Lucie Šafářová spielt bestes Turnier ihrer bisherigen Karriere

Lucie Šafářová (Foto: ČTK)

Als Mannschaft dominieren die tschechischen Tennisspielerinnen schon seit einiger Zeit. Bester Beleg dafür ist der im Damentennis ausgespielte Fed Cup, den die Tschechinnen von 2011 bis 2014 dreimal gewannen, und im November streben sie zudem die zweite erfolgreiche Titelverteidigung an. Top-Spielerin Petra Kvitová habe dazu stets den Grundstein gelegt, die anderen Frauen erledigten den Rest, wurde oft geschrieben. Von den anderen Damen aber hat sich nun eine zweite endgültig in den Vordergrund gespielt: Lucie Šafářová. Bei den am Sonntag in Paris beendeten French Open siegte Šafářová im Damen-Doppel und forderte im Einzel-Finale die große Serena Williams heraus.

Lucie Šafářová  (Foto: ČTK)
Nach diesem Ballwechsel auf dem Center Court in Paris jubelten nicht nur Lucie Šafářová und ihre große Fan-Gemeinde, sondern auch die vielen Sympathisanten unter den French-Open-Zuschauern, die sie im zweiwöchigen Turnierverlauf hinzugewonnen hatte. Es war der erfolgreiche Satzball, mit dem sie den Tiebreak im zweiten Satz des Einzel-Finales gegen Serena Williams für sich entscheiden konnte. Denn nach diesem Satzgewinn, und erst recht nach den gleich darauf kassierten zwei Spielen zu Beginn des dritten Satzes, war die Sensation zum Greifen nahe. Lucie Šafářová, deren bis dahin bestes Top-Turnier-Ergebnis die vorjährige Halbfinalteilnahme in Wimbledon war, schickte sich an, ihr erstes Einzel-Finale bei einem der vier großen Grand-Slam-Turniere zu gewinnen. Die Nummer eins der WTA-Weltrangliste, die Amerikanerin Williams, aber kam noch einmal zurück und holte sich den Satz schließlich mit 6:2. Das bedeutete: Williams eroberte ihren 20. Grand-Slam-Titel, Šafářová gewann an neuer Erfahrung.

Jan Kodeš  (Foto: Pavla Kopřivová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Jan Kodeš, der tschechische Wimbledonsieger von 1973, war dennoch des Lobes voll, zumal er die Leistung Šafářovás in das für ihn ungleiche Kräfteverhältnis zu Williams setzte:

„Das Spiel von Williams erinnert mich an die Kanadier, die vor kurzem bei der Eishockey-WM in Prag den WM-Titel geholt haben. Als sie gegen Russland oder die tschechische Mannschaft spielten, konnten sie unter Druck stehend immer noch einen Gang hochschalten. Das ist auch typisch für Serena. Sie liegt 0:2 hinten und legt auf einmal los. Sie ist eine der besten Spielerinnen aller Zeiten, sie versteht es wie kaum eine Zweite, sich auf die wichtigen Bälle zu konzentrieren. Sie hat Aufschlag und serviert auf einmal Asse. Man muss sich bewusst machen: Hier spielte eine Spielerin, die 20 Grand-Slam-Titel gewonnen hat, gegen eine andere, die zum ersten Male in einem solchen Finale stand. Von daher sage ich nur: Hut ab vor der Leistung, die Šafářová geboten hat.“

Lucie Šafářová  (Foto: ČTK)
Doch nicht nur das, Kodeš sprach gegenüber Šafářová auch seine Zuversicht aus, dass der ganz große Wurf nur noch eine Frage der Zeit sei:

„Ich habe zu Lucie gesagt, ihr erstes Finale, das sei eine phantastische Erfahrung gewesen. Und in der Regel ist es auch so, dass die Mehrzahl der Newcomer ihr erstes Grand-Slam-Finale nicht gewinnt. Jetzt weiß sie bereits, um was es dabei geht, also muss sie nun versuchen, auch ein zweites oder drittes Finale zu erreichen. Das wird sie dann vielleicht gewinnen.“

Roland-Garros-Finale  (Foto: ČTK)
Die auch von anderen Experten hoch gelobte Tschechin aber blieb erst einmal auf dem Boden der Tatsachen und genoss das neue Glücksgefühl:

„Ja, wenn es doch nur so kommen würde. Von diesem Turnier aber kann und werde ich mir nur Positives und viele tolle Momente herausziehen. Das ist ein wunderbarer Erfolg, und ich bin sehr froh darüber.“

Jana Novotná: „Lucie ist eine liebe und bescheidene Frau, doch auf dem Tenniscourt spielt sie kompromisslos“

Jana Novotná  (Foto: Archiv EMPIRE Tennis Academy)
Froh und stolz über die in Paris von Šafářová gezeigten Leistungen aber waren auch zwei ehemalige Weltklassespielerinnen und Landsfrauen der noch jungen Brünnerin: Jana Novotná und Martina Navrátilová. Die 46-jährige Novotná, die 1998 das Turnier von Wimbledon gewann, arbeitete während des Roland-Garros-Turniers als Co-Kommentatorin für den britischen Radiosender BBC. Spätestens nach dem großartigen Zwei-Satz-Sieg von Šafářová im Achtelfinale über die Nummer zwei der Turnier-Setzliste, die Russin Maria Scharapowa, wusste sie, dass Lucie Großes gelingen könnte. Von da an war Novotná bei der Kommentierung der Spiele von Šafářová auch stets mit rasendem Puls und voller Begeisterung dabei, und sie konnte dabei auch nicht immer ganz neutral bleiben. Die Macher ihres Senders aber lobten sie dennoch für ihre ganz emotionale Berichterstattung vom Halbfinalduell Šafářovás gegen die Serbin Ana Ivanovic, das die Tschechin in zwei Sätzen mit 7:5 und 7:5 gewann.

Lucie Šafářová  (Foto: ČTK)
„Vom Produzenten hörte ich, es sei die beste Kommentierung gewesen, die ich in den zurückliegenden fünf Jahren gemacht habe. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, doch es war ein wirklich tolles Spiel zum Kommentieren. Vor allem wegen Lucies Leistung, ihrer Beherrschtheit und dem Willen, das Spiel siegreich zu beenden.“

In Lucie Šafářová sieht Jana Novotná nicht nur einen aufgehenden Stern am Tennishimmel, sondern ebenso eine junge Frau, die mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit gerade dem Damentennis zu neuem Glanz verhelfen könnte:

Ana Ivanovic und Lucie Šafářová  (Foto: ČTK)
„Ich denke, Lucie haben die Leute wirklich gern. Sie ist eine sehr liebe und bescheidene Frau, doch auf dem Tenniscourt spielt sie kompromisslos. Das ist gewiss eine gute Kombination.“

Der Tennis-Legende Martina Navrátilová, die 59 Grand-Slam-Turniere im Einzel und im Doppel gewonnen hat und seit 1981 US-amerikanische Staatsbürgerin ist, hat es dagegen der Quantensprung in Šafářovás sportlicher Entwicklung besonders angetan. Nach deren Spiel gegen Ivanovic sagte sie:

„Sie hat phantastisch gespielt, so wie schon das gesamte Turnier über. Sie bringt die Bälle jetzt höher über das Netz, dadurch macht sie weniger Netzfehler und ihre Flugbälle haben nun eine gute Länge. Und sie mixt ihre Schläge auch gut. Man kann nur schwer erahnen, wohin sie den Ball als Nächstes spielt, sie aber weiß es, und kann diesen Vorteil auch auf dem Platz umsetzen.“

Lucie Šafářová: „Ich muss auf Holz klopfen, dass ich fit bin und keine gesundheitlichen Probleme habe.“

Lucie Šafářová und Bethanie Mattek-Sands  (Foto: ČTK)
Bei oft sehr wechselhaften klimatischen Bedingungen – Hitze von bis zu 30 Grad, die zum Teil abgelöst wurde von starken Regenfällen – spielte Lucie Šafářová quasi 14 Tage lang Tennis auf höchstem Niveau. Denn an den scheinbar freien Tagen, wenn die Damen der zweiten Hälfte der Turnierspielliste oder aber die Männer spielten, trat Šafářová auch noch mit der Amerikanerin Bethanie Mattek-Sands im Damendoppel an. Und das ebenfalls sehr erfolgreich. Weil sie daher physisch bis an ihre Grenzen gehen musste, bekam die Regeneration in der übrigen Zeit eine zusätzliche Bedeutung. Doch auch das bewältigte die Tschechin mit einem Lächeln im Gesicht:

„Die Spiele häufen sich, aber bislang gelingt es mir ganz gut, das alles zu meistern. Ich muss auf Holz klopfen, denn ich bin weiter fit und habe keine gesundheitlichen Probleme. Jeden Tag widme ich mehrere Stunden der Rehabilitation oder lege mich in die Eiswanne.“

Lucie Šafářová und Bethanie Mattek-Sands  (Foto: ČTK)
Weil Form und Fitness stimmten, schaffte es Lucie Šafářová mit ihrer amerikanischen Doppelpartnerin nicht nur bis ins Endspiel, sondern konnte am Sonntag auch noch den Moment des Turniersieges auskosten. Es war der erfolgreiche Matchball zum Drei-Satz-Sieg im Finale gegen das australisch-kasachische Duo Casey Dellacqua und Jaroslawa Schwedowa, das Mattek-Sands und Šafářová mit 3:6, 6:4 und 6:2 für sich entschieden. Danach war die Freude wie auch die Erleichterung bei der Tschechin riesengroß:

„Ich habe mir gesagt, dass ich hier in Paris nicht auch noch das zweite Finale verlieren will. Wir haben jedoch sehr gut gespielt und ich denke, den Sieg auch redlich erkämpft.“

Lucie Šafářová  (Foto: ČTK)
Und resümierend über die wohl zwei schönsten und erfolgreichsten zwei Wochen ihrer bisherigen Sportlerkarriere fügte Šafářová abschließend hinzu:

„Ich bin ungemein froh, dass uns dieser Turniersieg gelungen ist. Es ist für mich einfach unglaublich, hier im Finale des Damen-Einzel und des Doppels gestanden zu haben. Langsam begreife ich, was ich geschafft habe, doch jetzt fällt allmählich die Müdigkeit auf mich ab. Die zwei Wochen von Paris aber werden mir ewig in guter Erinnerung bleiben.“

Rob Steckley  (Foto: Archiv OTA TV)
Zu ihren schönsten Momenten gehört die verdiente Siegerehrung im Damendoppel. Und als weiteren Lohn für ihre Leistungen darf sich Lucie Šafářová seit Montag erstmals auch Top-Ten-Spielerin nennen, denn in der WTA-Weltrangliste verbesserte sie sich mit einem Satz vom 13. auf den 7. Platz. Ihr Trainer, der Kanadier Rob Steckley, hält aber auch eine Platzierung unter den Top Five der Welt schon bald für realistisch.

Autor: Lothar Martin
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