzemedaille im Zweier-Kajak über 1000 Meter gewonnen. Und das, obwohl beide auf der ungeliebten Außenbahn, weitab von den Zuschauern, starten mussten:

„Ich denke, wenn wir auf einer Bahn neben den Deutschen oder den Serben ins Rennen gegangen wären, dann hätten wir diesen Platz sicher nicht belegt. Diese Gegner hätten uns bestimmt den Nerv gezogen, wenn sie dann vor uns gefahren wären. So aber haben wir außen davon nichts mitbekommen, sondern haben uns voll auf uns konzentriert.“

Jakub Špicar,  Daniel Havel  (Foto: ČTK)
Am zweiten Finaltag wurden Josef Dostál und Martin Fuksa schließlich für ihren Kampfgeist und nimmermüden Einsatz noch reich belohnt: Die beiden tschechischen Vorzeigekanuten gewannen in ihrer Bootsklasse jeweils den Weltmeistertitel über 500 Meter. Zusammen mit dem dritten Platz des Vierer-Kajak auf der gleichen Distanz konnten die Gastgeber somit sechs Medaillen gewinnen: Zweimal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze. Ohne die Rennen auf der abschließenden 5000-Meter-Strecke ist dies der vierte Rang in der Medaillenwertung. In der ewigen Medaillenwertung aller Weltmeisterschaften liegt Tschechien (inklusive Tschechoslowakei) mit nunmehr 17 WM-Titeln weiter auf dem elften Platz. An der Spitze aber thronen zwei Nationen uneinholbar: Deutschland (inklusive DDR) und Ungarn. Beide Länder haben einschließlich Račice bereits über 200 Mal WM-Gold gescheffelt.

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen