Prag: ein Juwel in Bedrängnis?

Altstadt und die Prager Burg (Foto: Ben Skála, CC BY-SA 2.5)
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Seit 25 Jahren ist Prag Unesco-Weltkulturerbe. Das bringt viele Vorteile, hat aber auch Schattenseiten.

Altstadt und die Prager Burg  (Foto: Ben Skála,  CC BY-SA 2.5)
Prag ist ein Querschnitt durch die Geschichte, auch was die Architektur, Kunst und Kultur betrifft. Es gibt kaum eine Stadt in Europa, die sich seit dem Mittelalter so ungestört entwickeln konnte. Ob nun die mittelalterliche Altstadt, die Prager Burg mit ihrem Mix der Jahrhunderte, oder aber die Gründerzeitviertel Vinohrady und Karlín – Prag ist schlicht einzigartig. Auch deshalb wurde die Stadt an der Moldau, beziehungsweise ihr historischer Kern, vor 25 Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Jiří Skalický ist Leiter des Prager Denkmalschutzamtes:

„Der Unesco-Welterbe-Titel war positiv für Prag, denn so wurde der Stadt gezeigt, dass sie zu den wichtigsten kulturellen Schätzen der Erde gehört. Das sogenannte ‚Denkmalschutz-Reservat‘, also die Prager Innenstadt, ist das zweitgrößte zusammenhängende denkmalgeschützte Gebiet in Europa. Nur Rom ist noch größer.“

Parkareal Průhonice  (Foto: Aktron,  CC BY 3.0)
Insgesamt nimmt das „Reservat“ 90 Quadratkilometer ein. Es umfasst den gesamten ersten Stadtbezirk mit der Burg, der Kleinseite, der Karlsbrücke, dem Altstädter Ring oder der jüdischen Josefstadt. Zudem gehören dazu im Groben die historische Prager Neustadt sowie Teile der Bezirke fünf, drei und sieben. Später wurde noch das Parkareal Průhonice mit in die denkmalgeschützte Zone aufgenommen.

In Zukunft sollen noch weitere Bereiche und Bauwerke Prags zum Weltkulturerbe werden, beispielsweise die Herz-Jesu-Kirche auf dem Platz Jiřího z Poděbrad. Dieses Projekt ist jedoch etwas Besonderes, denn es soll einen internationalen Rahmen haben:

„Dafür ist in der Regel das Kulturministerium zuständig, aber der Antrag hat auf jeden Fall die Unterstützung des Denkmalschutzamtes. Es ist ein grenzüberschreitendes Projekt gemeinsam mit Slowenien. Es geht nämlich insgesamt um das Werk des slowenischen Architekten Jože Plečnik.“

Jiří Skalický  (Foto: Klára Stejskalová)
Jiří Skalický betont jedoch, dass die größten Anstrengungen im Denkmalschutz von der Stadt und ebenso vom Staat selbst kommen müssen. Vor allem finanziell:

Die eigene Stadt ernst nehmen

„Förderung gibt es nur in Ausnahmefällen, beispielsweise in arabischen Staaten. In Prag ist das jedoch nicht der Fall. Natürlich muss das Kulturministerium auf Druck der Unesco Projekte zur Vermarktung unseres Kulturerbes finanzieren. Von den Vereinten Nationen selbst sind jedoch keine großen finanziellen Zuwendungen zu erwarten. Es handelt sich eher um eine moralische Stütze. Aber die zuständigen Missionen überwachen durchgehend den Zustand des Welterbes. Damit soll bewertet werden, ob Prag den Titel überhaupt weiterhin für sich beanspruchen kann.“

Foto: Ondřej Tomšů
Unter anderem der Fall Dresden zeigt, dass die Unesco sehr streng sein kann, Stichwort Waldschlösschenbrücke. Der Welterbe-Titel wird damit aber zum stadtplanerischen Minenfeld. Auch Jiří Skalický sieht seine Tätigkeit im Denkmalschutzamt als ewigen Balance-Akt zwischen eigenem Auftrag, den Interessen der Stadtverwaltung sowie den Investoren und Architekten:

„Der Welterbe-Titel hat das Leben innerhalb des ‚Reservats‘ sowie in den angrenzenden Gebieten stark beeinflusst. Konkret geht es darum, dass nun Touristen herkommen, um die Schönheit der Stadt zu bewundern. Die müssen wir fortlaufend renovieren und revitalisieren. Auf der anderen Seite hat der Titel aber auch Einschränkungen gebracht für die Stadtbewohner, Unternehmer und Investoren. Beispielsweise ist Prag eine der wenigen Metropolen, die bis auf einige Ausnahmen keine Wolkenkratzer hat. Zudem musste die Werbung im Stadtkern in den vergangenen 25 Jahren stark reguliert werden, ebenso wie der Betrieb von Biergärten oder insgesamt der Ausbau der Dachlandschaft. Im Großen und Ganzen hat der Unesco-Titel der Stadt jedoch viel Prestige eingebracht, und das ist positiv.“

Welterbe als Touristen-Magnet

Touristen aus Asien  (Foto: Gareth1953 All Right Now on Foter.com / CC BY)
Der Welterbe-Status ist natürlich ein Aushängeschild für die tschechische Hauptstadt. Vor allem Touristen aus Asien werden dadurch angelockt. Aber auch insgesamt erlebt Prag derzeit einen Touristen-Boom. Die Moldaustadt ist mittlerweile Stammgast in den Top Ten der beliebtesten Reiseziele in Europa. Im vergangenen Jahr zählte die Tourismusagentur der Stadt, Prague City Tourism, eine Rekordzahl von über sieben Millionen Gästen. Die Tendenz ist steigend, denn allein in den vergangenen drei Quartalen waren es bereits über fünf Millionen.

Der Fremdenverkehr in Prag ist ein Milliardengeschäft und Ansporn, die historischen Teile der Stadt gut zu erhalten. Zwar ist die tschechische Hauptstadt auch so wirtschaftlich stark, ohne die Besucher aus aller Welt würde jedoch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor wegbrechen. Dennoch hat der Boom auch seine Schattenseiten – obwohl es längst nicht so schlimm ist wie in Barcelona, Venedig oder Dubrovnik, wie Barbora Hrubá bestätigt. Sie ist Pressesprecherin der stadteigenen Agentur Prague City Tourism:

Barbora Hrubá  (Foto: Achiv der Agentur Prague City Tourism)
„Prag hat zum Glück noch kein so großes Problem mit dem sogenannten Over-Tourism. In Prag haben wir aber das spezifische Problem, dass sich die meisten Gäste im Stadtzentrum aufhalten. Wir wollen den Tourismus eher in eine etwas andere Richtung bewegen, vor allem indem wir die Menschen in noch unentdeckte Stadtteile locken. Auch wenn man die Besucher natürlich nicht von den klassischen Sehenswürdigkeiten wegbekommt, vor allem wenn sie das erste Mal in Prag sind.“

Konzepte für den Fremdenverkehr der Zukunft

Und die historischen Baudenkmäler bleiben nach wie vor einer der größten Magneten für Prag-Besucher. Einer Studie von Prague City Tourismus zufolge kommen rund 70 Prozent der Touristen gerade deswegen an die Moldau. Nun sollen zudem sogenannte „Erlebnistrassen“ in Randbezirken entstehen, und mit dem Umland will Prague City Tourism ebenfalls enger kooperieren.

Foto: nopparats01,  FreeDigitalPhotos.net
Ein Problemfeld ist auch das bei Stadtverwaltungen berüchtigte Online-Portal Airbnb. Denn ganz klassisch im Hotel kommen nicht mehr ganz so viele Prag-Besucher unter. Die kurzfristige Vermietung von Privatwohnungen sorgt also in Prag für Kopfzerbrechen. Barbora Hrubá ist der Meinung, man sollte den Dienst indes nicht ganz so schwarzsehen:

„Natürlich ist es sehr kompliziert mit der sogenannten ‚Shared economy‘. Wir als Tourismus-Organisation sehen darin aber auch Vorteile. Die Besucher kommen so nämlich zwangsläufig auch in die Randbezirke der Stadt. Damit konzentrieren sich die Touristen nicht mehr so sehr im Zentrum. Andererseits bekommen die Menschen auch die Möglichkeit, etwas anderes von der Stadt zu sehen. Den Dienst nutzen ja Besucher, die nicht im Fünf-Sterne-Hotel absteigen, sondern die Stadt mit den Augen der Bewohner sehen wollen. Airbnb ist also nichts Schlechtes, wenn es seinen ursprünglichen Zweck verfolgt. Deshalb sind wir auch gegen ein pauschales Verbot. Ein großes Problem ist aber, wenn Unternehmer über die Plattform das große Geschäft machen. Also Übernachtungsdienste anbieten, ohne die nötigen Auflagen zu erfüllen und die fälligen Gebühren zu zahlen.“

Prag als menschenleeres Luxus-Ressort?

Busbahnhof Florenc in Prag  (Foto: ŠJů,  CC BY-SA 3.0)
Airbnb ist ohne Frage ein Faktor, der die Besucherzahlen in die Höhe schnellen lässt, neben billigen Zug- und Busverbindungen. Die stadteigene Tourismusagentur überlegt auch deshalb, wie sie die Besucherströme in Zukunft bändigen kann:

„Derzeit gibt es keine konkreten Pläne, den Tourismus in irgendeiner Weise einzuschränken. Wir wollen aber die Zielgruppe ändern, natürlich eher hin zu zahlungskräftiger Klientel. Das allein auch aus ökonomischen Aspekten, denn der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Stadt. Prague City Tourism ist von dem Konzept abgerückt, dass möglichst viele Menschen hier herkommen. Ideal wären weniger Touristen, die aber umso mehr Geld hierlassen.“

Barbora Hrubá meint damit natürlich nicht, dass Prag zu einem Luxus-Ressort werden soll. Man will hauptsächlich etwas gegen die Horden von Bier-Touristen tun, mit denen die Stadt seit Jahren zu kämpfen hat.

Mit einer möglichen Reduzierung der Touristenzahlen will man aber noch einer Sache entgegenwirken, die in den vergangenen Jahren zu einem großen Problem im Stadtzentrum geworden ist:

„Für uns ist natürlich auch wichtig, dass sich die Einheimischen wohl fühlen. Denn wenn sich die gut fühlen in ihrer Stadt, dann wirkt das auf jeden Fall positiv auf die Touristen. Wir wollen nämlich auf keinen Fall, dass das historische Zentrum von Prag zu einer Art Kulisse oder Disneyland für Touristen verkommt.“