Sehr nahe an Mozart: Mit Dirigent Asher Fisch im Ständetheater

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Vor fast 219 Jahren wurde Mozarts Don Giovanni in diesem Theater uraufgeführt. Seitdem wurde die Oper in den böhmischen Ländern schon mehr als 120 Mal einstudiert. Ins Prager Ständetheater, wo Don Giovanni vorige Woche neu einstudiert wurde, lädt Sie Martina Schneibergova im folgenden "Spaziergang durch Prag" ein.

Prager Ständetheater
Das Prager Ständetheater ist vor allem als Operngebäude bekannt geworden, wo Mozarts Don Giovanni uraufgeführt wurde. Das Theatergebäude ließ der aufgeklärte Aristokrat Graf Anton Nostitz-Rieneck bauen. Den Grundstein legte man am 7. Juni 1781. Das Gebäude wurde im klassizistischen Stil nach den Plänen des Architekten Antonín Haffenecker gebaut. Nach dem Tod des Grafen Nostitz bot der Erbe, Graf Friedrich Nostitz, das Theater den böhmischen Ständen zum Kauf an, welche es 1798 übernahmen. Seitdem trug es den Namen Königliches Ständetheater. 1948 wurde das Theater in Tyl-Theater umbenannt. Seit 1991 wird wieder die historische Bezeichnung Ständetheater / Stavovske divadlo benutzt.

Die Oper Don Giovanni wurde während Mozarts zweiten Besuchs in Prag uraufgeführt. Die "Prager Oberpostamtszeitung" schrieb nach der Premiere unter anderem:

"Montags den 29. wurde von der italienischen Operngesellschaft die mit Sehnsucht erwartete Oper des Meisters Mozart Don Giovanni, oder das steinerne Gastmahl gegeben. Kenner und Tonkünstler sagen, dass zu Prag ihres Gleichen noch nicht aufgeführt worden. Herr Mozart dirigierte selbst, u. als er ins Orchester trat, wurde ihm ein dreimaliger Jubel gegeben, welches auch bei seinem Austritte aus demselben geschah.... Es werden auch sehr viel Kosten durch mehrere Chöre und Dekoration erfordert, welches alles Herr Guardasoni -der Regisseur der Oper - glänzend hergestellt hat. Die außerordentliche Menge Zuschauer bürgen für den allgemeinen Beifall."

Soweit die "Prager Oberpostamtszeitung" im Oktober 1787. Vorige Woche fand die Premiere einer Neuinszenierung von Mozarts Don Giovanni im Ständetheater statt. Ganz neu war jedoch diese Inszenierung nicht. Der Bühnenbildentwurf von Josef Svoboda wurde von der berühmten Aufführung aus den sechziger Jahren übernommen. Svoboda nutzte den einzigartigen Zuschauerraum des Theaters und verlängerte ihn auf die Bühne. Neu waren diesmal jedoch die prächtigen Kostüme von Theodor Pistek. In der Premiere stellten sich namhafte ausländische Solisten vor - unter anderen Gerald Finley in der Hauptrolle und Maurizio Muraro als Leporello. Für die musikalische Leitung der altneuen Don Giovanni-Inszenierung sorgte der israelische Dirigent Asher Fisch, mit dem ich kurz vor der Premiere im Ständetheater sprach:

Dirigent Asher Fisch  (Foto: Autorin)
Auf der Pressekonferenz anlässlich der Premiere haben Sie über eine europäische zentrale historische Linie im musikalischen Bereich gesprochen. Wie haben Sie das gemeint?

"Als ich 1992 zum ersten Mal nach Berlin kam, mit Daniel Barenboim, um in der Staatsoper zu dirigieren, habe ich eine Welt entdeckt, die für mich nicht bekannt war, d. h. wie Orchester in diesem Teil der Welt immer noch heute spielen, wie sie vor fünfzig Jahren, hundert Jahren und wahrscheinlich noch länger spielten. Ich habe dann wirklich verstanden, dass das, wie wir in vielen Ländern über Mozart, Brahms, Beethoven, Schubert entscheiden, auch von der Ignoranz stammt, weil die Tradition hier viel älter ist und Wurzel hat. Wir müssen das beachten, wenn wir uns stilistisch entscheiden, wie wir diese Musik spielen. Wir können das einfach nicht ohne Rücksicht auf die Praxis, die in diesen Ländern ist, spielen. Deswegen dirigiere ich sehr, sehr gern in diesen Ländern - in Budapest, in Wien, Prag, Dresden und Berlin - in diesen zentral europäischen Städten, wo vielleicht 80 Prozent unserer Musik geschrieben wurde."

Mozart und Prag, Mozart und das Ständetheater - es klingt zwar als ein Klischee, aber wie ist es, Mozart hier zum ersten Mal zu dirigieren? Haben Sie das Theater schon vorher gekannt?

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"Nein, ich war nur einmal in Prag als Tourist und damals war ich im Ständetheater nicht. Als ich Mozart in der Staatsoper in Wien zum ersten Mal dirigiert habe, habe ich gedacht: Das ist schon sehr nahe an Mozart. Aber hier ist es noch näher, das ist klar. Da freue ich mich riesig, dass ich diese Chance habe, hier zu dirigieren."

Die Musiker können Don Giovanni bestimmt schon auswendig von den vielen Aufführungen. Inwieweit ist es schwierig sie für einen Dirigenten, der hier neu ist, sie zu beeinflussen?

"Ja, schon. Denn alles, was ein neuer Dirigent sagt, kann von Musikern als Kritik interpretiert werden - als eine Änderung, die nicht notwendig ist, d. h. es ist also doppelt so schwer. Käme ich mit israelischer Musik, da würde kein Mensch was dazu sagen - ich weiß das und Schluss. Deswegen ist es schwierig. Aber es ist meine Arbeit und ich muss es nachvollziehen. Ich muss dirigieren, wie ich es kann, aber - wie gesagt - mit Rücksicht auf die hiesige stilistische und traditionelle Aufführungspraxis."

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Gibt es bestimmte schwierige Stellen bei Don Giovanni, die man bei einer Neueinstudierung besonders beachten soll?

"Ja. Alles, was dramatisch und schnell ist, ist bei Don Giovanni irgendwie leicht. Die Rezitative sind schwierig zu dirigieren, aber ich habe das schon so oft gemacht. Was ich sehr schwer finde, sind die lyrischen Stücke bei Don Giovanni: Wie langsam kann man das Terzett am Anfang des zweiten Akts dirigieren? Was bedeutet Sechsachtel? Die große Arie von Ottavio oder die zwei Arien von Zerlina haben immer ein Tempo- und Diktusproblem - wie soll das gehen, ist es wirklich langsam zu interpretieren? Für mich sind also die lyrischen und leisen Stellen bei Don Giovanni viel schwieriger als die dramatischen Stellen, die einfach von sich alleine spielen."

Vor der Premiere war über das Bühnenbild und über die Kostüme die Rede. Herr Pistek, der die Kostüme entworfen hat, sagte, dass er das nicht mag, wenn Don Giovanni Motorrad fährt oder Othello einen Raumanzug trägt. Bevorzugen Sie auch die so zu sagen klassische Inszenierung?

Theodor Pistek  (Foto: Autorin)
"Ich finde es richtig, das Stück in diesem Theater nicht zu modernisieren, weil es einen historischen Wert hat. Denn wir spielen Mozart in Mozarts Theater. Aber ohne neue Entwicklungen in der Oper wäre unser Schicksal so wie in vielen Ländern das Schicksal der Konzerte - d. h. die Oper würde nicht mehr als ein lebendiges Genre leben, sondern allmählich sterben und nur als ein Museumsstück bleiben. Es würde bedeuten, dass die jungen Leute nicht mehr in die Oper gehen würden. Ich meine, dass nicht nur moderne, aber neue Inszenierungen für unsere Kunst sehr wichtig sind."

Sie haben unter anderem auch Zemlinskys "König Kandaules" in Wien dirigiert. Dieser Komponist wurde auch bei uns vor einigen Jahren so zu sagen wieder entdeckt. Wie haben Sie diesen Komponisten entdeckt und was schätzen Sie an ihm besonders hoch ein?

"Als ich noch einmal nach Berlin und Wien in den neunziger Jahren kam, habe ich in Wien die Vorkriegsmusik entdeckt. Das war für mich sehr wichtig: Schreker, Zemlinsky - diese jüdische Tradition. Es bedeutet für mich zur kulturellen Vorkriegszeit wieder Kontakt aufzunehmen, weil unser Kulturleben im Zweiten Weltkrieg total abgebrochen ist. Ich versuche, Kontakt zu den letzten Dirigenten, zu den letzten Komponisten, die damals geschrieben haben, zu finden. Ich führe auch sehr gern Strauss auf. Schreker wird leider nicht oft gespielt, aber ihn würde ich auch sehr gern aufführen, und darum auch Zemlinsky. Ich fühle mich sehr wohl im deutschen Stil - also in der deutschen Oper - wie Strauss, Wagner, aber auch bei Zemlinsky und anderen."

Wolfgang Amadeus Mozart hat Prag einige Jahre nach der Uraufführung von Don Giovanni wieder besucht. Wenn Sie wissen, in welchem Jahr der Komponist zum dritten Mal Prag besucht hat, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Kontrollfrage zur Sendung. Für die richtige Beantwortung der Frage können Sie ein Buch über Prag gewinnen. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.

In der letzten Ausgabe dieser Sendereihe im April fragten wir Sie nach der Prager Synagoge, in deren Gebäude sich die Robert-Guttmann-Galerie befindet. Es ist die Spanische Synagoge. Ein Buch über Prag geht diesmal an Michael Keller aus Mistelbach bei Wels in Österreich.