Kleppern, Osterruten und gekratzte Eier: Osterbräuche in Südmähren

Foto: Martina Schneibergová

Das Osterfest ist der wichtigste christliche Feiertag. Trotzdem ist es mit vielen Volksbräuchen verbunden, deren Ursprung noch in heidnischen Zeiten zu suchen ist. Eine Region, in der die Volksbräuche noch immer lebendig sind, ist Slovácko / die Mährische Slowakei. Kurz vor Ostern eröffnete das Masaryk-Museum in Hodonín eine Ausstellung über die Osterbräuche, die mit einer Vorführung verschiedener Techniken des Ostereierverzierens sowie der Herstellung typischer Osterdekorationen verbunden war.

Ausstellung über die Osterbräuche in Hodonín  (Foto: Martina Schneibergová)
Einer jener Osterbräuche, der in der Ausstellung in Hodonín beschrieben wurde, wird bis heute in ganz Tschechien eingehalten: Am Palmsonntag werden während des Gottesdienstes in den katholischen Kirchen die Weidenkätzchen geweiht. Damit wird an den Einzug Jesu Christi in Jerusalem erinnert, wo ihm laut Evangelium das Volk zujubelte und auf dem Weg Palmzweige ausbreitete. Anstelle von Palmzweigen werden hierzulande seit Jahrhunderten Weidenzweige verwendet. Die geweihten Zweige werden in der Regel dann am Aschermittwoch des nächsten Jahres verbrannt. Tomáš Gronský arbeitet als Ethnograf im Masaryk-Museum in Hodonín. Er hat an der Zusammenstellung der Ausstellung über das Osterfest mitgearbeitet. In Südmähren werde, so Gronský, an einigen Orten eine Woche vor dem Palmsonntag noch ein besonderer Brauch eingehalten:

Foto: Jana Bendová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Es geht um eine Prozession von Mädchen, die mit einer bekleideten Strohpuppe durch das Dorf ziehen. Diese wird bei uns Morena, Mařena oder auch Smrtnice genannt. Der Brauch wird beispielsweise immer noch in Josefov unweit von Hodonín gelebt. Diese Strohpuppe heißt dort jedoch Baba. Die Figur wird dann entkleidet und in einen Bach oder Fluss geworfen. Das Hinaustragen der Morena aus dem Dorf wird als eine symbolische Verabschiedung vom Winter, aber auch von allem Bösen gedeutet. Es gibt verschiedene Theorien darüber, was das ursprünglich eigentlich symbolisieren sollte. Belegt ist das Hinaustragen der Morena in unserer Region schon im 14. Jahrhundert. Es gab Zeiten, in denen die Kirche diesen eher heidnischen Brauch verboten hat. Das Hinaustragen der Morena war hier immer nur eine Angelegenheit der Mädchen. Ein Pendant dazu stellen die Umzüge dar, bei denen wiederum ausschließlich Jungen am Gründonnerstag mit Ratschen oder Kleppern durch das Dorf ziehen.“

Tomáš Gronský  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Jungen tragen Ratschen oder so genannte Kleppern oder Klappern. Das ist Hämmerchen, das durch das Schlagen auf eine Holzleiste ein Geräusch erzeugt. In Mähren heißen die Jungen „klepači“, sie versammeln sich in der Regel am Gründonnerstag bei der Kirche. Einige schieben sogar spezielle, mit Kleppern ausgestattete kleine Schubkarren, die einen besonders großen Lärm produzieren. Die Teilnahme an diesem Umzug war früher erst ab einem bestimmten Alter möglich, erzählt der Ethnograf. Erst wenn ein Junge imstande war, Gänse zu hüten, durfte er mit den anderen klappernd durch das Dorf ziehen. Dieses Klappern soll das Glockengeläut ersetzen, so Gronský:

„Die Glocken sind Legenden zufolge am Gründonnerstag, also dem Tag des letzten Abendmahls Jesu Christi, nach Rom geflogen. Und sie erklingen erst wieder bei der Auferstehung – am Weißen Samstag. Früher hat man die Glocken zusammengebunden, damit sie nicht läuten konnten. Wenn die Glocken aber verstummten, brauchte man auf dem Land ein anderes Instrument, um die Gläubigen in der Kirche zu versammeln. Die Rolle der Glocken übernahmen also diese Klepper oder Ratschen. Die mit Ratschen ausgestatteten Schubkarren wurden oft noch mit einer hölzernen Judasfigur geschmückt.“

Foto: Martina Schneibergová
Bis heute können geschickte Tischler auf dem Land noch verschiedene Sorten von Kleppern herstellen. Viele Familien sind jedoch auf ihre geerbten historischen Klepper stolz.

Am Gründonnerstag habe man früher viel grünes Gemüse gegessen, erzählt der Ethnograf, das entsprach auch den Fastenregeln. In der Region von Hodonín wurde dieser Brauch nicht vergessen:

„Ich habe die Schulkinder gefragt, die unser Museum besuchen, was bei ihnen zu Hause am Gründonnerstag gegessen wird. Und sie haben geantwortet, dass bei ihnen wirklich meistens Spinat oder Erbsengerichte gekocht werden. Viele Familien halten diesen Brauch also ein.“

Foto: Martina Schneibergová
Das Osterfest hat laut Gronský seinen religiösen Inhalt behalten, im Unterschied zu Weihnachten, das inzwischen stark am Konsum orientiert ist. Der Karfreitag ist für die Gläubigen der Tag der größten Trauer. In der Mährischen Slowakei werden einige der Bräuche bis heute aufrechterhalten.

„Am Karfreitag darf man beispielsweise nicht auf dem Feld oder im Garten arbeiten. Denn die Erde darf nicht bewegt werden. Am Karfreitag soll man zudem fasten. Das bedeutet nicht nur, kein Fleisch zu essen, sondern auch generell nicht viel zu sich zu nehmen. Einst standen die Leute am Karfreitag früh auf und eilten zum Fluss oder zum Bach, um sich im frischen Wasser zu waschen. Dies praktiziert heute kaum jemand mehr. Früher war vor allem die Dorfbevölkerung viel stärker mit der Natur verbunden als heute. Die Leute glaubten, dass das frische Wasser eine wirklich reinigende Funktion hat. Mit dem Wasser sollten nicht nur die Sünden symbolisch gereinigt werden, sondern der Mensch sollte dank dem frischen Wasser das ganze Jahr lang gesund bleiben.“

Bearbeitung der Osterruten  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Karsamstag, der hierzulande als „Weißer Samstag“ bezeichnet wird, endet mit der Feier der Osternacht, zu der die Fastenzeit endet. Genauso wie in anderen Regionen Tschechiens werden zu Ostern auch in Südmähren das Osterbrot, das „mazanec“, sowie die so genannten „Judaskuchen“, also „jidáše“, gebacken. Auch ein süßes Lamm, das „beránek“ aus Biskuit- oder Rührteig darf auf dem Ostertisch nicht fehlen. Das Ostergebäck bringen die Gläubigen in die Kirche, um es weihen zu lassen. Am Ostersonntag bereiten sich auf dem Land vor allem die Jugendlichen auf den Ostermontag vor. Die Jungen flechten aus Weidenästen die Osterruten, die in Böhmen „pomlázka“ und in Südmähren „žíla“ genannt werden. Mädchen und Frauen bemalen die Ostereier. Am Ostermontag ziehen die Jungen und Männer von Haus zu Haus und suchen Mädchen und Frauen auf, um sie mit der Osterrute zu schlagen. Die Jungen bekommen für das Schlagen mit der Osterrute von den Mädchen bemalte Ostereier geschenkt. Dieser Brauch ist bis heute in ganz Tschechien verbreitet. In Südmähren kommt noch ein weiterer Brauch hinzu. Er stammt aus der Slowakei: am Ostermontag überschüttet oder bespritzt man die Mädchen mit Wasser.

Foto: ČT24
„Es gibt in Südmähren Orte, wo die Mädchen mit Wasser überschüttet werden oder wo sie mit Osterruten geschlagen werden. In der Slowakei wird mancherorts das Wasser durch Parfüm ersetzt. Das Überschütten mit frischem Wasser hatte traditionsgemäß denselben Sinn wie das Waschen mit frischem Wasser am Karfreitag. Über den Sinn des Osterrutenschlagens gibt es in der Fachliteratur verschiedene Theorien. Die frischen Weidenruten sollten aller Wahrscheinlichkeit nach genauso wie das frische Wasser dem Mädchen Gesundheit bringen. Man hat geglaubt, dass die Kraft aus den jungen Weidenruten auf die Frau übergehen könne.“

Kraslice  (Foto: Martina Schneibergová)
Bunt gefärbte Eier sind in ganz Tschechien an Ostern nicht wegzudenken, denn das Ostereierverzieren hat in den Böhmischen Ländern eine lange Tradition. Die Bezeichnung „kraslice“ für die bunten Ostereier war schon im 14. Jahrhundert bekannt. Ausgeblasene verzierte Eier sind eine gängige Osterdekoration. In Südmähren ist das Eierverzieren noch eine lebendige Volkskunst. Im Museum in Hodonín zeigt Tomáš Gronský einen Dokumentarfilm, den er mit seinen Mitarbeitern voriges Jahr an verschiedenen Orten in der Gegend von Hodonín gedreht hat. Er dokumentierte darin die Arbeit von rund 100 Frauen, die man „malérečka“ nennt und die verschiedene Techniken des Eierverzierens beherrschen:

´Kratzen´  (Foto: Martina Schneibergová)
„Gezeigt wird beispielsweise die Technik, die für die Region des nördlichen Podluží typisch ist: das so genannte ´Kratzen´. Im Fachjargon spricht man von ´gravierten´ Ostereiern. Die Frauen nutzen dazu verschiedene spezielle Instrumente, meistens kleine Feilen. Früher – bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts – haben die Frauen meist hartgekochte Eier verziert. Heutzutage werden ausgeblasene Eier mit unterschiedlichen Ornamenten und Mustern geschmückt. Fast jede dieser Malerinnen hat ein Heft mit ihren eigenen Mustern. Sie beginnen in der Regel damit, dass sie die Fläche vertikal oder horizontal in einige kleinere Streifen gliedern und dann füllen sie diese Streifen mit Ornamenten. Ich bin davon überzeugt, dass eine bestimmte Begabung dafür notwendig ist. Ich weiß, dass die Malerinnen die Arbeit ihrer Kolleginnen an bestimmten typischen Merkmalen erkennen.“

Marie Mikušová  (Foto: Martina Schneibergová)
Eine der Malerinnen, die jene so genannte Kratztechnik beim Ostereierverzieren nutzen, ist Marie Mikušová aus Starý Poddvorov. Sie zeigt ihr Können im Museum in Hodonín. Unter den schnellen Fingern der Malerin entstehen auf dem dunkel gefärbten Ei komplizierte Ornamente. Womit beginnt sie immer?

„Zuerst muss ich sehr vorsichtig ein weißes Ei ausblasen. Dann wird das Ei in Wasser mit Essig gewaschen, um sämtliches Fett von der Schale zu entfernen. Die Farbe mische ich selbst, sie muss erst etwa zwei Wochen liegen, damit sie den richtigen Lila-Ton bekommt. Das Ei bemale ich meistens zweimal mit dieser Farbe, die eine dünne Schicht bilden muss. Erst wenn die Farbe trocknet, kann ich das Rasiermesser in die Hand nehmen und mit dem Kratzen beginnen.“

Foto: Martina Schneibergová
Marie Mikušová skizziert aber zuerst ein paar Muster auf der Eierschale, bevor sie mit dem Kratzen der Ornamente anfängt. Die Arbeit muss präzise sein.

„Das hat mir meine Mutter beigebracht. Ich war knapp zehn Jahre alt, als ich mit dem Ostereierverzieren begann. Als ich dann 13 oder 14 Jahre alt war, hatte ich andere Interessen, ich habe vor allem in einem Folkloreensemble getanzt. Dann hatte ich Kinder und bin arbeiten gegangen, es blieb mir nicht viel Zeit, um Ostereier zu verzieren. Erst als die Kinder erwachsen wurden, habe ich mich wieder damit beschäftigen können. Es hat mir immer schon Spaß gemacht. Jetzt bin ich in Rente und habe mehr Zeit. Jetzt arbeite ich mit Eifer daran.“

Marie Mikušová  (Foto: Martina Schneibergová)
Jedes Ei ist eigentlich ein kleines Kunstwerk, jedes ist ein Original. Davon konnten sich die Museumsbesucher bei einem näheren Blick in die Schüssel mit zahlreichen unterschiedlich gemusterten Eiern überzeugen. Geduld muss Marie Mikušová schon haben:

„Ich habe schon lange Übung. Es dauert etwa zwei Stunden lang, ein Ei mit den Ornamenten zu bedecken. Bei dem so genannten ´Spitzenmuster´ muss ich einige Muster im Voraus bemessen, sodass ich bis zu drei Stunden brauche, um das Osterei zu verzieren.“

Marie Mikušová hofft, dass eine ihrer Enkelinnen in ihren Fußtapfen treten werde und so die Muster, die sie selbst von ihrer Mutter lernte, nicht vergessen werden.

Dagmar Freiwaldová  (Foto: Martina Schneibergová)
Neben der Kratztechnik wird beim Ostereierverzieren auch Batik oder Ätztechnik benutzt. Dagmar Freiwaldová aus Ždánice bei Kyjov hat sich jedoch auf die so genannte „Richelieu-Technik“ spezialisiert. In ausgeblasene Gänseeier bohrt sie kleine Löcher, die sie in verschiede Ziermuster verwandelt.

„Mit einer kleinen Feile schleife ich vorsichtig die Löcher, bis sie eine bestimmte Form haben. Dann lege ich das Ei in eine Desinfektionslösung, um die Haut im Inneren des Eies zu beseitigen. Das Ei wird im Wasser gewaschen und erst danach schmücke ich das Ei noch mit Bienenwachs.“

Foto: Martina Schneibergová
Da die Muster an dem Ei an die Richelieu-Spitzen erinnern, wird die Technik auch einfach nur Richelieu genannt. Dagmar Freiwaldová hat sie selbst nach Vorlagen aus der Slowakei gelernt. Die Gänseeier haben eine dickere Schale und sind darum für diese Technik besser geeignet als Hühnereier.

„Ich arbeite nur mit diesem kleinen Handbohrer. Es gibt inzwischen sogar elektrische Bohrer, die dafür benutzt werden, den habe ich aber nicht. Ich denke aber, dass es besser ist, ohne elektrische Geräte zu arbeiten. Es dauert etwa eine bis anderthalb Stunden, ein Ei zu schmücken.“

Foto: Martina Schneibergová
Dagmar Freiwaldová ist ihren Worten zufolge nicht die einzige, die in der Region von Kyjov Ostereier mit der Richelieu-Technik verziert. Sie sei aber eine der wenigen, die keinen elektrischen Bohrer benutzen.