Fußball: Slavia Prag nach acht Jahren wieder Landesmeister

Foto: ČTK

Am vergangenen Samstag wurde in Tschechien der 24. Landesmeister im Fußball ermittelt. Vor dem letzten Spieltag hatten noch zwei Mannschaften Chancen auf die Meisterschaft: Slavia Prag und Titelverteidiger Viktoria Pilsen. Die Hauptstädter gingen mit zwei Punkten Vorsprung in das Heimspiel gegen Brno / Brünn. Konnten sie diesen Vorsprung auch ins Ziel bringen? Radio Prag gibt die Antwort.

Slavia Prag  (Foto: ČTK)
Es läuft die 90. Spielminute in der Begegnung Slavia Prag gegen Brünn, es steht 4:0 für die Gastgeber … und jetzt erfolgt der Schlusspfiff, die Slavia-Fans stürmen auf den Platz und feiern ihre neuen Helden, denn nach acht Jahren geht der Meistertitel wieder an den Prager Traditionsverein. (Anm.: Hören Sie dazu auch die Audio-Version)

In den dazwischenliegenden sieben Jahren dümpelte Slavia im Niemandsland der Tabelle zwischen Mittelfeld und einem Fast-Abstiegsplatz. Das Titelrennen aber wurde in jener Zeit fast ständig nur zwischen zwei Clubs entschieden: Viktoria Pilsen und Sparta Prag. Viermal triumphierten die Bierstädter, zweimal setzte sich Sparta durch. Lediglich in der Saison 2011/12 schlug Slovan Liberec den beiden Giganten ein Schnippchen und entführte den Meisterpokal.

Slavia Prag springt für Sparta erfolgreich in die Bresche

Jaroslav Šilhavý  (Foto: ČTK)
Auch in dieser Saison rechneten die Experten mit dem Zweikampf Plzeň / Pilsen kontra Sparta. Doch es kam anders: Die Hauptstädter schwächelten und wurden am Ende nur Dritter. Für den Rekordmeister sprang Lokalrivale Slavia Prag in die Bresche. Und die Rot-Weißen machten es richtig gut. Am 5. Spieltag kassierten sie beim 1:3 in Pilsen ihre erste und einzige Niederlage. Danach übernahm Trainer Jaroslav Šilhavý die Mannschaft und blieb mit ihr in den weiteren 26 Begegnungen (einschließlich ein Nachholspiel) ungeschlagen. Die beeindruckende Serie mit acht Siegen in Folge krönte Slavia am 19. Spieltag vor eigenem Publikum mit dem 1:0 über den Titelverteidiger. Damit eroberten die Prager erstmals die Tabellenführung. Es war ein gravierender Moment im Saisonverlauf, sagte Meistertrainer Šilhavý:

„Als wir gegen Pilsen durch ein Tor in der letzten Minute gewonnen haben, das war, so denke ich, ein Knackpunkt. Von da an begannen wir daran zu glauben, dass wir dem Meister wirklich Paroli bieten können im Titelkampf. Und am Ende sind wir aus diesem Kampf als Sieger hervorgegangen.“

Slavia Prag - Zbrojovka Brünn  (Foto: ČTK)
Nach diesem Sieg aber brachten zwei Remis in Liberec und gegen Sparta die Truppe von Trainer Jaroslav Šilhavý zwischenzeitlich wieder ins Hintertreffen. Doch am 25. Spieltag war es ausgerechnet Erzrivale Sparta, der den „Zusammengenähten“ – so wird Slavia wegen des zu gleichen Teilen in Rot und Weiß gefertigten Trikots hierzulande auch genannt – erneut den Weg zum Titel ebnete. Sparta bezwang Pilsen mit 2:0, und Slavia siegte mit dem gleichen Resultat beim 1. FC Slovácko in Mähren. Seitdem behaupteten die Prager ihren Zwei-Punkte-Vorsprung, mit dem sie in ihr letztes Saisonspiel gegen Zbrojovka Brünn gingen. In den ersten 25 Minuten war bei den Gastgebern eine gewisse Nervosität schon zu spüren, doch dann kam es zu dieser Situation:

Stanislav Tecl  (Foto: ČTK)
Slavia erzielt nach einer Ecke das 1:0, nachdem die Gäste wenige Sekunden zuvor ihren Torhüter ausgewechselt haben (hören Sie dazu auch die Audio-Version).

Der für den verletzten Dušan Melichárek neu ins Brünner Team gekommene Torwart Vlastimil Veselý erlebte mit der Einwechslung seine Premiere in der ersten tschechischen Fußball-Liga. Doch die ging gründlich schief, denn den folgenden Eckball der Gastgeber unterlief er, so dass er mit seiner ersten Ballberührung das Leder gleich aus dem Netz holen musste. Für Slavia hatte Verteidiger Michal Frydrych per Kopf getroffen, und damit war der Bann gebrochen. Nur drei Minuten später erhöhte Angreifer Stanislav Tecl auf 2:0, und knapp eine halbe Stunde drauf sorgte Tecl mit seinem zweiten Treffer für die Entscheidung. Den finalen Pass dazu bekam er von Michael Ngadeu Ngadjiu. Der 26-jährige defensive Mittelfeldspieler war erneut ein Aktivposten bei den Pragern. Seine gute Leistung, und erst recht seine überragende Saison, krönte der Kameruner – der mit seinem Land Anfang Februar den Afrika Cup gewann – mit dem Treffer zum 4:0-Endstand (hören Sie dazu auch die Audio-Version).

Foto: ČTK
Die unzähligen Pyromanen im Slavia-Fanblock hatten kurz vor der Halbzeitpause auch für eine fünfminütige Spielunterbrechung gesorgt. Nach deren Feuerwerkskörperhagel hatten die aufsteigenden Rauchschwaden das Gästetor nämlich in einen stinkenden und nebligen Dunst gehüllt. Zum Glück gab es bis zum Abpfiff und auch danach keine weiteren Vorkommnisse, so dass die Spieler des neuen Meisters dann auch unter dem großen Jubel ihrer Fans die Medaillen und den Meisterpokal entgegennehmen konnten (hören Sie dazu auch die Audio-Version).

Afrikameister Ngadeu gehört bei Slavia zu den Publikumslieblingen

Michael Ngadeu Ngadjiu  (links). Foto: ČTK
Danach ließen sich die Spieler von ihren Fans feiern, wurden von diesen geherzt und mussten sich zu zahlreichen Selfies stellen. Da war es gar nicht so leicht, mit einem von ihnen überhaupt ins Gespräch zu kommen. Michael Ngadeu Ngadjiu aber nahm sich dann doch zumindest eine Minute Zeit für Radio Prag:

Herzlichen Glückwunsch! Können Sie es schon begreifen? Innerhalb von vier Monaten gewinnen Sie zwei Titel, erst in Afrika und jetzt sind Sie auch tschechischer Meister…

„Nein, begreifen kann man das nicht. Ich habe das nicht erwartet. Das ist ein wunderbares Jahr für mich und die ganze Mannschaft. Man kann wirklich nur zufrieden sein mit unserer Leistung.“

Foto: ČTK
Was sind die Gründe dafür, dass Slavia die beste Mannschaft in Tschechien ist?

„Wir haben einen überragenden Trainer, wir haben auch super Spieler in der Mannschaft, wir sind alle motiviert. Wir sind wie eine große Familie und ich glaube, das ist unsere Stärke.“

Also haben Sie alles richtig gemacht. In Deutschland sind Sie konsequent am Ball geblieben, danach sind Sie nach Rumänien und dann nach Tschechien gewechselt. Jetzt sind Sie Meister, und im Sommer spielen Sie mit Slavia die Qualifikation zur Champions League. Besser geht’s doch nicht, oder?

Foto: ČTK
„Besser geht es wirklich nicht. Im Leben muss man Entscheidungen treffen, die man später nicht bereuen darf. Ich habe diese Entscheidungen getroffen, und heute kann ich nur dankbar dafür sein und ´Danke, Gott!´ sagen.“

Der junge Kameruner schloss also seine erste Saison für Slavia Prag gleich mit dem Gewinn des Titels ab. Daran hatte er nicht nur einen großen Anteil, nein, Ngadeu gehört bereits zu den Publikumslieblingen der rot-weißen Prager. Und auch aus Deutschland, konkret aus Nürnberg, waren eigens Fans von ihm nach Prag gekommen. Eine Gruppe Schwarzafrikaner, die in Deutschland lebt und Michael Ngadeu aus dessen Zeit beim 1. FC Nürnberg lieben und schätzen gelernt hat, war zugegen. Einer von ihnen sagte gegenüber Radio Prag:

„Wir sind heute zufrieden, denn wir haben unseren Freund Michael Ngadeu im Einsatz gesehen, und er hat auch sehr gut gespielt. Wir alle wollen ihm dafür danke sagen. Jetzt aber fahren wir zurück nach Nürnberg, denn wir sind schon ziemlich müde.“

Ex-Slavia-Kicker Kuka glaubt an große Zukunft für seinen Stammverein

Pavel Kuka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Umso mehr zu sagen hatte da schon der ehemalige Bundesligaprofi Pavel Kuka. Der 48-Jährige, der einst für Kaiserslautern, Nürnberg und den VfB Stuttgart spielte, hat schon als kleiner Knirps das Kicken bei Slavia Prag erlernt. Bis heute ist er seinem Stammverein treu verbunden, auch wenn er von 2013 bis 2015 für zwei Jahre als Sportdirektor beim Ligakonkurrenten Viktoria Pilsen gearbeitet hat. Am Samstag aber war auch Kuka voller Triumphgefühle:

Herzlichen Glüchwunsch! Wie stolz und erfreut sind Sie, dass ihr Stammverein Slavia Prag wieder die beste Mannschaft in Tschechien ist?

„Natürlich bin ich stolz, denn hier wurde eine gute Arbeit gemacht. Nach vier Begegnungen an den ersten fünf Spieltagen war Slavia nur Zwölfter oder gar Dreizehnter. Das war nicht der Platz, auf dem wir eigentlich stehen wollten. Aber wie wir danach gespielt haben, dies war schon ein Wunder.“

Jaroslav Šilhavý  (Foto: ČTK)
Was sind für Sie die Gründe dafür, dass Slavia Prag in diesem Jahr ganz oben steht?

„Nachdem Jaroslav Šilhavý die Mannschaft übernommen hat, hat er einen großen Rekord aufgestellt. Wir haben 25 Spiele (plus ein Nachholspiel, Anm. d. Red.) hintereinander nicht verloren, und das ist auch ein Grund dafür, dass ich heute sehr stolz bin. Šilhavý ist zudem ein Freund und ehemaliger Kollege von mir. Wir haben zusammen sehr viel erlebt, auch in der Nationalmannschaft. Deshalb freut es mich sehr, dass die Mannschaft etwas Großes geschafft hat.“

Also Wunder gibt es immer wieder. Man kommt von unten und ist dann ganz plötzlich oben. Wie soll es nun weitergehen? Bleibt die Mannschaft zusammen?

Foto: ČTK
„Ich hoffe schon. Wir haben momentan den stärksten Clubeigner, den wir je gehabt haben. Und die Meisterschaft ist sicher auch ein guter Grund dafür, dass man bei Slavia eine noch stärkere Mannschaft aufbauen wird, als sie es in dieser Saison war. Ich hoffe, dass wir uns bereits in der nächsten Saison für die Champions League qualifizieren werden.“

Slavia will also in der Qualifikation zur Champions League jetzt auch die ganz große Nummer schaffen?

„Das wird nicht einfach, aber ich hoffe, dass wir es schaffen – genauso wie Pilsen in den zurückliegenden Jahren. Ich sehe da momentan eine große Zukunft für Slavia, und das freut mich.“

In der Tat: Seit September 2015 ist die chinesische Firma China Energy Company Limited (CEFC) als neuer Eigner und Geldgeber bei Slavia Prag eingestiegen. Und seitdem geht es mit dem Traditionsverein wieder richtig voran. Dass ihre Mannschaft schon in der zweiten Saison die Meisterschaft gewinnt, hätten sich wohl auch die Chinesen nicht träumen lassen. Doch nun wollen sie erst recht auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren und vermutlich nun noch mehr Geld in den Verein und dessen Kader stecken. Das bestätigt auch Trainer Šilhavý:

Jaroslav Tvrdík  (Foto: ČTK)
„Die Clubführung mit Herrn Trvdík an der Spitze und die Eigner aus China wollen ein starkes Team aufbauen, das nicht nur in der tschechischen Liga dominiert und dort jedes Jahr um den Titel spielt, sondern das auch in den europäischen Wettbewerben konkurrenzfähig ist.“

Dass Slavia Prag dies möglicherweise bereits jetzt ist, wollen die Hauptstädter schon im Sommer beweisen, wenn sie in der Qualifikation zur Champions League in Runde drei einsteigen. Um in dieser Liga mitzuwirken, müssen sie zwei Gegner aus der sogenannten Meisterrunde ausschalten.

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen