Sportjahr 2017: Krpálek startet im Schwergewicht – sechs Highlights in Tschechien

Lukáš Krpálek (Foto: YouTube Kanal Olympic)

Das Jahr 2016 ist seit zwei Tagen vorüber. Aus der Sicht des Sports war es ein großes Jahr, denn es war gespickt mit Höhepunkten wie den Olympischen Spielen in Rio oder der Fußball-EM in Frankreich. Deshalb wollen wir heute noch einmal zurückblicken auf die Erfolge und Enttäuschungen tschechischer Sportler in 2016. Zugleich aber schauen wir nach vorne auf die Wettkämpfe, auf die sich die Sportfans in diesem Jahr freuen können.

Lukáš Krpálek - Elmar Gasimow  (Foto: YouTube Kanal Olympic)
Von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro sind die tschechischen Sportler mit zehn Medaillen im Gepäck zurückgekehrt. Sieben davon glänzten bronzen, zwei silbern und eine golden. Der goldene Auftritt ereignete sich ausgerechnet in einer Sportart, in der zuvor weder tschechische noch tschechoslowakische Athleten bei Olympia etwas gewonnen hatten: im Judo. Den entscheidenden Moment im Finale des Halbschwergewichts zwischen Lukáš Krpálek und dem favorisierten Aserbaidschaner Elmar Gasimow erlebte der Kommentator des Tschechischen Fernsehens sehr emotional (hören Sie die Audio-Version).

Lukáš Krpálek  (Foto: YouTube Kanal Olympic)
In seinem Kommentar erläutert der Fernsehmann, dass Krpálek mit dem Wurf O-uchi-gari erfolgreich war, und das nur 24 Sekunden vor Ende der offiziellen Wettkampfzeit. Danach kannte der Jubel bei dem 25-jährigen Judoka keine Grenzen, denn er hatte sich einen Traum erfüllt:

„Ich bin überaus glücklich, dass ich Olympiasieger geworden bin, denn so etwas passiert nun wirklich nicht alle Tage. Es ist ein wunderbares Gefühl, das ich jetzt lange Zeit genießen werde. Auch wenn ich sagen muss, dass ich das alles noch gar nicht so recht wahrhaben kann. Das werde ich wohl erst nach einiger Zeit realisieren.“

Lukáš Krpálek: „Für mich am wichtigsten wird die Weltmeisterschaft in Budapest, auf die ich mich maximal vorbereiten werde. Vor allem wegen der Zuschauer.“

Das hat der Judoka aus Jihlava / Iglau aber mittlerweile, zumal ihm der große Erfolg von Rio noch viel weitere Ehre und Anerkennung einbrachte. Kurz vor Weihnachten wurde er von den Sportjournalisten des Landes zu Tschechiens „Sportler des Jahres“ gewählt. Das war auch für ihn die beste Gelegenheit, nochmal auf das Jahr zurückzublicken. In mehreren Gesprächen bestätigte er, dass 2016 für ihn absolut super gelaufen sei. Denn neben dem Olympiasieg durfte er sich über die Geburt seines ersten Kindes freuen – Sohn Antonín ist im Juli zur Welt gekommen. In Rio wurde ihm zudem die Ehre zuteil, bei der olympischen Eröffnungsfeier als Fahnenträger der tschechischen Mannschaft in das Stadion einzumarschieren. Jetzt aber richtet der Wahl-Prager seinen Blick bereits nach vorn auf die Saison 2017:

„Für mich am wichtigsten wird die Weltmeisterschaft in Budapest, auf die ich mich maximal vorbereiten werde. Vor allem wegen der Zuschauer. Denn ich erinnere mich lebhaft an die Europameisterschaft im Jahr 2013, die auch in Budapest stattfand. Ich wurde dort von so vielen tschechischen Fans unterstützt, dass ich mich wie zu Hause gefühlt habe. Die EM habe ich schließlich gewonnen.“

In Budapest wird Krpálek indes nicht mehr in seiner bisherigen Gewichtsklasse antreten, sondern im Schwergewicht. Der Wechsel in die höhere Klasse habe auch mit einem früheren Erfolg zu tun, begründet der Judoka:

Lukáš Krpálek wurde als Sportler des Jahres geehrt  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Es wäre für mich sehr viel schwerer, wenn ich erneut in meiner Gewichtsklasse von unter 100 Kilogramm antreten müsste. Das habe ich nach meinem WM-Sieg im Jahr 2014 erfahren müssen. Denn überall, wo ich danach gekämpft habe, wurde ich als Weltmeister angekündigt. Und das hat mich psychisch sehr belastet.“

Sehr entspannt reagierte Krpálek hingegen auf die Frage, wen er denn zum Sportler des Jahres gekürt hätte, wenn er die Wahl gehabt hätte:

Josef Dostál  (Foto: Iva Roháčková,  Archiv des tschechischen Verteidigungsministeriums)
„Ganz sicher hätte auch Josef Dostál den Titel verdient, denn er hat bei Olympia gleich zwei Medaillen gewonnen. Und das gelingt nicht vielen Sportlern.“

Der Rennkanute aus Prag hat in Rio die Silbermedaille im Einerkajak sowie die Bronzemedaille im Viererkajak geholt, beides jeweils auf der 1000-Meter-Strecke. Das brachte ihm Rang zwei bei der Sportlerwahl ein. So wie Krpálek hatte auch Dostál nach den Spielen viele Termine: Er wurde bis zu dreimal täglich für Autogrammstunden, Treffen mit Sponsoren oder Interviews gebucht. Diese Dinge aber hat er offenbar mit Bravour gemeistert. In einem Interview erklärte Dostál, er könne sich durchaus vorstellen, ähnlich wie Ex-Zehnkampf-Olympiasieger Roman Šebrle eines Tages auch bei den Medien zu arbeiten. Doch dieser Tag sei noch fern, versichert der junge Prager:

Gabriela Koukalová  (Foto: Andreaze,  CC BY-SA 4.0)
„Ich habe hoffentlich noch eine lange Sportler-Karriere vor mir. Ich bin jetzt 23 Jahre. Wenn alles gut läuft und ich von schweren Verletzungen verschont bleibe, kann ich bestimmt auch mit 40 Jahren noch Wettkämpfe bestreiten.“

In diesem Jahr will Dostál zumindest bei einer Veranstaltung unbedingt dabei sein – und zwar bei der Weltmeisterschaft im Kanurennsport, die vom 23. bis 27. August im heimischen Račice stattfindet.

Was es bedeutet, vor eigenem Publikum an den Start zu gehen, das hat jüngst die Drittplatzierte der Sportlerwahl, die Biathletin Gabriela Koukalová erfahren. Vor jeweils 30.000 Zuschauern ging sie beim Weltcup in Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren bei allen drei Wettbewerben an den Start. Beim abschließenden Massenstartrennen der Frauen stürmte sie als Erste ins Ziel, so dass der TV-Reporter erfreut verkünden konnte:

„Es ist geschafft: Gabriela Koukalová gewinnt das Rennen über zwölf Kilometer.“

Gabriela Koukalová: „Egal, wie gut man drauf ist, einmal in Nové Město na Moravě vor diesen phantastischen Fans laufen zu können, ist wohl das Größte, was man erleben kann.“

Dabei hätte nicht viel gefehlt, und die Gesamtweltcup-Siegerin des vergangenen Jahres wäre zur neuen Saison gar nicht mehr angetreten. Die Strapazen der Vorsaison hatten nämlich ihre Spuren hinterlassen bei der Biathletin aus Jablonec nad Nisou / Gablonz. Sie fühlte sich ausgebrannt und dachte schon ans Aufhören. Die Begeisterung der Zuschauer in Nové Město na Moravě aber hat sie wieder neu motiviert:

„Egal, wie gut man drauf ist, einmal hier vor diesen phantastischen Fans laufen zu können, ist wohl das Größte, was man erleben kann.“

Im vergangenen Sportjahr musste man in Tschechien aber ebenfalls so manche Enttäuschung einstecken. Die wohl größte haben die Fußballer den Fans bereitet. Bei der Europameisterschaft in Frankreich schied das tschechische Team sang- und klanglos nach der Gruppenphase aus. Mit nur einem Unentschieden und zwei Niederlagen gehört es zu den großen Verlierern des Turniers. Torwart und Rekordnationalspieler Petr Čech wollte dann auch nichts beschönigen:

Petr Čech | Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk
„Das ist natürlich eine Riesenenttäuschung für uns alle. Wir wussten zwar von Anfang an, dass wir eine sehr schwere Gruppe haben, in der wir in den ersten zwei Begegnungen gleich auf die beiden Gruppenfavoriten treffen. Unser Plan war aber, aus diesen Spielen zumindest einen Punkt zu holen, um dann mit einem Sieg über die Türkei auf vier Punkte zu kommen. Das hätte für den Einzug ins Achtelfinale reichen sollen. Nach dem Remis gegen Kroatien haben wir uns diese Chance auch erarbeitet, doch wir haben das Duell mit der Türkei leider nicht gemeistert.“

Bei der Eishockey-WM in Russland lief es für die tschechischen Cracks zunächst besser. Sie landeten Überraschungssiege gegen die Gastgeber und gegen die Schweden, doch im Viertelfinale scheiterten sie knapp nach Penalty-Schießen an den USA. Somit erreichten sie nur den medaillenlosen fünften Platz. Und auch ihr kleines Pendant, die Floorballer, verpassten die Medaille. Bei der WM in Riga verloren sie das Spiel um Platz drei gegen die Schweiz mit 5:8.

Tschechien gewinnt zum fünften Male in den letzten sechs Jahren den Fed Cup  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Kein großer Erfolg im Mannschaftssport also? Mitnichten! Tschechien hat ja schließlich noch seine überragenden Tennisdamen. Diese schickten sich im November an, einen seltenen Hattrick perfekt zu machen: den dritten Fed-Cup-Sieg in Folge. Anders als bei ihren beiden Triumphen davor mussten sie dafür aber hart kämpfen: In allen drei Runden der Saison 2016 traten die Tschechinnen auswärts an, und wie gegen Rumänien und die Schweiz wurde auch das Finale gegen Frankreich erst im abschließenden Doppel entschieden. Für die Gäste standen Karolína Plíšková und Barbora Strýcová auf dem Court in Straßburg, und sie trafen auf keine Geringeren als die Weltranglisten-Ersten im Doppel, das französische Duo Garcia – Mladenovic. Den ersten Matchball hatte allerdings das tschechische Doppel:

Petra Kvitová: „An meine Rückkehr in den Tenniszirkus zweifle ich überhaupt nicht, nachdem mir nach der OP gesagt wurde, dass sie gut verlaufen ist. Ich werde nun alles dafür tun, um wieder zurückzukommen.“

„Das französische Drama hat ein siegreiches Ende. Tschechien gewinnt zum fünften Male in den letzten sechs Jahren den Fed Cup“, frohlockte der tschechische Fernsehkommentator.

Der Vater des Erfolgs ist zweifellos Team-Kapitän Petr Pála, der bei allen fünf Siegen das tschechischen Damenteam coachte. Damit ist der 41-Jährige mittlerweile der erfolgreichste Trainer in der Geschichte des Fed Cups. Er gab die Komplimente aber sofort an seine „Mädels“ zurück. Sie hätten wieder einmal Großes geleistet, und ohne sie wäre diese Siegesserie gar nicht möglich, sagte Pála. Umso unerfreulicher war für ihn die Nachricht, die auch er kurz vor Weihnachten erhielt: Eine seiner besten Spielerinnen, die zweifache Wimbledongewinnerin Petra Kvitová, war in ihrer Wohnung überfallen worden. Der Einbrecher verletzte dabei Kvitová mit dem Messer schwer an ihrer linken Hand. Es ist die Schlaghand der Tennisspielerin. Daher bestand die Gefahr, dass die 26-Jährige vielleicht nie wieder wird das Racket schwingen können. Nach der geglückten Notoperation in einer tschechischen Spezialklinik aber präsentierte sich Kvitová optimistisch und gewohnt kämpferisch:

Petra Kvitová  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„An meine Rückkehr in den Tenniszirkus zweifle ich überhaupt nicht, nachdem mir nach der OP gesagt wurde, dass sie gut verlaufen ist. Das war etwas anders, als ich in die Klinik eingeliefert wurde und meine Hand kaum gespürt habe. Ich werde nun alles dafür tun, um wieder zurückzukommen.“

Nach Mitteilung der Ärzte könnte Kvitová womöglich bereits in der zweiten Jahreshälfte wieder Tennis spielen. Eine erfreuliche Nachricht für alle Sportfans, nicht nur die tschechischen. Letztere dürfen sich aber neben der schon erwähnten Kanurennsport-WM in Račice auf noch fünf weitere Highlights im eigenen Land freuen. Es sind dies die Eiskunstlauf-EM Ende Januar in Ostrava / Ostrau, die Junioren-WM im Biathlon Anfang Februar in Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren, die Ruder-EM Ende Mai in Račice und die EM im Basketball der Frauen, die in der zweiten Junihälfte in Prag und Hradec Králové / Königgrätz ausgetragen wird. Die verbleibende Veranstaltung ist ein besonderes Bonbon: In der Prager O2-Arena wird nämlich vom 22. bis 24. September der Laver Cup seine Premiere feiern. Dies ist ein internationaler Tennisvergleich zwischen zwei absoluten Top-Mannschaften, Team Europa und einer Welt-Auswahl. Für die europäische Mannschaft sind bereits die beiden Superstars Roger Federer und Rafael Nadal nominiert. Auch das Sportjahr 2017 hält also jede Menge Leckerbissen bereit.

Autor: Lothar Martin
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