Brünn ist sportbegeistert, noch gibt es aber zu wenig Unterstützung

Foto: Archiv FC Zbrojovka Brünn

Die südmährische Messestadt Brno / Brünn stellt sich gern auch als eine große Sportstadt dar. Der Hintergrund: Die Heimspiele des hiesigen Eishockeyclubs Kometa und in der Vergangenheit auch jene des Fußballvereins Zbrojovka Brünn sind beziehungsweise waren stets sehr gut besucht. Und das Motorradrennen auf dem nahegelegenen Masaryk-Ring, der jährlich ausgetragene WM-Lauf in der MotoGP, zieht immer wieder im August die enorme Zahl von über 200.000 Besuchern an. Dennoch rumort es hinter den Kulissen dieser Sportveranstaltungen, es ist längst nicht alles Sonnenschein.

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Eine gute Fußball-Liga lebt besonders von den brisanten Duellen zweier oder mehrerer rivalisierender Vereine. Dazu gehören Lokalderbys, regionale Derbys oder aber das Aufeinandertreffen von Kontrahenten, deren Erzrivalität auf dem Kampf um die Vormachtstellung in der jeweiligen Liga beruht. Zu letzterem Punkt wären aus der deutschen Bundesliga die Duelle zwischen Bayern München und Mönchengladbach in den 1970er Jahren, die Nord-Süd-Rivalität zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen auf der einen sowie Bayern München auf der anderen Seite, oder aber die spätestens ab 2010 wieder neu entflammte „Unversöhnlichkeit“ zwischen den „reichen“ Bayern und dem eher als volksnah geltenden Verein Borussia Dortmund zu nennen.

Eine ähnliche Rivalität zwischen den Regionen muss man im tschechischen Fußball lange suchen. In jüngster Zeit hat sich das nur 80 Kilometer von Prag entfernte Plzeň / Pilsen aufgerappelt, um dem ansonsten dominierenden Rekordmeister Sparta Prag (36 Titel) die Stirn zu bieten. Der zweite große Traditionsverein der Hauptstadt, Slavia Prag, plagt sich hingegen seit geraumer Zeit mit latenten Finanzproblemen. Und der besonders in den 1960er Jahren erfolgreiche Armeesportverein Dukla Prag hat in der freien Marktwirtschaft keinen starken ökonomischen Partner mehr, um ganz oben mitzuspielen. Doch was ist mit den Clubs aus den nach Prag größten Städten des Landes, dem knapp 380.000 Einwohner zählenden Brno / Brünn sowie der mährisch-schlesischen Eisen- und Stahlstadt Ostrava / Ostrau, die rund 300.000 Einwohner hat?

Stadion von FC Zbrojovka Brünn  (Foto: Archiv FC Zbrojovka Brünn)
Beide Vereine traten insbesondere von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre in Erscheinung. Jene Zeit bezeichnet der FC Baník Ostrava als seine goldene Ära, denn damals errangen die Ostrauer drei Meistertitel wie auch drei Vizemeisterschaften und gewannen 1978 zudem den tschechoslowakischen Pokal. In der darauffolgenden Saison stießen sie zudem im europäischen Pokal der Pokalsieger bis ins Halbfinale vor. In der selbständigen tschechischen Liga kamen dann aber lediglich eine Meisterschaft (2004) und ein Pokalgewinn (2005) hinzu. Noch trister sieht es beim FC Zbrojovka Brünn aus. Die Südmähren konnten bisher nur einen einzigen Titel bejubeln, und das war in der Saison 1977/78. An diesen Triumph noch sehr gut erinnern kann sich der Torjäger der damaligen Meistermannschaft, Karel Kroupa. Schließlich hatte der heute 65-Jährige seinerzeit im Kampf um den Titel einen wichtigen Elfmeter vergeben:

Karel Kroupa  (Mitte). Foto: Archiv FC Zbrojovka Brünn
„Mich hat das damals sehr gegrämt, dass ich den Elfmeter gegen unseren Titelkonkurrenten Dukla Prag nicht verwandelt habe. Damit hatte ich mir an jenem Tag noch für den ganzen Abend die Laune verdorben.“

Karel Kroupa wurde trotz des verschossenen Elfers in jener Saison mit 20 Treffern auch Torschützenkönig der Liga, und ein Jahr später, als Zbrojovka Dritter wurde, schnappte er sich ein zweites Mal die Torjägerkanone. Bei einem denkwürdigen Fußballspiel am vergangenen Samstag wurden aber auch noch andere Erinnerungen in ihm wach:

Petr Švancara  (Foto: David Sedlecký,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Ich habe in diesem Club elf Jahre lang als Aktiver gespielt und anschließend weitere 14 Jahre als Manager gearbeitet. Ich bin es mittlerweile gewöhnt, dass ich nach dem Mittagessen ein kleines Schläfchen mache, doch heute konnte ich wirklich nicht einschlafen.“

Karel Kroupa war am Samstag nämlich ein Mitakteur nicht nur irgendeiner Partie, sondern des Abschiedsspieles von Petr Švancara, dem heutigen Fußball-Idol in Brünn. Und das hatte der 37-Jährige in dem altehrwürdigen Stadion za Lužánkami ausrichten lassen, das in den 1970er und 1980er Jahren mit einem Fassungsvermögen von 50.000 Zuschauern das größte in der damaligen Tschechoslowakei gewesen ist. Heute aber ist die Arena in einem baufälligen und verwahrlosten Zustand, so dass der Brünner Verein dort seit 2001 nicht mehr seine Heimspiele austragen darf. Auf der anderen Seite ist es nach wie vor eine Kultstätte, zu der die Fans gerne pilgern. Das hat das Abschiedsspiel von Švancara deutlich bewiesen, denn nicht nur die heute maximal zugelassenen 23.000 Plätze waren am Samstag besetzt, sondern es waren sogar noch 2000 Zuschauer mehr zugegen. Mit einem solchen Ansturm hatte selbst Impulsgeber Švancara nicht gerechnet:

Petr Švancara und sein Abschiedsspiel  (Foto: Jan Kaliba,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Dieses Spiel wollten mehr Menschen sehen, als ins Stadion passten. Wir konnten also nicht alle Kartenwünsche zufriedenstellen. Ich danke der Polizei, dass sie darüber wacht, dass nicht zu viele Leute ins Stadion gelangen. Ich freue mich aber schon darauf, dass wir ab dem Montag mit dem Gefühl leben werden, eine gute Sache organisiert zu haben unter der Voraussetzung, dass die Sicherheit der Zuschauer gewährleistet wurde.“

Das war der Fall, auch wenn es die Brünner Fans erneut nicht lassen konnten, Pyrotechnik zu zünden, was bei einigen zu leichten Verbrennungen führte. Das marode Stadion aber gehört seit 2004 der Stadt Brünn. Deshalb nutzte Švancara sein gelungenes Abschiedsspiel am Montag dann auch dazu, um dem Zweck seiner Aktion noch einmal Nachdruck zu verleihen:

Petr Vokřál  (Foto: ČT24)
„Mit diesem Spiel endet das Déjà vu im Stadion za Lužánkami erst einmal. Was nun passiert, ist eine Sache der Investoren und ihrer Kommunikation mit unseren Stadtpolitikern. Ich appelliere an sie, es ebenso zu sehen, dass hier etwas geht. Die Zuschauer am Samstag haben klar gezeigt, dass sie den Sport wollen. Wir werden daher weiter darauf drängen, dass hier ein neues Stadion gebaut wird.“

Laut Oberbürgermeister Petr Vokřál hätten sich bereits drei Firmen darum beworben, den Stadionneubau durchzuführen. Darunter sei auch das deutsche Unternehmen, das die moderne O2-World-Arena in Berlin errichtet habe, behauptet Karel Kroupa. Der Hintergrund der Bemühungen von Ex-Spielern wie Kroupa und Švancara sowie der Fußballfunktionäre und Fans in Brünn ist eindeutig: Mit einem modernen Stadion und ständig über 20.000 Zuschauern im Rücken will die Sportstadt Brünn endlich wieder den gegenwärtigen Spitzenteams aus Pilsen und Prag auf den Pelz rücken. Bis dahin wird man sich aber wohl noch gedulden müssen, und der FC Zbrojovka muss seine Heimspiele bis auf weiteres im kleinen, nur 10.000 Plätze fassenden Städtischen Stadion im Stadtteil Královo Pole austragen.

MotoGP von Brünn vor dem Aus – 50. Auflage das letzte WM- Rennen?

Masaryk-Ring  (Foto: Lutz H,  Wikimedia CC BY 2.0 DE)
Er ist seit langem eine feste Größe im Kalender der Motorsportfans: der Grand Prix von Tschechien im Motorrad-Rennsport, der stets in der zweiten Augusthälfte auf dem Masaryk-Ring im mährischen Brünn ausgetragen wird. Und mit jährlich zumeist weit über 200.000 Zuschauern ist das MotoGP-Rennwochenende zudem die bestbesuchte Sportveranstaltung des Jahres in Tschechien. Nun aber könnte es mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren, dass die 2015er-Auflage des Tschechien-Grand-Prix auf Dauer auch die letzte WM-Rennsportveranstaltung für die schnellen Motorräder im Land sein wird. Der Grund ist die mangelhafte Re-Finanzierung des Klassikers durch deren Veranstalter, das Automotodrom Brno. Außer den Geldern aus dem immensen Ticketverkauf stehen der Betreibergesellschaft nämlich kaum weitere Einnahmen zur Verfügung. Demgegenüber aber stehen die hohen Kosten, allen voran die hohe Gebühr an den spanischen WM-Promoter Dorna. Diese Gebühr liegt in diesem Jahr bei rund 2,7 Millionen Euro. Um sie und die weiteren Kosten zu zahlen, hatte das tschechische Bildungsministerium schon im vergangenen Jahr einen Zuschuss lockergemacht, der indes aus rechtlichen Gründen an die politische Verwaltungsregion, den Kreis Südmähren, überwiesen wurde. Und zwar deshalb, weil der Staat ein privates Unternehmen nicht subventionieren dürfe, heißt es.

Jiří Smetana  (Foto: ČT24)
Jedermann glaubte, mit diesem Zuschuss werde das Automotodrom Brno nun in diesem Jahr die Grand Prix-Veranstaltung sicher stemmen können. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zwischen dem Kreis Südmähren und dem Rennveranstalter ist es bis heute noch nicht zu einer vertraglichen Einigung gekommen. Der Grund: Der von den Verantwortlichen des Kreises vorgelegte Entwurf sei ein Knebelvertrag, sagt Jiří Smetana vom Automotodrom Brno:

„In dem Vertrag wurden uns 50 Millionen Kronen zur Sicherstellung des Grand Prix der Tschechischen Republik angeboten, 30 Millionen davon sollten direkt an den Promoter Dorna gehen, um damit die Renngebühr zu zahlen. Weitere 20 Millionen wurden für den Kreis Südmähren ausgelobt, indem er entscheiden kann, für welche Zwecke dieses Geld ausgegeben wird. Zudem sah der Entwurf vor, dass wir als Veranstalter einen Teil unserer Einnahmen hätten abführen müssen in einer Größenordnung von 30 bis 35 Millionen Kronen. Das bedeutet, letztlich hätten wir kein Geld aus diesem Vertrag gesehen beziehungsweise er hätte uns sogar ein Defizit von fünf Millionen Kronen gebracht.“

Masaryk-Ring  (Foto: Hopfenbart,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Weil der Vertrag zwischen dem Kreis Südmähren und dem Automotodrom Brno nicht zustande kam, hatte Oberbürgermeister Petr Vokřál die Initiative übernommen und wollte seine Stadträte davon überzeugen, wie wichtig der Grand Prix als Werbeträger und so auch für das Image der Stadt sei. Der Versuch, die fehlenden 50 Millionen Kronen (ca. 1,8 Millionen Euro) aus der Stadtkasse zu zahlen, schlug indes fehl, die Mehrheit der Ratsherren stimmte nämlich gegen den Antrag. Die Chefin des Brünner Automotodroms, Ivana Ulmanová, zeigte sich daraufhin sehr enttäuscht:

„Im Moment warten wir auf eine Entscheidung des Promoters Dorna. Ich will unseren Fans nicht die Laune verderben, doch ich muss ihnen mitteilen, dass wir jetzt erst einmal den Kartenverkauf gestoppt haben, weil wir nicht wissen, was unsere Verhandlungen mit Dorna beim Grand Prix in Assen bringen werden und wie es weitergeht. In jedem Fall muss ich aber sagen, das der diesjährige Grand Prix der letzte in Brünn sein wird. Es ist leider so, und das tut mir schrecklich leid.“

Ivana Ulmanová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Diese Aussage machte Ulmanová am Dienstag vergangener Woche, kurz nachdem sich die Stadt Brünn gegen die Zahlung der millionenschweren Subvention für die Rennveranstalter entschieden hatte. Inzwischen kann aber zumindest für dieses Jahr Entwarnung gegeben werden: Der tschechische Grand Prix am 16. August findet wie geplant statt. Denn im Rahmen des Grand Prix in Assen hat Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta einem einstweiligen Aufschub der Gebührenzahlung durch die Brünner zugestimmt. Die weitere Zukunft des WM-Laufs in Tschechien bleibt indes ungewiss. Laut Ulmanová wolle Ezpeleta der Ausrichtung von weiteren Rennen in Brünn nur dann zustimmen, wenn ein Vertrag unterschrieben sei, bei dem eine staatliche Institution auch die Garantie übernehme, dass alle Verbindlichkeiten gezahlt werden.

Autor: Lothar Martin
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