Jüdischer Sportklub Hakoah aus Prag nun auch im Fußball aktiv

SK Hakoah

In Böhmen und Mähren waren Volkszählungen zufolge in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts knapp zwei Prozent der Bevölkerung Juden. Also mehr als 100.000 Menschen. Der Holocaust sowie auch der spätere Kommunismus im 20. Jahrhundert haben ihre Zahl jedoch stark dezimiert. Heute leben Angaben des Jahres 2014 zufolge nur noch 3900 bekennende Juden in Tschechien. Und dennoch hat diese kleine Volksgruppe einen eigenen Sportklub – den SK Hakoah.

SK Hakoah
Durch die dunklen Kapitel des 20. Jahrhunderts wurde das Leben der Juden in Prag und anderen tschechischen Städten stark beschnitten. Doch gleich nach der politischen Wende von 1989 schufen sie erneut einen jüdischen Sportklub: den SK Hakoah. Er wurde am 4. Januar 1990 gegründet und im Jahr 1994 als Verein registriert. Die Vorsitzende des Vereins ist Zuzana Jančaříková:

„Der Sportklub Hakoah ist ein jüdischer Verein, der an die jüdische Sportbewegung der Vorkriegszeit anknüpft. Er ist integriert in den Verband der Jüdischen Gemeinden in Tschechien und wird so auch von ihm unterstützt.“

František Fendrych  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
František Fendrych ist einer der Gründerväter von Hakoach und auch heute noch im Verein sehr aktiv. Er weiß sehr gut, welch große Bedeutung ein Sportklub für die jüdische Bevölkerung hatte und weiter hat:

„Der Sport ist sicher der Hauptinhalt des Klubs, doch angesichts der unschönen Vergangenheit mit Holocaust und kommunistischem Regime, hatten wir vor allem das Bedürfnis, zusammen zu sein. Es trafen sich Menschen, die ein ähnliches Schicksal hatten, und der Sport war schon ein kleiner Vorwand.“

Dass die Juden in aller Welt indes zu Ende des 19. Jahrhunderts begannen ihre eigenen Sportvereine zu gründen, hatte einen anderen Grund, sagt Fendrych:

Radtour von Hakoah nach Theresienstadt  (Foto: Archiv SK Hakoah)
„Der Grund dafür ist leider in der Diskriminierung der jüdischen Sportler zu sehen. Dies hat sich zum ersten Male im Jahr 1895 in Konstantinopel in der Türkei geäußert. Dort wurden jüdische Sportler aus einem Verein ausgeschlossen, daraufhin haben sie dann einen eigenen Sportklub gegründet.“

Seit über zwei Jahrzehnten haben also auch die Prager Juden wieder ihren eigenen Sportklub. Doch wie fast überall bei Neugründungen sind die Anfänge nicht leicht:

Fendrych: „Angesichts der unschönen Vergangenheit mit Holocaust und kommunistischem Regime, hatten wir vor allem das Bedürfnis, zusammen zu sein. Es trafen sich Menschen, die ein ähnliches Schicksal hatten, und der Sport war schon ein kleiner Vorwand.“

„Zum Anfang haben wir mit Volleyball und Schwimmen begonnen. Dazu haben wir verschiedene Räume gemietet. Zudem haben wir Skikurse für Kinder veranstaltet. Das waren zunächst unsere Hauptaktivitäten.“

Heute ist die Palette der sportlichen Betätigung indes viel bunter, ergänzt Zuzana Jančaříková:

„Die Kinder von damals sind heute bereits erwachsen. Sie und die Älteren spielen weiter Volleyball. Hinzugekommen sind mittlerweile auch Federball, Tennis und weitere Sportarten. Wir konzentrieren uns mittlerweile darauf, jährlich regelmäßige Sportveranstaltungen zu organisieren. Dazu gehört der Viktorcup. Das ist ein Turnier im Tennis und Federball zu Ehren des ältesten Hakoah-Mitglieds, des Kriegsveteranen Viktor Velemín. Zudem werden jedes Jahr Sommersportspiele veranstaltet, wo wir unsere Kräfte im Volleyball, Federball, in der Leichtathletik und im Schwimmen messen. Des Weiteren gehören Radtouren, touristische Wanderungen und ebenso die Skikurse zum Programm.“

Volleyball-Team des SK Hakoah  (Foto: Archiv SK Hakoah)
Neben dem Sport wird bei Hakoah jedoch auch das Vereinsleben groß geschrieben. Eine Veranstaltung ragt dabei noch etwas heraus:

„Das ist der Hakoah-Ball. Ihn haben wir in diesem Jahr schon zum sechsten oder siebten Mal veranstaltet. Er findet stets zum Ende der Ballsaison statt.“

Zum Ball treffen sich die Mitglieder des SK Hakoah nebst ihren jüdischen und anderen Freunden also einmal im Jahr. Am Ball aber sind die Hakoah-Sportler, wie bereits erwähnt, nur bei der Mittelnetz-Variante, dem Volleyball. Der Weltsport Nummer eins, Fußball, war indes noch Brachland für den jüdischen Verein. Bis zu diesem Sommer. Denn vom 1. bis 3. Juli nahm eine Mannschaft aus Prag, gebildet vom SK Hakoah und Schülern der jüdischen Lauder-Schule (Lauderova škola) am Internationalen Fußballbegegnungsfest 2016 um den Max & Leo-Bartfeld-Pokal in Leipzig teil. Dies ist ein Nachwuchsturnier für C-Junioren-Mannschaften, deren Spieler zwischen 14 und 15 Jahre alt sind. Über die Möglichkeit, an diesem Turnier teilzunehmen, wurde die Vorsitzende des Hakoah-Vereins, Zuzana Jančaříková, von mehreren Personen informiert. Zu ihnen gehört auch das Gründungsmitglied des neu entstandenen DFC Prag, Thomas Oellermann. Von der Idee, an einem Fußballbegegnungsfest teilzunehmen, welches zuallererst der Toleranz und der Akzeptanz im Dialog dient, war man begeistert, sagt Jančaříková. Das Problem war jedoch: Woher die Schüler nehmen für die Bildung einer konkurrenzfähigen Mannschaft? Ziemlich schnell aber wusste man sich Rat:

SK Hakoah/Lauder School Prague  (Foto: Archiv SK Hakoah)
„Uns fiel ein, mit unserem Vorhaben an die Lauder-Schule heranzutreten. Und es gelang tatsächlich mit Hilfe dieser Schule eine Mannschaft zu formieren, was wir anfangs kaum für möglich hielten. Es fanden sich Jungen zusammen, die sowohl im Unterricht, als auch außerschulisch gern Fußball spielen. Wir sind froh, dass wir so ein Team nach Leipzig entsenden konnten, denn die Teilnahme am Turnier war ein Erlebnis.“

František Fendrych erklärt, warum die Wahl gerade auf die Lauder-Schule, also die Lauderova škola in Prag gefallen ist:

„Die Lauder-Schule in Prag ist die einzige jüdische Schule in Tschechien. Zwar sind nicht alle Kinder dieser Schule Juden, doch 60 bis 70 Prozent von ihnen haben jüdische Wurzeln. An dieser Schule wird folglich auch Hebräisch und teilweise die jüdische Religion gelehrt. Diese Schüler haben also eine Beziehung zum Judentum.“

Jančaříková: „Uns fiel ein, mit unserem Vorhaben an die Lauder-Schule heranzutreten. Und es gelang tatsächlich mit Hilfe dieser Schule eine Mannschaft zu formieren, was wir anfangs kaum für möglich hielten. Die Teilnahme am Turnier war ein Erlebnis.“

In Konsequenz der genannten Zusammenarbeit trat die Mannschaft aus Prag beim Turnier in Leipzig unter der Bezeichnung „SK Hakoah / Lauder School Prague“ an. Doch sie waren dort nicht etwa nur Staffage oder billige Punktelieferanten, ganz im Gegenteil. Auch zur Freude von Zuzana Jančaříková und František Fendrych trumpften sie vielmehr sehr selbstbewusst auf:

„Unser Team hatte einen sehr guten Einstieg in das Turnier. Es wurde Gruppensieger in seiner Vorrunden-Gruppe und hatte sich so auch in eine gute Ausgangsposition für den weiteren Turnierverlauf gebracht. Am Ende wurde es Vierter von 15 Teilnehmern, ein für uns unerwarteter und fantastischer Erfolg.“

Begeistert waren die Teilnehmer aus Prag indes auch von dem Gedanken, der hinter dem Fußballbegegnungsfest steht. Unter dem Motto „Ja zum Fußball, ja zu Demokratie und Vielfalt. Nein zu Antisemitismus und Rechtsextremismus im deutschen Fußballsport wie in der Gesellschaft“ fand dieses Turnier zum nunmehr dritten Mal statt. Dazu erläutert František Fendrych:

Fendrych: „Ich bin von der Neugründung des DFC Prag echt begeistert. Denn als Fußballfan und ein Mensch, der sich ein wenig mit der Historie des Fußballs auseinandersetzt, weiß ich, welch großer Verein er einst war. Er zählte damals zur absoluten Spitze unter den europäischen Fußballclubs.“

„Das Turnier ist einer jüdischen Familie aus Leipzig gewidmet, von der sich einige Mitglieder vor dem Holocaust gerettet haben. Es ist die Familie Bartfeld, die auch der Sponsor des Nachwuchsturnieres in Leipzig ist. Zudem war diese Familie auch federführend, als einst ein jüdischer Verein in der Stadt gegründet wurde. Es war der SK Bar Kochba Leipzig.“

Dieser SK Bar Kochba hat sich 1938 zwangsaufgelöst und damit das Schicksal vieler jüdischer Vereine in dieser Zeit geteilt. Im Jahr 2005 wurde der gemeinnützige Sportverein Makkabi Leipzig e. V. gegründet, der sich ganz bewusst auf die Traditionen des SK Bar Kochba stützt. Dieser Fall bietet demnach gewisse Parallelen zum Deutschen Fußball-Club Prag. Dieser Verein hat sich vor 77 Jahren – nach dem Einmarsch der Hitlertruppen in die Tschechoslowakei – ebenfalls zwangsauflöst. Und eben dieser DFC Prag ist vor einem Monat wiedergegründet worden. Diese Nachricht hat auch bei den Verantwortlichen des SK Hakoah Prag sehr viel Freude ausgelöst. František Fendrych:

„Ich bin von dieser Neugründung echt begeistert. Denn als Fußballfan und ein Mensch, der sich ein wenig mit der Historie des Fußballs auseinandersetzt, weiß ich, was der DFC Prag einst für eine Größe war. An den Verein erinnere ich mich aus alten Filmen der Vorkriegszeit. Dabei war oft die Rede davon, dass der DFC Prag zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert und in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zur absoluten Spitze unter den europäischen Fußballclubs zählte.“

Zuzana Jančaříková  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Zuzana Jančaříková blickt indes schon ein wenig in die nahe Zukunft:

„Wir wären mit Sicherheit erfreut darüber, wenn wir Wege einer gemeinsamen Zusammenarbeit finden könnten. Es wäre schön, wenn das Team von Hakoah / Lauderová škola weiterbestehen würde und es dazu auch ein Team des DFC geben würde. Dann könnten beispielsweise beide Mannschaften gegeneinander spielen oder aber gemeinsam ein Turnier mit anderen Vertretungen veranstalten.“

Autor: Lothar Martin
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