Schlesien - Perle in der Böhmischen Krone

Madonna von Doudleby

Schlesien ist eine bedeutende historische Kulturregion in Mitteleuropa. Heute gehören der Großteil von Schlesien zu Polen und ein kleinerer Teil zu Tschechien. Bis 1945 gehörte der Großteil des Landes zu Preußen und danach zu Deutschland. Zuvor waren jedoch die schlesischen Fürstentümer mehr als 400 Jahre lang Bestandteil der Böhmischen Krone. Die Kontakte zwischen Schlesien und den anderen Ländern der Böhmischen Krone im Kunstbereich werden in einer großen Ausstellung vorgestellt, die von der Nationalgalerie in Prag eröffnet wurde.

Madonna von Doudleby
Zum ersten Mal überhaupt wird dieses Thema, mit dem sich die Kunsthistoriker schon etwa ein Hundert Jahre lang beschäftigen, so ausführlich behandelt. Sonst wurde dem Thema wegen sprachlicher und nationaler Denkstereotypen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Es geht um die künstlerischen Beziehungen zwischen Schlesien und den anderen Kronländern. In der Ausstellung, die den Titel "Schlesien - die Perle in der böhmischen Krone" trägt, werden diese Beziehungen im Verlauf von vier Jahrhunderten dokumentiert. Sie beginnt mit Werken aus dem gotischen Mittelalter, zeigt Beispiele aus dem Schaffen der Künstler, die zum rudolfinischen Manierismus gehören und endet mit der Kunst des Hochbarock. Das Konzept der Ausstellung wurde von den Kunsthistorikern der Universität im polnischen Breslau ausgearbeitet. Die Prager Nationalgalerie bereitete die Ausstellung noch mit einer weiteren polnischen Partnerorganisation vor - mit dem Kupfermuseum in Legnica / Liegnitz. In der Ritterakademie in Legnica wurde vom Mai bis zum Oktober des vergangenen Jahres die erste Fassung der Ausstellung gezeigt. Diese Ausstellung war jedoch kleiner, als die jetzige Schau in Prag.

Die Prager Ausstellung beschreibt - wie erwähnt wurde - drei wichtige Zeitepochen, in denen Schlesien zur Böhmischen Krone gehörte. Es handelt sich um Kunstwerke aus der Zeit von der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Es werden hier nebeneinander hervorragende Werke gezeigt, von denen man ahnte, dass sie zueinander gehören, die jedoch in der Neuzeit nie auf diese Weise miteinander konfrontiert wurden, sagt der Kurator der Ausstellung, Vit Vlnas, der die Sammlung der alten Kunst der Nationalgalerie leitet.

"Der erste gotische Teil der Ausstellung überrascht mit seinem Umfang. Ich möchte vor allem auf die Werke im Stil der Madonna mit dem Löwen aufmerksam machen, der für ein spezifisch schlesisches Phänomen gehalten wird. Weiter sind hier Werke des Meisters der Kalvarie von der Theynkirche sowie die Höhepunkte des so genannten schönen Stils zu sehen. Zum ersten Mal wurden hier die Fragmente des berühmten Altars aus Vyssi Brod / Hohenfurth zusammengetragen, die sich in Sammlungen in Prag und in Budapest befinden."

Eine der Dominanten der gotischen Ausstellung stellt der Ölberg aus Olomouc / Olmütz dar. Bewundern kann man da auch eine der schönsten Statuen aus der Wende des 14. und 15. Jahrhunderts, die in Tschechien zu finden sind, und zwar die Heilige Katharina aus Jihlava / Iglau.

Die Zeit des Manierismus wird in der Ausstellung nicht durch so viele Kunstwerke wie die der Gotik dokumentiert. Aus künstlerischer Sicht dominiert hier die Statue des Christus an der Säule, die Adrian de Vries ursprünglich für das Grabmal von Adam von Hanniwald in einer Kirche in Zorawina bei Breslau geschaffen hat. Der Kurator dazu:

Hl. Adalbert auf dem Grünen Berg
"Das war eine Kirche, die eine Schatzkammer der manieristischen Kunst in Schlesien darstellte. Ihr Mäzen Adam von Hanniwald nutzte die Kontakte zu seinem Bruder Andreas von Hanniwald aus, der einen wichtigen Posten am Hof Rudolfs II. bekleidete und in der Lage war, namhafte rudolfinische Künstler nach Schlesien zu vermitteln. Aus dem Grund werden hier auch einige lokale schlesische Malereien gezeigt, die von Künstlern geschaffen wurden, die sich vom Prager rudolfinischen Stil inspirieren ließen. Eine sehr große Überraschung stellen meiner Meinung nach zwei sehr gute Werke von Bartholomäus Strobel, dem Jüngeren - einem schlesischen Maler - dar, der in seinem Werk an das Schaffen der Prager manieristischen Schule angeknüpft hatte."

In dem Teil der Ausstellung, in dem die Barockkunst gezeigt wird, konzentriert sich die Aufmerksamkeit zuerst auf die Zeit des 17. und des Anfangs des 18. Jahrhunderts. Damals hatte Schlesien noch Böhmen die entscheidenden Impulse für das expressive Barockschaffen geliefert. Es wird hier das Schaffen des bedeutendsten schlesischen Malers dieser Zeit, Michael Lukas Leopold Willmann, vorgestellt. Willmann wirkte auch in Prag. Er stand am Anfang einer Tradition, die die Malerei in Böhmen bedeutend beeinflusst hat: Durch Willmanns Stiefsohn Jan Krystof Liska und Enkelsohn Georg Wilhelm Neunherz. In der zweiten Phase der Barockzeit, die hier dokumentiert wird, expandierte wiederum die böhmische Kunst nach Schlesien, sagt Vit Vlnas:

"Diese Zeitetappe wird hier durch einige hervorragende Werke aus dem Kloster Grüssau / Krzeszow dokumentiert. Es werden hier unter anderem Gemälde von Petr Brandl vorgestellt, deren Existenz man in der tschechischen Kunstgeschichte eher geahnt hat, als dass man sie wirklich gekannt hätte. Denn der geografische Horizont vieler tschechischer Kunsthistoriker endete so zu sagen beim Riesengebirge. In der Ausstellung wird des Weiteren an die beachtenswerte Stiftungstätigkeit der Benediktiner aus Brevnov und aus Broumov / Braunau erinnert. Zu nennen ist beispielsweise das große Gemälde von Vaclav Vavrinec Reiner - ´Das Wunder des heiligen Adalbert auf dem Grünberg´, das er für die Kirche in Legnickie Pole / Wahlstatt schuf. Das Werk wurde speziell für diese Ausstellung restauriert."

Die Besucher sollten sich in der Ausstellung auch den Teil nicht entgehen lassen, in dem das Kunstgewerbe vorgestellt wird. Es gibt hier Beispiele von böhmisch-schlesischem Glas sowie Werke, die auf dem Hof Rudolf II. entstanden sind - wie beispielsweise ein Reliquienkreuz von Krystof Popel von Lobkowicz. Auf dem Balkon des Ausstellungssaals kann man außerdem eine Sammlung von illuminierten Handschriften schlesischer Herkunft besichtigen, die aus der Universitätsbibliothek in Breslau ausgeliehen wurden und die in diesem Umfang zum ersten Mal außerhalb von Schlesien ausgestellt werden. Die Ausstellung, in der Werke zu sehen sind, die von 60 Stellen aus vier Ländern ausgeliehen wurden, dauert bis zum 8. April diesen Jahres. Sie wird ergänzt durch ein reichhaltiges Begleitprogramm, zu dem kommentierte Führungen durch die Ausstellung sowie Vorträge gehören. Die Waldstein-Reitschule ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Fotos: Autorin