Tycho Brahe zum dritten Mal in der Teynkirche beigesetzt

Gottesdienst (Foto: Martina Schneibergová)

Für dänische Touristen ist es eine Art Wallfahrtsort: Wenn sie nach Prag kommen, besuchen sie das Grab des dänischen Astronomen Tycho Brahe in der Teynkirche. Der Hofastronom von Kaiser Rudolf II. sorgte auch mehr als 400 Jahre nach seinem Tod für Schlagzeilen – in Tschechien sowie in seiner Heimat. Die Umstände, unter denen der Wissenschaftler starb, beschäftigen nicht nur die Forscher, sondern auch Krimi-Autoren. Vor zwei Wochen öffnete ein dänisch-tschechisches Forscherteam Brahes Grab in der Teynkirche, um die sterblichen Überreste des Astronomen zu erforschen.

Teynkirche
Es war klar, dass da ein bedeutender Mensch beigesetzt wird. Am Freitag, dem 19. November, war die Teynkirche voll von Menschen. In den ersten Reihen saßen Politiker und Diplomaten, Fotografen drängten sich vor den Seitenaltären. Der Prager Erzbischof Dominik Duka, begleitet von Vertretern der dänischen evangelisch-lutheranischen Kirche, zelebrierte den Gottesdienst. Er erinnerte an die Verdienste des dänischen Astronomen Tycho Brahe um die Wissenschaft:

„Tycho Brahe lebte in dieser Stadt in der Zeit Rudolfs II., in einer Zeit, als Prag zum zweiten Mal zum Mittelpunkt des römischen Reichs geworden ist,“ so der Erzbischof, der über dem Sarg mit den sterblichen Überresten des Astronomen ein Gebet vorlas. Ein Gebet für den Wissenschaftler, der vor 409 Jahren starb, erklang auch auf Dänisch.

Grab von Tycho Brahe  (Foto: Barbora Kmentová)
Der Sarg wurde in die Gruft gelegt, die Glocken läuteten – wie vielleicht damals im Jahre 1601. Ein dänischer Chor schloss die Totenmesse mit Gesang ab. Tycho Brahe wurde soeben zum dritten Mal bestattet.

Vier Tage zuvor sah es in der Teynkirche weniger würdevoll, dafür aber viel hektischer aus. Dutzende Fotografen und mehrere Fernsehteams balancierten auf Leitern vor dem Ziergeländer am Hauptaltar. Sie alle bemühten sich, genau den Moment einzufangen, wo das Grab von Tycho Brahe geöffnet wird.

Jaroslav Podliska  (Foto: Barbora Kmentová)
Um die Gruft herum standen tschechische und dänische Archäologen. Jaroslav Podliska leitet die archäologische Abteilung der Prager Denkmalschutzbehörde. Er beschreibt die Arbeit seiner Kollegen:

„Es wurden die Reste des Pflasters um das Grabmal herum beseitigt, damit man die Grabplatte anheben kann. Danach wird die Gruft mit einer kleinen Kamera erforscht, um zu wissen, wie man die Arbeit weiter fortsetzen soll.“



Tycho Brahe
Einige Stunden lang arbeiteten die Forscher in der Teynkirche, bevor das Grab des Astronomen geöffnet werden konnte. Die sterblichen Überreste Brahes wurden dann bis zum Freitag in Prag von dem tschechisch-dänischen Team erforscht. Die dänischen Wissenschaftler werden ihre Analysen in ihrer Heimat fortsetzen, um festzustellen, wie Brahe lebte und vor allem wie er starb.

Tycho Brahe kam im Frühjahr 1599 nach Böhmen. Er ließ sich im Schloss in Benátky nad Jizerou nieder. Dort traf er zum ersten Mal mit Johannes Kepler zusammen. Brahe wirkte als Hofastronom bei Rudolf II. In Prag wohnte er im Curtius-Haus in Pohořelec in der Nähe der Prager Burg. Heutzutage steht in der Nähe das Johannes-Kepler-Gymnasium. Aus Pohořelec begab sich am 4. November 1601 der Trauerzug mit Brahes Sarg Richtung Altstädter Ring, wo der Astronom in der Teynkirche beigesetzt wurde.

Das Grab wurde in der Vergangenheit schon einmal geöffnet: im Jahre 1901 anlässlich des 300. Todestags von Tycho Brahe. Damals verfügte man jedoch noch nicht über Methoden, mit denen man die Todesursache hätte feststellen können, erzählt Archäologe Jaroslav Podliska. In der Kommission, die damals die sterblichen Überreste des Astronomen erforschte, war auch der namhafte tschechische Anthropologe Jindřich Matějka, erzählt Podliska:

„Sein Bericht war sehr umfassend. Wir wissen, wie Brahes sterbliche Überreste ungefähr ausgesehen haben, wie groß der Astronom war und dass er eine mächtige Figur hatte. Interessant an dem Bericht ist die Erwähnung, dass das Grab zum Teil verschüttet war. Dies erläuterte man damals damit, dass es in der Kirche 1679 einen Brand gab. Ein Teil des Gewölbes im Hauptschiff stürzte dadurch ein und beschädigte wahrscheinlich auch die Gruft.“

Grabmal von Tycho Brahe in der Teynkirche
Bei der Untersuchung des Schädels entdeckten die Forscher damals eine grünlich gefärbte Stelle dort, wo die Nase war. Sie waren Podliska zufolge der Meinung, dass es sich um Spuren der Nasenprothese handelte. Denn es ist bekannt, dass Brahe in seiner Jugend bei einem Duell einen Teil seiner Nase verloren hatte.

Für eine der möglichen Todesursachen Brahes hält man eine Vergiftung mit Quecksilber. Denn Brahe arbeitete oft mit Quecksilber, wenn er seine Geräte vergoldete. Er machte auch alchimistische Experimente. Über seinen Tod kursieren aber verschiedene Legenden im Zusammenhang mit einem Festmahl, das Petr Vok im damaligen Palais Rosenberg – heute Palais Schwarzenberg – veranstaltet hatte. Es sei dort eine noble Gesellschaft zusammengetroffen, erklärt Historiker Zdeněk Hojda:

Petr Vok
„Es waren dort einige Hofräte sowie viele Vertreter des böhmischen Adels anwesend. Auch Johannes Kepler nahm an dem Festmahl teil. Er hinterließ einen Bericht über das Fest. Aus diesem Bericht geht hervor, dass sich Brahe nicht traute, den Raum früher als der Gastgeber zu verlassen. Dies galt nämlich als Fauxpas.“

Wie Kepler schrieb, konnte Brahe danach einige Tage lang nicht urinieren und verbrachte schlaflose Nächte. Er soll große Schmerzen und Fieberphantasien gehabt haben. Am 24. Oktober sei Brahe gestorben, umgeben von seinen betenden und trauernden Freunden und Verwandten, heißt es in Keplers Bericht.

In den tschechischen Geschichtsbüchern werden Nierensteine als Ursache für Brahes Tod genannt. Weiter verbreitet ist hierzulande die These, dass dem Astronomen die Harnblase geplatzt sei, weil er sich nicht getraut hatte, den Festsaal zu verlassen. Es gibt auch Vermutungen, jemand hätte Brahe vergiftet. Zdeněk Hojda meint dagegen, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Astronom selbst ein Medikament geschluckt hat, das Quecksilber enthielt.

Zdeněk Hojda
„Kann sein, dass er nach zehn schlaflosen Nächten und großem Leiden nach einer stärkeren Dosis Arzneimittel griff. Ob in der Hoffnung auf Heilung oder aus einem anderen Grund.“

Der dänische Literaturhistoriker Peter Andersen veröffentlichte eine andere Hypothese. Im Tagebuch von Erik Brahe, einem entfernten Verwandten des Astronomen, soll Andersen eine indirekte Erwähnung von Eriks Reise nach Prag gefunden haben. Das Ziel der Mission soll gewesen sein, im Auftrag des dänischen Königs Christian IV. Tycho zu beseitigen. Andersen zufolge soll Tycho einst ein Liebesverhältnis mit Christians Mutter Sophia gehabt haben. Was weiß man wirklich über Erik Brahe? Historiker Hojda:

Jan Kučera  (Foto: Zdeněk Vališ)
„Erik Brahe freundete sich mit Tycho an. Er nahm mit ihm am Festmahl bei Petr Vok teil. Wir wissen auch, dass Erik während der Krankheit an Tychos Bett weilte.“

In den gefundenen Resten von Brahes Haar werden die Wissenschaftler nach einer Haarwurzel suchen, sagt Jan Kučera vom tschechischen Institut für Atomphysik:

„Wenn es uns gelingt, ein Haarwurzel zu identifizieren, werden wir vielleicht imstande sein, zu sagen, ob Tycho an den Folgen einer akuten Quecksilbervergiftung starb oder nicht.“

Zdeněk Dragoun  (in der Mitte). Foto: Barbora Kmentová
Die Krimi-Leser, die damit rechnen, dass nach mehr als 400 Jahren auch der eventuelle Mörder des Astronomen enthüllt wird, könnten enttäuscht sein, meint der Archäologe Zdeněk Dragoun:

„Ich würde einen Unterschied zwischen den Erwartungen der Medien und jener der Experten machen. Ich befürchte, dass es nicht in unseren Möglichkeiten liegt, zu bestimmen, wer hinter dem eventuellen Mord stand.“

Übrigens stehe eine Fahndung nach dem Täter nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Forscher, sagt Zdeněk Dragoun:

„Mein dänischer Kollege Jens Vellev, der die Öffnung von Brahes Grab initiierte, sagt immer, uns interessiert nicht nur, wie Tycho starb, sondern auch wie er lebte. Denn die neuen Analysen können viel mehr als nur die Todesursache erläutern. Und darauf freue ich mich schon.“

In einigen Monaten sollen nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Öffentlichkeit mehr über das mit Legenden umwobene Leben und den Tod von Tycho Brahe erfahren.