Jiří Ježek tritt als erfolgreichster Radfahrer von paralympischer Bühne ab

Jiří Ježek (Foto: ČT24)

Die Olympischen Spiele sind alle vier Jahre das große Highlight im internationalen Sport. Seit 1948 zum ersten Mal und seit 1960 regelmäßig finden im Windschatten von Olympia auch immer die Paralympics statt. Früher wurden sie noch „Weltspiele der Gelähmten“ oder auch anders genannt. Die nunmehr XV. Paralympischen Sommerspiele gingen am Sonntag in Rio de Janeiro zu Ende.

Jiří Ježek  (Mitte) in Rio de Janeiro  (Foto: ČTK)
Die Paralympics sind die an die Idee der Olympischen Spiele angelehnten globalen Sportwettbewerbe für Sportler mit Behinderung. Sie werden vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) organisiert und finden turnusmäßig an denselben Orten direkt im Anschluss an die Olympischen Sommerspiele bzw. Winterspiele alle vier Jahre statt.

An den Paralympics in Rio de Janeiro nahmen für Tschechien 37 Sportler teil. Sie eroberten sieben Medaillen: Einmal Gold, zweimal Silber und viermal Bronze. Vor vier Jahren bei den Paralympischen Sommerspielen in London kamen die tschechischen Teilnehmer mit elf Plaketten nach Hause. Die vier Medaillen, die in der britischen Hauptstadt mehr geholt wurden, glänzten alle silbern.

Běla Třebínová  (Foto: ČTK)
Die sieben Medaillen von Rio wurden durch sechs Sportler mit Behinderung gewonnen. Das goldene Edelmetall schürfte Schwimmer Arnošt Petráček, der den Wettbewerb über 50 Meter Rücken gewann. Je zwei Medaillen erkämpften die Schwimmerin Běla Třebínová und der Bogenschütze David Drahonínský. Třebínová holte Silber über 50 Meter Rücken und Bronze über 50 Meter Freistil. Drahonínský gewann Silber im Einzelwettbewerb der Bogenschützen und Bronze im Mixed mit Šárka Musilová an seiner Seite. Die übrigen zwei Bronzemedaillen gehen auf das Konto von Tischtennisspieler Jiří Suchánek und Kugelstoßerin Eva Berná.

Jiří Ježek  (Foto: ČT24)
Doch es sind nicht nur die Medaillengewinne, die zählen, sondern auch die Geschichten, die hinter den Schicksalen der Athleten mit Behinderung stehen. Eine solch großartige Geschichte hat beispielsweise der tschechische Radfahrer Jiří Ježek geschrieben. Und in Rio hat er seiner Story bereits eines ihrer letzten Kapitel hinzugefügt: Den abschließenden Auftritt des 41-Jährigen bei den Paralympics.

Seine paralympische Abschiedsvorstellung gab Ježek beim Zeitfahren in Rio. Im finalen Klassement des Wettbewerbs belegte er den neunten Platz. Kurz nach der Entscheidung sagte er:

„Mit dem Ergebnis kann ich nicht zufrieden sein. Der neunte Rang ist zwar die Bestätigung meiner WM-Platzierung, ich hoffte aber, dass ich noch ein Stück weiter vorn ankomme. Die Konkurrenz wird jedoch von Jahr zu Jahr schwerer.“

„Vor dem Rennen hegte ich einige Befürchtungen. Gestern bin ich die 30 Kilometer lange Flachstrecke abgefahren, dabei wehte ein starker Wind, der das Training enorm beeinflusste. Auch heute musste ich mich quälen, doch es lief besser, als ich erwartet habe.“

Und dennoch, der sechsfache Paralympic-Sieger von 2000 bis 2012 hatte insgesamt etwas mehr erhofft:

„Mit dem Ergebnis kann ich nicht zufrieden sein. Der neunte Rang ist zwar die Bestätigung meiner Platzierung von der Weltmeisterschaft, ich hoffte aber, dass ich noch ein Stück weiter vorn ankomme. Die Konkurrenz wird jedoch von Jahr zu Jahr schwerer, und ich gehöre bereits nicht mehr zu den allerbesten Zeitfahrern. Das ist die Realität.“

Seit 31 Jahren ist es für Ježek indes bittere Realität, dass er sein rechtes Bein nur noch mit einer Prothese benutzen kann. Im Jahr 1985 wurde ihm nach einem Autounfall das Bein unterhalb des Knies amputiert. Da war Ježek gerademal zehn Jahre alt. Neun Jahre später begann er dann professionell Rad zu fahren. Und er legte eine Karriere hin, die ihresgleichen sucht. Schon 1998 feierte er seine ersten größeren Erfolge. Bei der WM im amerikanischen Colorado Springs gewann er die Silbermedaille im Straßen-Einzelrennen sowie Bronze im Verfolgungsrennen auf der Bahn. Nur zwei Jahre darauf, bei den Spielen in Sydney, griff er bereits nach den Sternen: Er wurde paralympischer Doppelsieger im Bahnradsport, und zwar auf der Ein-Kilometer-Strecke und in der Verfolgung über vier Kilometer. 2004 in Athen holte er sich die Goldmedaille im kombinierten Einzel- und Zeitfahrrennen auf der Straße, 2008 in Peking erneut Gold im Zeitfahren sowie in der Verfolgung auf der Bahn, und 2012 wiederholte er seinen Zeitfahrsieg ein weiteres Mal. Hinzu kommen insgesamt vier Silbermedaillen und einmal Bronze, so dass er vor vier Jahren in London zum erfolgreichsten Radsportler mit Behinderung aller Zeiten avancierte.

Facebook-Seite von Jiří Ježek berichtet über seine Verletzung
Gern hätte sich Ježek in Rio de Janeiro einen erfolgreicheren Abschluss seiner paralympischen Karriere gewünscht. Doch ein schwerer Sturz bei der Weltmeisterschaft 2014 im amerikanischen Greenville hat diesen Traum jäh zunichtegemacht. Bei diesem Rennunfall verletzte der Prager seinen Brustkorb, seine Lunge und seine Atemwege. Seitdem ist er froh, dass er überhaupt wieder Radfahren kann. Doch es ist anstrengender und leidvoller für ihn als früher. Nach dem Ein-Kilometer-Bahnrennen in Rio, bei dem er Sechszehnter wurde, bekannte Ježek:

„In den zurückliegenden zwei Jahren habe ich schreckliche Probleme beim Atmen. In den Disziplinen, die kurz und anstrengend sind, fehlt mir der Sauerstoff in der Muskulatur. Das war auch heute zu sehen.“

„Es freut mich, dass ich keine Schande bereitet habe. Ich bin auf dem Level gefahren, auf das ich mich vorbereitet habe. Der Sport ist derart gerecht, dass mir der Herr im Himmel kein Wunder verschafft hat.“

Der Sport-Oldie, der 2013 sogar an einem Zeitfahren der Tour de France teilnehmen durfte, ist letztendlich aber zufrieden, dass er sich in Rio jeweils im Vorderfeld platzierte und nicht nur einfach dabei war:

„Es freut mich, dass ich keine Schande bereitet habe. Ich bin auf dem Level gefahren, auf das ich mich vorbereitet habe. Der Sport ist derart gerecht, dass mir der Herr im Himmel kein Wunder verschafft hat.“

Und etwas weniger pathetisch fügte Ježek hinzu:

„Ich bin froh, dass ich meine paralympische Karriere ehrenvoll zu Ende gebracht habe. Jetzt freue ich mich schon auf die nächste Saison, in der ich meinen Abschied vom Rennradsport nehmen werde. Dabei will ich alles noch einmal mit weit weniger Stress genießen und nur an jenen Rennen teilnehmen, die ich gern fahre. In Rio habe ich meinen Meriten leider kein überraschendes Ergebnis hinzugefügt. Doch mit dem, was ich geleistet habe, bin ich zufrieden.“


Radfahrer Koblasa geht trotz spastischer Lähmung stets neue Ziele an

Ivo Koblasa  (Foto: Pavel Petr,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Mit einer ganz anderen Leidensgeschichte behaftet ist ein weiterer tschechischer Sportler mit Behinderung – der Radfahrer Ivo Koblasa. In Rio war der 23-Jährige gleich viermal am Start und hat sich in jedem seiner Rennen unter den Top 10 platziert. Alleine aber hätte er das nicht geschafft, und so war sein gleichnamiger Vater und Trainer immer in seiner Nähe. Der Senior schildert, warum er dies sein muss:

„Ivo litt als kleiner Junge an Kinderlähmung. Das heißt, die Koordination seines gesamten Bewegungsapparats war sehr stark gestört. In seinen linken oberen und unteren Gliedmaßen hat er eine spastische Lähmung, und in seiner rechten Hand fehlt ihm die Feinmotorik.“

Ivo Koblasa  (Foto: Pavel Petr,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Aus diesen Gründen könne er sich bis heute nicht selbst die Schuhe zubinden oder kaum Sachen tun, die seine rechte Seite beträfen. Man müsse ihn daher auch an- und ausziehen und ihm bei allen Dingen helfen, wozu man beide Hände bräuchte, erklärt der Vater.

„Die Hauptsache ist, dass mein Vater mich für den Wettkampf richtig heiß macht“, mischt Koblasa Junior sich in das Gespräch ein, das der Reporter des Tschechischen Rundfunks gerade mit Koblasa Senior führt.

Jiří Bouška  (Foto: ČT24)
Davor hatte der Paralympionike bereits mehrere Bahnwettkämpfe hinter sich gebracht: Den Team-Sprint, in dem er mit Jiří Boušek und Tomáš Kajnar auf Platz fünf einkam, und das Verfolgungsrennen, in dem er mit neuem tschechischen Rekord Sechster wurde. Und nicht zuletzt das Ein-Kilometer-Rennen, in dem Koblasa den achten Platz belegte, was für ihn ein Quantensprung ist. Der Rennfahrer aus Brno / Brünn war dementsprechend gutgelaunt:

„Ich bin der zufriedenste Mensch, den es gibt, denn ich habe meinen persönlichen Rekord um vier Sekunden verbessert. Jetzt liegt er bei einer Minute und zwölf Sekunden. Ich danke mir deshalb selbst für den Fleiß und harten Willen, den ich aufbringen musste, um das zu erreichen.“

Zum Abschluss seiner Paralympic-Teilnahme in Rio ging der junge Hoffnungsträger im Straßen-Zeitfahren über 20 Kilometer an den Start. Auch hier schlug er sich wacker. Er wurde Fünfter und verpasste die Medaille nur um eine halbe Minute, und dies als eindeutig Jüngster des gesamten Starterfelds. Ivo Koblasa winkt so auch eine rosige Zukunft für die Paralympics 2020 in Tokio. In Rio aber hat er allen gezeigt, dass auch Menschen mit Behinderung imstande sind, Großes zu leisten. Und dass er und alle anderen Paralympic-Teilnehmer weit mehr Sport treiben als sehr viele Menschen ohne gesundheitliche Einschränkung – dies allein ist schon eine Medaille wert.

Autor: Lothar Martin
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